Thema verfehlt! Westfalenpost scheitert an Kachelmann-Tweet: Sauerlandemotion statt Feinstaubdebatte

Es ist traurig zu lesen, wie die Westfalenpost das wichtige Thema „Feinstaubbelastung durch Holzfeuerung“ mit ihrem gestrigen Artikel „Kachelmann ätzt auf Twitter gegen Kamin-Nutzer im Sauerland“ verhunzt.

Das zugrunde liegende eigentliche Problem ist die Feinstaubbelastung vieler Orte durch die Holzverbrennung in Kaminöfen. Punkt.

Was macht die Westfalenpost daraus? Eine Unterstellung, dass der Meteorologe Jörg Kachelmann gegen Kamin-Nutzer im Sauerland ätze.

„Kachelmann ätzt auf Twitter gegen Kamin-Nutzer im Sauerland“, schreit die Schlagzeile der Westfalenpost Meschede, um den dann folgenden Artikel hinter einer Bezahlschranke zu verbergen.

Der schlechte Witz ist, dass sich Jörg Kachelmann auf Twitter gar nicht speziell zum Sauerland geäußert hatte. Sein Ursprungstweet lautete:

„Alle gängigen Alternativen sind deutlich, sehr deutlich gesünder für die Nachbarn als das Verbrennen von Holz. Holzverbrennen ist eine dumme Steinzeittechnologie, die durch eine nicht weiter adjektivierbare Gruppe von bildungsfernen Menschen zu Unrecht zum Leben erweckt wurde.“

Quelle: https://twitter.com/Kachelmann/status/1047920916162928641

Kein Sauerland, aber auftaucht ein gewisser Olli Sch., ein Twitter-User unbekannter Identität. Olli Sch. fragt nun anscheinend unschuldig:

„Im Sauerland haben wir noch viel mit Holz geheizt. Sind mit dem Trecker in den Wald gefahren und haben Holz gesammelt. Ist das schädlicher als eine Nachtspeicherzeizung? Was wären die Alternativen umweltfreundlich zu Heizen? Denke Deutschland hat generell ein Energieproblem,“

Quelle: https://twitter.com/OlliSch1/status/1047920239952969729

Es äußern sich nun andere Twitterer, aber Olli Sch. lässt nicht nach. Er hat ja nun -„reim dich oder stirb“- Kachelmann mit dem Sauerland verknüpft. Olli Sch.:

„Sie bezeichnen #Sauerländer als bildungsfern? @WPMeschede @WPArnsberg“

Quelle: https://twitter.com/OlliSch1/status/1047923665235525632

Was passiert hier? Olli möchte jetzt auch noch von Kachelmann hören, dass die Sauerländer bildungsfern seien und „petzt“ gleichzeitig an die Westfalenpost Redaktionen Meschede und Arnsberg.

Kachelmann selbst ist verblüfft, da er ja weder die Sauerländer noch deren angebliche Bildungsferne ins Spiel gebracht hat, und er twittert zurück:

„Haben die Sauerländer den Kölnern und Düsseldorfer[n] [ge]sagt, dass sie in ihren Villen Komfortkamine einbauen sollen? Interessant. Erzählen Sie mehr von sich. Unser Experte @PostelGert hilft gerne.

https://twitter.com/Kachelmann/status/1047924141981159425

Jeder, der lesen kann, weiß nun, dass es Kachelmann nicht um das Sauerland ging, sondern (auch) um die gut situierten Holzverfeuerer in den Metropolen, die mit ihren Kachelöfen die gesundheitsgefährdende Feinstaubbelastung in die Höhe treiben.

Das alles scheint unseren Twitterer Olli nicht zu interessieren. Er hat jetzt die nötigen Fährten gelegt, damit die Westfalenpost ihren Aufreger-Artikel „Kachelmann ätzt auf Twitter gegen Kamin-Nutzer im Sauerland“ bringen kann.

Journalistisch interessant wäre es gewesen, wenn die Westfalenpost Meschede ihre Leser über die Hintergründe der Feinstaubbelastung durch Holzfeuerung aufgeklärt hätte. Daten und Fakten dazu gibt es genug.

Jörg Kachelmann engagiert sich sehr in der Feinstaubfrage. Es gibt inzwischen einen Feinstaubradar für Deutschland und Bastelanleitungen für eine eigene Feinstaub-Station, die man per Internet in diesen Radar einhängen kann.

Dazu siehe: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.feinstaubradar-stuttgart-so-viel-feinstaub-ist-an-ihrem-ort-in-der-luft.91348ea0-3c1d-48b0-abbb-7bd8d399c223.html

Zum Schluss noch meine eigenen Beobachtungen im Sauerland:

Wenn ich an kälteren Abenden, meist bei ruhigen Hochdruckwetterlagen, mit dem Fahrrad oder Auto durch das Sauerland fahre, kann ich die Luftverschmutzung in einigen Tal-Lagen schmecken und riechen.

Wenn ich dann zur Nacht, wie ich es gewohnt bin, das Schlafzimmerfenster öffne, zieht der Gestank der Kamine auch in die Wohnung; und ich denke dann: War es eigentlich in Hamburg abends genau so gesundheitsschädlich einzuschlafen?

Der ätzende Westfalenpostartikel hat jedenfalls nicht aufgeklärt, sondern verdummt. Das sieht man auch an den Kommentaren unter dem auf Facebook geposteten Link zum Artikel mit Bezahlschranke.

Beispiel gefällig?

„Warum sollte sich irgendwer im Sauerland über seine Aussagen echauffieren? Diesem Blender [i.e. Kachelmann, zoom] hört doch schon seit Jahren keiner zu und irgendwie muss er ja(immer wieder mal) die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sonst verfällt er ja komplett in Depression.“

Jede Zeitung hat es in der Hand, ihre Leser aufzuklären oder aufzustacheln.

4 Gedanken zu „Thema verfehlt! Westfalenpost scheitert an Kachelmann-Tweet: Sauerlandemotion statt Feinstaubdebatte“

  1. Sehr gut recherchiert und geschrieben!
    Es scheint aber doch wohl ein Zufall zu sein, dass dieser „Olli“ den Spitznamen des Berichterstatters trägt? Nur „Sch“ und „E“ stimmen nicht überein.

  2. -> „Das alles scheint unseren Twitterer Olli nicht zu interessieren. Er hat jetzt die nötigen Fährten gelegt, damit die Westfalenpost ihren Aufreger-Artikel “Kachelmann ätzt auf Twitter gegen Kamin-Nutzer im Sauerland” bringen kann.“

    Twitterer Olli wird zutiefst bedauern, dass die BILD-Kolumnistin Alice S. nicht auf “Kachelmann ätzt auf Twitter gegen Kamin-Nutzer im Sauerland” verstärkend eingestiegen ist.

    -> „Journalistisch interessant wäre es gewesen, wenn die Westfalenpost Meschede ihre Leser über die Hintergründe der Feinstaubbelastung durch Holzfeuerung aufgeklärt hätte. Daten und Fakten dazu gibt es genug.“

    Daten und Fakten und WP (nicht nur) Meschede – wie geht das zusammen?
    Erlaube mir ne Variation eines berühmten Buchtitels:
    „Surely You’re Joking, Mr. Zoom!“

    (Dick Feynman | Surely You’re Joking, Mr. Feynman! | https://en.wikipedia.org/wiki/Surely_You%27re_Joking,_Mr._Feynman! )

  3. Ich schlage vor, dass der WP-Autor folgenden Artikel von Kachelmann liest:

    https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_84599106/tid_amp/kachelmanns-donnerwetter-diesel-die-politik-ignoriert-ein-groesseres-problem.html

    Wer ungeduldig ist, scrollt bis zu dieser Stelle nach unten:

    „Stickoxide? Reden wir über Feinstaub!
    Wir kommen zum Schluss zum größten Problem für die Lufthygiene und die Gesundheit der Menschen in Deutschland: den Feinstaub.
    Um den Feinstaub ranken sich viele Legenden, die von einer substanziellen Zahl von Menschen leider geglaubt werden. Dass die Vulkane böse seien, gerne auch Kreuzfahrtschiffe, man hat es auch mit den Dieselautos kurz probiert, ob nicht da was geht, hat dann aber rechtzeitig die Stickoxide gefunden, bevor Wissenschaftler mit zu viel Fakten sich laut gewundert hätten.

    Nein, die alle sind nicht daran schuld, dass wir seit ein paar Jahren sehenden Auges, mit Unterstützung von Steuergeldern und KfW, in eine lufthygienische Feinstaubkatastrophe marschieren: Es ist der Holzofen. Oder Komfortofen. Oder Kamin. Oder wie das Elend heißt, das in deutsche Wohngebiete die höchsten Feinstaubwerte seit vielen Jahrzehnten bringt, Tendenz weiter steigend.“

  4. Und ich habe mir heute meine trüben Gedanken zu Brennholz und Holzöfen und Feinstaub und Wirbelstürmen und Plastik im Wasser und im Boden und der AfD und Konsorten und …. draußen mit dem großen Besen weggefegt.

    Was für ein Glück, wenn Mensch von lebenden Bäumen und Sträuchern umzingelt ist! 🙂

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