Werden die Räte zum Spielball der kleinen Parteien? Leserbrief zu einem Westfalenpost-Artikel

„Wenn der Rat zum Spielball wird“, betitelt die Westfalenpost einen Artikel zur 2,5% Sperrklausel bei Kommunalwahlen in NRW. Gegen diese Sperrklausel ist zur Zeit eine Klage von sieben kleinen Parteien vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster anhängig (siehe Bericht hier im Blog).

Das Fazit zieht Autor schon im zweiten Absatz:

„Ohne Sperrklausel leidet die Arbeitsfähigkeit der Kreise und Kommunen.“ Der Bochumer Politikwissenschaftler Jörg Bogumil habe im Auftrag der Landesregierung ein Gutachten erstellt, aus dem hervorgehe dass „Miniparteien“ Mehrheiten und Koalitionen erschwerten. „Ratsanträge“, so heißt es weiter, “ liefen ins Leere. Kleinstfraktionen und Gruppen seien inhaltlich überfordert, kaum arbeitsfähig, schlechter informiert. Nicht zuletzt wirkten sie als Blockierer und Neinsager.“

Zu dieser wertenden Darstellung des Artikels schreibt Berni Eickhoff aus Medebach-Düdinghausen einen Leserbrief, der anscheinend bis heute in der Westfalenpost nicht veröffentlicht wurde. Eickhoff: „Da von der WP leider keine Reaktion erfolgt, möchte ich […] über meinen Leserbrief bezüglich der Äußerungen des Chefjournalisten J. Karpa in der WP vom 25.10. informieren.“)

Hier der Leserbrief im Wortlaut:

Leserbrief zum Artikel:
Wenn der Rat zum Spielball wird,
WP vom 25.10.17 von J. Karpa

Herr Karpa hat über Kommunalpolitik geschrieben, aber mit welchen Erfahrungen und welchen Beispielen als Beleg!

Zitiert und angeführt werden ein von der LR beauftragter Gutachter sowie 2 BM, die beklagen, dass Demokratie lästig ist.

Welche Argumente für eine 2,5 % Klausel führt er an:
• Gestaltung des Gemeinwohls muss gesichert werden
• Kleinstgruppen sind den Anforderungen des politischen Geschäfts, er meint wohl der politischen Themen, nicht gewachsen.
• Besonders schweres Argument: die Arbeits- und Funktionsfähigkeit im Rat leidet, weil die Arbeit im Parlament langwieriger geworden ist.

Entgegnungen dazu aufgrund der Erfahrungen mit eigener Rats- und Kreistagsausschussarbeit:

Die 5 % Hürde wurde vor 18 Jahren vom Verfassungsgericht wohl nicht grundlos abgeschafft. Gerade in den Kommunen ist eine Teilnahme von politischen Außenseitern, die das gesellschaftliche Meinungsspektrum eben auch repräsentieren, demokratisch erwünscht.
Dies gefällt natürlich nicht den Massenparteien, aber warum nicht?

Deren Meinung wird nämlich nicht im Parlament, sondern bereits vorher in der Parteizirkeln gebildet und im Parlament nur kurz abgesegnet, da ja die Mehrheitsverhältnisse eindeutig sind.

In den Kommunen des Sauerlands, für die Ihre Zeitung ja wohl besonders spricht, ist es in der Regel so, dass die eindeutige Mehrheit, meist die sauerländische Monopolpartei, kein Interesse an den Meinungen der Minderheiten besitzt und sie daher als störend empfindet. Das sollte jedoch im demokratischen Prozess der Willensbildung anders sein. Es ist schon eine harte Sache, wenn man diesen Vorgang nur als lästig darstellt. In den Kleinstädten des Sauerlandes ist es nämlich – vielleicht im Gegensatz zu einer Großstadt des Ruhrgebiets – so, dass die Vertreter der Minderheiten in aller Regel voll im Dorfleben integriert sind und sich dort auch mehr als andere einbringen. Daher ist es enttäuschend – ja diskriminierend – wenn als Beleg für die Arbeit dieser Minderheitsvertreter Aktionen der NPD als Beleg herangeführt werden. Warum macht Herr Karpa das?

Weiterhin ist Tatsache, dass sich diese Vertreter der Kleinparteien sicher nicht weniger, sondern viel mehr Arbeit machen, sich zu informieren über die aktuell behandelten Themen. Bei den Großparteien reicht es wenn einige der Vertreter die Vorlagen lesen. Sie stimmen ja sowieso im Verband ab, und der Fraktionsvorsitzende und ein paar Kollegen wissen schon was „wir“ wollen. Demgegenüber ist ein Kleinfraktionsmitglied viel öfter gefordert, seine Meinung zu vertreten und zu begründen.

Aufgrund dessen ist es typisch, dass nun endlich die Großparteien das Verfassungsgerichtsurteil korrigieren wollen. Es schadet ja einem schnellen Abhaken der Ratsvorlagen. Was ist das für ein Argument in der demokratischen Meinungsbildung! Im Fernsehen werden ganze Sendungen über politische Themen lang und breit diskutiert, aber in den Kommunalparlamenten soll das nicht sein, da muss es schnell gehen.
Herr Karpa: Das Verfassungsgericht war der Meinung, dass ohne eine %-Hürde das Gemeinwohl gestaltet wird und nicht umgekehrt und so ist meine praktische Erfahrung: Mehr Demokratie wagen!!

Warum zählen Sie nicht die Parteien in den Parlamenten von Medebach, Winterberg, Hallenberg, Olsberg usw.? Was wollen Sie wirklich?

Berni Eickhoff, Medebach-Düdinghausen
Erfahrungen im Stadtrat Medebach und WST-Kreisausschuss des HSK,
8 Jahre lang dort Vertreter der FWG-Medebach

Umleitung: Luthers Antisemitismus, Niedergang der SPD, Hire and Fire bei Funke und mehr.

Spätsommerabend auf dem Kahlen Asten. (foto: zoom)

Antisemitismus: Aufruf gegen einen Martin-Luther-Platz … hpd

Die SPD kämpft gegen ihren Niedergang: Schulz, Gabriel und die Zeit nach der Wahl … postvonhorn

Was tun?: Wir sind nicht nur die Stimme der Wütenden, wir sind die Stimme der Hoffnung … misik

Der Medienminister empfiehlt (anscheinend): Zerschlagt die Redaktionen! … charly&friends

Dortmunder Kiez-Nostalgie: Wie ich gemerkt habe, dass es Klassenunterschiede gibt? Über so etwas Unfeines redeten wir zu meiner Grundschul-Kinderzeit nicht … revierpassagen

Lehrbuch populistischer Demagogen: „Flüchtlingsstrom reißt Millionenloch in Hagener Kasse“ … doppelwacholder

Grenzwerte: Was blasen die Firmen Egger und Martinrea Honsel in die Luft? … sbl

Medienumschau: Dirk Sensburg und Patrick Wiese stellen den Wahlkampf ein

Heute ist ein Artikel in der Westfalenpost erschienen, dessen Inhalt ich als subtile  Satire werte.

In Meschede hat ein Podiumsdiskussion mit unter anderem Patrick Sensburg (CDU) und Dirk Wiese (SPD) stattgefunden, über die der Autor folgendermaßen berichtet:

„Bundestagswahl – Schlagabtausch bleibt aus bei Diskussion in Meschede“

„Einigkeit bei den meisten Themen: Angesichts sprudelnder Steuereinnahmen sollten Schulden einerseits abgebaut werden, es müsse aber andererseits investiert werden, vor allem in die Infrastruktur. Die Breitbandversorgung muss verbessert werden. Alle sehen Europa als Friedensmodell, alle ärgern sich über Donald Trump.“

„Die Zeit war knapp, es kam nur zu drei Rückfragen von Zuhörern.“

Darüber, was gefragt wurde, schweigt sich der Autor aus. Wird wohl nicht wichtig gewesen sein.

Das ganze Ereignis sei auch parallel auf Facebook übertragen worden. Im Schnitt hätten 10 Leute zugeschaut. Fragen stellte niemand.

Auf dem Podium hätten die beiden Amtsinhaber Patrick Sensburg (46, CDU), Dirk Wiese (34, SPD) gesessen, dazu Carlo Cronenberg (55, FDP), Annika Neumeister (30, Grüne) und Reinhard Prange (70, Linke).

Persönliche Details hätten Dirk Wiese (verheiratet, ein Sohn), Carlo Cronenberg (verheiratet, drei Kinder) und Reinhard Prange („47 Jahre mit einer Frau verheiratet“, drei Kinder) genannt.

Sensburg und Neumeister seien nicht darauf eingegangen.

Vertreter von AfD und Piraten fehlten: Beide Parteien wären eingeladen worden, hätten aber nicht geantwortet.

Den Artikel in der Westfalenpost habe ich mir drei Mal durchgelesen, jedesmal kommt er mir absurder vor. Über zwei Stunden Podiumsdiskussion (oder waren es nur Monologe?) und keine inhaltlichen Ergebnisse?

Beachtlich angesichts der vielen Themen, die die Menschen bewegen. Ich nenne mal ein paar:

Agenda 2010, Hartz IV, Riester Rente

Gummigeschosse für die Polizei

NSA Untersuchungsausschuss

Dieselgate

Flüchtlinge, Migration

Klimawandel

Bildungssystem

… (ad libidum ergänzen) …

„Beifall, als jeder Kandidat noch einmal werben durfte und dann auffällig nach Parteibuch geklatscht wurde.“

Tusch!!!

Umleitung: Transparenz in NRW und anderer Fake und dazu ein paar Fakten

Das Oversum in Winterberg mit Sauna (der Holzkasten) (foto: zoom)

NRW-Transparenzgesetz kommt doch nicht: Landesregierung hatte bis 2017 ein Transparenzgesetz versprochen … wdr

Göring-Eckardt wollte den Mindestlohn? Falsch!: Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt will schon 2003 für einen Mindestlohn gekämpft haben. Das jedenfalls sagte sie im „Bericht aus Berlin“. Stimmt nicht … ard

Martin Schulz: Mit dem Thema Gerechtigkeit hat er einen wunden Punkt getroffen, das zeigen die Reaktionen nach öffentlichen Auftritten von Martin Schulz … freitag

Jäger: Mühe gegeben … postvonhorn

Autobahnprivatisierung: „Größte Grundgesetzänderung des Jahrzehnts?“ … GiB

Lenins Zug: Die Russische Revolution und die Schweiz … UniBern

Harburger im Spanischen Bürgerkrieg: 1936/37 machten sich 13 Harburger Antifaschisten auf die Reise … harbuch

Fake News, Alternative Fakten, Historische Bildung: Während die wachsende Verbreitung von “falschen Nachrichten” – oder auf Englisch “Fake News” – verbesserte Werkzeuge zur Erkennung und Beurteilung von Nachrichten im Allgemeinen erfordert, um Fälschungen zu erkennen, ist bei “alternative Fakten” wichtig, genau auf die einzelnen Fakten im Speziellen zu schauen. Beides vermitteln GeschichtslehrerInnen seit langem … publicHistory

Why Facts Don’t Change Our Minds: New discoveries about the human mind show the limitations of reason … TheNewYorker

Wir brauchen mehr Abstreitbarkeit! Smartphone-Kontrollen sind nicht hinnehmbar. Google und Apple könnten helfen … scilogs

Westfalenpost/Westfälische Rundschau dichtet um: Stadt kontrolliert Südosteuropäer … doppelwacholder

#FreeDeniz! Und alle anderen Journalisten auch: Und weil Anwälte viel Geld kosten und überhaupt aus Prinzip: Kauft dieses eBook! … prinzessinnenreporter

Umleitung: kleine Fluchten

Grau und kalt war es heute am Niederrhein. Die Emschermündung schäumte am Stapp. (foto: zoom)

Ein ziemlich verkorkster Morgen. Das Schwimmbad Aqua Olsberg wegen Personalmangels geschlossen, auf allen sozialen Kanälen irgendwas mit Trump und mir fiel dann auch nichts anderes mehr ein, als aus dem Sauerland Richtung Niederrhein zu fliehen.

Zwei Stunden Autofahrt, um am Stapp auf die Emschermündung zu starren. Hauptsache Tapetenwechsel.

„Hast du wieder Hummeln unterm Hintern?“, heißt es in der Familie.

„Das Ziel ist nichts, die Bewegung alles“, flüstert mein innerer Bernsteinianer. Immerhin ist mir auf dem Neutorplatz in Dinslaken eine Idee gekommen, was wiederum damit zusammenhängt, dass ich vor der verschlossenen Tür des Stadtarchivs gestanden hatte.

Außerdem habe ich bei Media-Markt eine vernünftige Hülle für mein Tablet gekauft. Jetzt kann ich endlich wieder Fotos mit diesem Teil machen, ohne erst umständlich die Fotolinse freizulegen.

Der Scheiß interessiert euch nicht? Egal, ist ja mein Blog! 😉

Gesellschaftsspiele für 2017: Kooperatives für Zwei … erbloggtes

Bitte nicht fotografieren: Wenn Bildrechte Museen in den Wahnsinn treiben … musermeku

Geschichte: Konkurrenz – Die Macht der ZeitzeugInnen … publicHistory

VG-Wort-Erträge zwischen Autoren und Verlagen aufteilen? Ein Streitgespräch zwischen den Historikern Marko Demantowsky und Matthias Krämer … l.i.s.a.

Der Lehrling Hannelore Kraft: NRW-Ministerpräsidentin findet ihre Rolle … postvonhorn

Medien: WPWR säubert eigenen Artikel … doppelwacholder

Das Leben ohne Verdünnung: Otto Dix in Düsseldorf … revierpassagen

Kurz gebloggt: Ohne Links stirbt das Netz. Abschied von der Westfalenpost.

Anscheinend beginnt die Westfalenpost, den Zugang zu ihren Artikeln im Internet zu beschränken.

Gestern hatte ich in einer kleinen Satire den Artikel von Boris Schopper „93 Prozent Zustimmung für Sensburg“ verlinkt. Ich habe auf diese Weise die Herkunft des Kerkhoff-Zitats „Ein Wirtschaftsstaatssekretär ohne jemals in der Wirtschaft gearbeitet zu haben. Das ist postfaktisch“ belegt.

Als ich den Blogbeitrag schrieb, war der WP-Artikel mit Zitat voll einsehbar. Heute führt der Link vor eine Schranke. Die Konsequenz dieser Entwicklung lautet:

Für unser Blog ist die Westfalenpost in Zukunft nicht mehr mit Links zitierbar. Dies ist nicht nur ein Abschied des Blogs von der Westfalenpost, sondern auch ein Abschied der Westfalenpost vom Internet wie es einmal gedacht war.

In der taz vom Donnerstag beschäftigt sich Svenja Bergt mit der Entlinkung des Netzes: „Ohne Links stirbt das Netz„.

Die Autorin argumentiert, dass man die schleichende Entlinkung des Netzes mit der aktuellen Debatte über Fake News in Verbindung bringen könne.

„Nehmen wir einen realen Fall, der auch erst ein paar Wochen alt ist: Auf Facebook postete ein Nutzer ein Zitat der Grünen-Politikerin Renate Künast zum Umgang mit dem Verdächtigen in einem Mordfall. Problem eins: Das Zitat war gefälscht. Problem zwei: Als Quelle war zwar die Süddeutsche Zeitung angegeben. Alleine: Es fehlte ein Link. Das hätte misstrauisch machen können. Sollen. Müssen.“

Deshalb müsse die Entwicklung eigentlich mehr Links statt weniger Links lauten.

„Quellen, die im Netz zu finden sind, sollten mit einem Klick verifiziert werden können. Studien, Zitate, Veröffentlichungen. Ein guter Teil dessen, was heute als Fake News durch das Netz geistert, wäre damit schon widerlegt.“

Das Netz wie man es heute noch beispielsweise bei Wikipedia erleben könne, als die Links noch überall waren, werde es bei fortschreitender Entlinkung, auch durch Gerichtsurteile, nicht mehr geben. Wikipedia als Museum.

Die Westfalenpost bewirbt ihre Artikel seit längerem massiv auf Facebook. Diskussionen über die Inhalte fanden kaum auf der Website der Zeitung statt, sondern zu großen Teilen auf eben diesem „sozialen Medium“.

Für eine ernsthafte und nachhaltige Verlinkung eignet sich die geschlossenen Anstalt Facebook nicht. Die Ursprungsutopie des Internet, die offene Vernetzung, ist tot oder liegt zumindest auf dem Sterbebett.

Als politisch interessierter Mensch muss ich mir überlegen, wie ich die Zukunft meiner Diskussionen im Rahmen der Einhegungen durch Medienkonzerne gestalten kann.

Die Westfalenpost wird weiter an meinen Wahrnehmungsrand rücken.

Mit dem Thema „Einhegungen“ hatte ich mich hier im Blog 2010 nebenbei beschäftigt:

Der Kampf um den medialen Raum erinnnert mich an die Einhegungen im frühkapitalistischen England, die die Allmende fast völlig privatisierten und den physikalisch-öffentlichen Raum auf dass „Public Right of Way“ reduzierten. Selbst um dieses Recht muss im Einzelfall die Öffentlichkeit auch heute noch gegen die Grundbesitzer kämpfen und es durch jährliche Begehungen immer wieder manifestieren. Wer einmal in England gewandert ist, kennt den Unterschied zu unseren Freizügigkeiten.

Die Triebkräfte für die Zugangsbeschränkungen bzw. Einschränkungen des öffentlichen Raums sind nur oberflächlich der fiese Gutsherr oder die sophistische Stiftung Zollverein.

Um es mit einem US-amerikanischen Präsidenten zu sagen: „It’s the economy stupid!“

Wenn ich die Macht habe, Zugang zu beschränken, habe ich auch die Möglichkeit diesen Zugang wieder zu öffnen – gegen Geld.

Neue Quartalszahlen: Druckauflage für die Westfalenpost Meschede, Warstein, Brilon sinkt in einem Jahr um mehr als 6 Prozent.

Auch in diesem Vierteljahr verliert die gedruckte Westfalenpost an Bedeutung. (screenshot: zoom/Quelle ivw))

Siedlinghausen. (zoom) Die Westfalenpost verliert, wie schon in den Jahren zuvor, AbonnentInnen und damit wahrscheinlich Leser.

Die gedruckte Auflage der Ausgaben Meschede/Warstein/Brilon ist um 6,45% gesunken und mit 28.948 unter der Marke von 30.000.

Die ePaper Ausgaben haben sich zwar mehr als verdoppelt, die Digitalisierung konnte trotzdem nicht verhindern, dass die AbonnentInnenzahl um 4,55% von 27.831 auf 26.565 abgesackt ist.

Der Vierteljahresvergleich fällt besser aus.

Im letzten Vierteljahr 2016 scheinen sich die Zahlen wacker zu halten.

Dieses „Weihnachtshoch“ tritt allerdings regelmäßig auf und ist kein Grund zur Beruhigung.

Interessanter als die Zahlen für den Gesamtraum Meschede/Warstein/Brilon wären die Zahlen für die einzelnen Redaktionen. An diesen Statistiken könnte man eventuell ablesen, wie sich unterschiedliche Berichterstattung auf den Zeitungsverkauf auswirkt.

Während die WP Meschede beispielsweise mehr auf Themen wie Polizeimeldungen, „Angsträume“ und „(kriminelle) Flüchtlinge“ zu setzen scheint, macht die WP Brilon einen liberaleren und vielfältigeren Eindruck.

Vielleicht passen sich die Redaktionen opportunistisch an das jeweilige politische Stadtklima (CDU/SPD) an, vielleicht haben sie auch eine eigene Idee.

Ich weiß es nicht. Die Redaktionszahlen sind nicht öffentlich.

Update:

Da ich gerade auf Twitter gefragt wurde, hier noch der Jahresscreenshot für die WP Arnsberg:

Jeder kann sich die Zahlen selbst zusammenklicken. Ist ein bisschen Arbeit:

http://www.ivw.eu/aw/print/qa/f/all?titelbez=&verlagsname=&titelnr=&ivwnr=&titelcode=&erschort=&erschweise=All&titelstatus=All&&sachgrp[min]=&sachgrp[max]=&quartal[20164]=20164&page=4

IVW-Zahlen III / 2016: weitere Auflagen- und Abonnentenverluste auch für die Westfalenpost

Auch im dritten Quartal Verluse für die WP/WR in Meschede, Warstein und Brilon. (screenshot: ivw)
Auch im dritten Quartal Verluse für die WP/WR in Meschede, Warstein und Brilon. (screenshot: ivw)

Die Daten der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) zeigen, dass die Verkaufszahlen der lokalen Tageszeitungen auch bis zum dritten Quartal 2016 weiterhin flächendeckend geschrumpft sind.

Eine ausführliche Analyse der 78 größten deutschen Regionalzeitungen liefert MEEDIA.

In NRW sieht es laut MEEDIA recht unterschiedlich aus. Während die Verluste von Westfalenblatt und Ruhr-Nachrichten unter 3% liegen, geht es für die Zeitungen der Funke Medien Gruppe, zu der auch unsere Westfalenpost gehört, mit 6,6% bergab.

Die Quartalszahlen für die Westfalenpost/WR Meschede, Warstein, Brilon weisen bei den Abonnenten innerhalb eines Jahres ein Minus von 4,54 % aus. Der Abonnentenstamm hat sich von 28.001 auf 26.730 verringert.  Das sind in absoluten Zahlen 1.271 Abbonenten weniger.

Die Druckauflage ist von 31.022 auf 28.995 Zeitungen (-6,53%) gesunken.

Betrachtet man den Fünfjahreszeitraum vom dritten Quartal 2011 bis 2016 ergeben sich folgende Zahlen:

Die Westfalenpost hat in fünf Jahren ein Fünftel ihrer Abonnenten verloren. (screenshot)
Die Westfalenpost/WR (Mes/Bri/Wa) hat in fünf Jahren ein Fünftel ihrer Abonnenten verloren. (screenshot)

Die heimische Zeitung, die als Tageszeitung eine Monopolstellung hat, verlor in den letzten Fünf Jahren 6.852 Abonnenten, das ist ein gutes Fünftel. Gleichzeitig sank die Druckauflage um fast ein Viertel.

Die Spalte mit dem ePaper darf nicht aufgerechnet werden, sondern ist in den Auflagen enthalten. Das ePaper kannibalisiert gewissermaßen einen Teil der Druckauflage.

Wie wird es weitergehen? Wird die gedruckte Tageszeitung überleben?

Ich glaube nicht, dass die gedruckte Tageszeitung überleben wird. Der große Werbekuchen wird inzwischen woanders verteilt (Facebook, Google, YouTube …). Ich kenne viele Menschen, die sich seit einiger Zeit nicht mehr oder nicht mehr ausschließlich durch „ihre“ Lokalzeitung  informieren. Die Westfalenpost selbst ist zwar auch auch im Netz unterwegs, dort aber, obwohl sie eine eigene Website hat, teilweise zum Content-Lieferanten für Facebook geworden.

Der Kauf der Online-Klickfalle heftig.co durch die Funke Mediengruppe zeigt, dass es im Zweifel eher um den Werbeklick als um die journalistische Qualität gehen könnte.

Ansonsten warten wir jetzt ab, was das vierte Quartal bringen wird. Die Zahlen werden in der zweiten Januarhälfte online sein.

Pohäh! Pöhse Pohlen(?) plücken Pilze – primminell. Angstraum Wald.

Fliegenpilz
Mmhh, lecker – Das Schicksal der Pilzhüte: Sporen verteilen und aufgefressen werden (archivfoto: zoom)

Die unterirdischen Myzele der Pilze sind für unserer Bäume überlebenswichtig. Die Fruchtkörper der Basidiomyzeten tauchen nur kurz auf, um Millionen von Sporen zu verbreiten. Dann sind sie wieder weg.

Der eigentliche Pilz lebt unterirdisch auf oft hunderten Quadratmetern. Dort verbindet er sich symbiotisch mit den Wurzeln der Bäume. Er liefert dem Baum Mineralien und Wasser, während der Baum dem Pilz die während der Fotosynthese gebildeten Nährstoffe abgibt. Eine Win-Win Situation. Mykorrhiza nennt man das.

Soweit zur Biologie.

Und nun zur heimischen Zeitung.

Auf der Jagd nach Sex & Crime hat sich unser Heimatblatt diesmal dem Pilz gewidmet und verpasst eine Satire nur haarscharf: „Banden plündern Pilze in den heimischen Wäldern“ heißt es in Print und Bytes. Der Artikel wird mit einem Foto aus uralten Beständen der dpa bestückt, welches nicht viel mit dem Inhalt zu tun hat.

Die Fotografie von Patrick Pleul zierte beispielsweise schon den Artikel „Wegen optimalem Klima – Pilz-Sammler in Hessen kommen auf ihre Kosten“ aus dem Jahr 2014. Auch den Artikel „Förster rechnen mit gutem Pilzjahr“ schmückt das Bild.

Und jetzt widmet sich die WP Meschede dem Pilzklau. Pilzklau?

Dazu ein kleiner Exkurs:

Ich habe mal eine Radtour durch Polen gemacht. Kulturschock, denn normalerweise kann man auf einer Radtour in der freien Natur schon mal um die Ecke pinkeln gehen. Nicht so in Polen.

Da ging es so: Harndrang! Allein in der Natur? Umgucken! Alles scheint menschenleer. Ab zum Busch. Mist! Da pflückt schon jemand Beeren. Aber da der Baum. Mist! Da pflückt schon jemand Pilze. Nächster Baum. Schon wieder Sammler .. usw … usw …

Ich habe noch nie eine solch menschenleere Landschaft mit so vielen Früchte sammelnden Menschen wie in Polen gesehen.

Später im Urlaub habe ich mich mit einer älteren Polin unterhalten, die ihre Verwandten in Deutschland besucht hatte. Sie erzählte mir voller Empörung/Unglauben/Entsetzen, dass sie dort in Deutschland auf dem Land unterwegs gewesen sei. Alles voller Beeren, Pilze – Früchte im Überfluss und „KEIN DEUTSCHER HAT DIESE SCHÄTZE GEPFLÜCKT“.

Kulturschock.

Und jetzt kommt die Westfalenpost mit einem dummen Artikel, der doch eine solch gute Satire hätte werden können: „Banden plündern Pilze in den heimischen Wäldern“ – Bild von Patrick Pleul wie oben.

Wichtig ist anscheinend folgendes:

„Die Sammler, meist handelt es sich um junge Männer aus dem osteuropäischen Raum, werfen zunächst alles zusammen, später wird die Beute sortiert, ehe sie auf dem Schwarzmarkt verkauft wird.“

Der osteuropäische Raum! Geht es auch eine Nummer kleiner?

„Dass durch die massenhafte Sammlung der Bestand an Pilzen reduziert wird und geschützte Exemplare verschwinden, ist das eine Problem.“

Welches sind die geschützen Exemplare? Muss ich doch wissen. Verrät die WP aber nicht.

Liebe Westfalenpost, der Pilz lebt unter der Erde. Gesammelt wir nur der Fruchtkörper.

„Die illegalen Sammler vertreiben das Wild“.

Ab wann ist ein Sammler legal?

Der beste Satz kommt jetzt. Bambi zittert im Unterholz.

„durch die Mengen an Menschen trauen sich die Tiere nicht mehr aus dem tiefen Wald“.

Anstatt ein Foto von dpa zu nehmen, hätte der Autor doch einfach mal in den Wald gehen können, um diese Mengen zu fotografieren. Wenn es solche Mengen sind, sollte das kein Problem sein.

Warum gehen diese Verbrecher gebückt?

„Diese Gruppen gehen zum Teil gebückt und besonders leise durch das Unterholz. Das ist etwas, was die Tiere nicht von Menschen kennen.“

Bambi erleidet ob dieser kognitiven Dissonanz einen Herzinfarkt.

„Schwerpunkte momentan: bei Wennemen und bei Rüthen“.

Angstraum Wald.

Trübe Aussichten: Die Westfalenpost in Meschede, Brilon und Warstein verliert weiterhin Abonnenten.

Die neuen Zahlen der Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) für das zweite Quartal 2016 signalisieren eine Fortsetzung der Abwärtsspirale für die Printmedien im Hochsauerland. 

In den letzten fünf Jahren hat beispielsweise die Westfalenpost mit ihren Redaktionen in Brilon, Meschede und Warstein 20%, ein Fünftel ihrer Abonnentinen und Abonnenten verloren.

Die Entwicklung der Westfalenpost Brilon/Meschede/Warstein. (Screenshot: ivw)
Die Entwicklung der Westfalenpost Brilon/Meschede/Warstein 2011-2016. (Screenshot: ivw)

Die Verluste über das letzte Jahr, also den Vergleichszeitraum 2/2015 – 2/2016, betrugen 4,77%.

Auch im letzten Jahr keine positive Entwicklung bei der WP im Hochsauerland.
Auch im letzten Jahr keine positive Entwicklung bei der WP im Hochsauerland.

Anscheinend haben die Veränderungen des letzten Jahres – u. a. Wechsel von Redaktionsleitungen, neue MitarbeiterInnen, vorsichtig offensivere Berichterstattung, massives Auftreten bei Facebook- keine Trendwende einleiten können.

Ich persönlich denke nicht, dass es die Westfalenpost schaffen wird, in irgendeiner Zukunft wieder ein prosperierendes Print-Sub-Unternehmen der Funke Mediengruppe zu werden.

Dafür müsste sich die Zeitung unentbehrlich machen, die Türsteherfunktion für wichtige Nachrichten, die sie solange -durchaus auch überheblich- ausgeübt hat, wiedererlangen.

Wie soll das im Zeitalter des Internets funktionieren?

Die Verleger müssten es entweder schaffen, qualitativ hochwertigen konkurrenzlosen Journalismus zu produzieren oder die Konkurrenz -die Offenheit des Internets- zu zerstören.

Print stirbt einen langsamen Tod in den blauen Tonnen des Papierabfalls.

Alles weitere später …