Dirk Wiese im Gespräch: „Wozu sind Sozialdemokraten eigentlich auf der Welt?“

Am vergangenen Sonntag habe ich mich mit unserem SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese in seiner Briloner Stammkneipe „Bierstube Hotel Starke“ zum Gespräch und Interview getroffen. Schwerpunkt sollte die Situation der SPD nach der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl 2017 sein.

Meine Fragen an Dirk Wiese drehten sich grob zusammengefasst um folgende Punkte:

1. Wie sieht Ihre „Karriereplanung“ nach dem Ausscheiden der SPD aus der Regierung aus?

2. Vor fast genau einem Jahr hatten Sie noch sehr optimistisch ein Wahlergebnis nahe oder unter 20% verneint. Wie konnten Sie sich derart vertun?

3. In der SPD ist nach der Wahlniederlage eine Diskussion über Ursachen und Folgen entbrannt (Scholz, Stegner, Strasser, …). Johano Strasser stellte in einem Interview die rhetorische Frage: „Wozu sind Sozialdemokraten auf der Welt?“ Ich gebe die Frage an Sie weiter.

4. Was ist die spezifisch Sozialdemokratische Politik im HSK? Vor den Wahlen hatte man bei Podiumsdiskussionen den Eindruck, dass Sie, Dirk Wiese und Patrick Sensburg (Gegenkandidat, CDU) ein Herz und eine Seele sind.

5. Zur Lokalpolitik: Ich persönlich verstehe die Politik der SPD in den Räten nicht, und die SPD erklärt mir ihre Politik auch nicht.

6. Ein Teil der SPD-Wähler, auch im HSK, ist zur AfD abgewandert(?!). Wie wollen sie die zurückgewinnen?

7. Dieselgate ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt neue Klagen aus den USA, weil dort durch den Betrug in Deutschland die Pensionsfonds mit VW-Aktien an Wert verloren haben.

8. Grenzwert werden immer noch nicht eingehalten. Lässt sich die Politik von der Autoindustrie an der Nase herumführen?

Einen Pott Kaffee und einen Keks später hatte ich 27 Minuten Antworten von Dirk Wiese auf dem Speicherchip.

Das Gespräch in voller Länge:

 

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Diskussionsmöglichkeiten mit Dirk Wiese in den nächsten Wochen im Hochsauerlandkreis:

09.11.2017
Die SPD nach der Bundestags- und Landtagswahl
Zuhören – Diskutieren – Zukunft gestalten
ab 19.00 Uhr
in der Dorfschänke Körner, Bruchhausener Str. 27,
59759 Arnsberg-Bruchhausen

14.11.2017
8500 Kilometer bis JAMAIKA ?
• Was erwartet die Bürgerinnen und Bürger bei einer Jamaika-Koalition im Bund?
• Wird mit viel Farbe alles besser?
9.30 Uhr bis 11:00 UHR
im HOTEL STARKE
Am Markt 15
59929 Brilon

14.11.2017
„Durch Kooperation und Vernetzung zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes?“

Diskussionsveranstaltung zur Zusammenarbeit von Südwestfalen und Ruhrgebiet mit Vertretern aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Politik und Wirtschaftsförderung

18:30 Uhr
Trilux-Akademie,
Heidestrasse 4
Arnsberg

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Anmerkungen:

Dies ist mein erster Podcast mit einem Politikerinterview. Ich habe nicht viel geübt, also sind mir einige Fehler unterlaufen, die ich in einem Jahr hoffentlich nicht mehr machen werde. Ich hatte beispielsweise überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich meine eigenen Fragen in der dunkleren Kneipe mit Geräuschkulisse teilweise überhaupt nicht mehr lesen konnte. Verzeiht mir bitte den holprigen Stil und die teilweise merkwürdigen Betonungen. Alles weitere später.

Links:

Das Olaf Scholz Papier: http://www.olafscholz.hamburg/main/pages/index/p/5/3211

Ralf Stegner: https://ralf-stegner.de/2017/10/25/grossbaustelle-spd-vom-keller-bis-zum-dach-muss-saniert-werden-ein-bauplan/

Johano Strasser: http://www.sueddeutsche.de/politik/zukunft-der-spd-wozu-sind-sozialdemokraten-auf-der-welt-1.3699025

Dirk Wiese im Gespräch: Schule, SPD, Wahlkreis sowie die Ruinen des Empires und Black Sabbath.

Der heimische Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese. (foto: spd)
Im Gespräch: Der heimische Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese. (foto: spd)

Am Rande einer Veranstaltung der SPD zur Finanz- und Steuerpolitik habe ich mit dem heimischen SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese ein Gespräch zu den Themen „Schule“, „SPD“ und seiner eigenen Politik vor Ort geführt.

Der Briloner Dirk Wiese ist 33 Jahre alt und verheiratet. Das Ehepaar hat ein Kind (Junge). Wiese hat in Marburg und Münster Jura studiert. Er ist Volljurist mit Erstem und Zweitem Staatsexamen. Zu seinen Hobbys gehören Fußball, Lesen und Joggen.

1. Herr Wiese, wo sehen Sie die Schulen des HSK in 10 Jahren?

Wir haben uns gerade erst In Berlin darauf geeinigt das Kooperationsverbot zu lockern und damit den Weg frei gemacht 3,5 Milliarden Euro des Bundes in die schulische Bildung in den Ländern zu investieren. Hierzu ist allerdings eine Grundgesetzänderung nötig, denn eine solche Kooperation ist nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich, unabhängig davon wie dringend sie gebraucht wird. Ich hoffe, dass CDU/ CSU jetzt auch zu dieser Vereinbarung stehen. Politische Spielchen dürfen nicht auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler betrieben werden. Wichtig ist auch die demografische Entwicklung gerade im ländlichen Raum im Auge zu behalten. Hier wünsche ich mir „Kurze Beine – kurze Wege“, gerade für die Grundschulen.

2. Der HSK ist der einzige Kreis NRWs ohne Gesamtschule. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass sich das ändert?

Über Gesamtschulen wird vor Ort entschieden. Es kann sich ergeben, aber erst einmal müssen wir Ruhe ins System bringen. Dies zeigen die aktuellen Diskussion um G8/ G9. Ich bin persönlich für eine Entzerrung des Schulalltags. Die Belastungen für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrer, sind enorm geworden. Das war zu meiner Schulzeit in Brilon noch anders.

3. Welche Folgen hat das zersplitterte deutsche Schulsystem auf die Bildung vor Ort?

Mir ist wichtig, dass kein Schüler ohne Abschluss bleibt. Es muss für Schüler und auch später in der Ausbildung nach einem Scheitern eine zweite, dritte oder sogar vierte Chance geben. Kurzum, kein Kind darf zurückgelassen werden, das ist und bleibt die Maxime sozialdemokratischer Bildungspolitik.

4. Die Wähler(innen)basis der SPD schrumpft. Die <20% sind nicht mehr nur eine ferne Dystopie. Ihr Plan?

Das sehe ich anders. Es kommt darauf an, wie aktiv und präsent die SPD vor Ort ist. Schauen Sie nach Rheinland-Pfalz, dort hat die SPD mit einer hervorragenden Kandidatin sogar noch zugelegt und klar gewonnen. In NRW sind wir ebenfalls vor Ort präsent und gut aufgestellt, denn wir haben mit Hannelore Kraft auch eine hervorragende Ministerpräsidentin, die vor allem glaubwürdig und nah bei den Menschen ist. Kurzum: Wir kümmern uns.

5. Ein Funktionär der SPD hat mir gegenüber davon gesprochen, dass in der SPD ca. 30% Sarrazin-Anhänger zu finden seien.

Bei Mutmaßungen bin ich stets vorsichtig. Es gab und gibt aber natürlich auch Diskussionen innerhalb der SPD, insbesondere während der Flüchtlingskrise. So ist das nun mal. Klar ist aber allen Mitgliedern, wofür die SPD steht. Für eine freie und offene Gesellschaft, in der jeder seinen Beitrag zur Allgemeinheit leistet, soweit ihm das möglich ist. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus haben bei uns keinen Platz.

6. Die AfD gräbt augenscheinlich die klassische Stammwählerschaft der SPD (Arbeiter, Angestellte, Geringverdiener …) ab. Was tun?

Auch wenn die AfD ihr Hauptpotential aus den Reihen der Nichtwähler und von CDU und CSU mobilisiert, verliert natürlich auch die SPD Wähler an die AfD. Man darf aber nicht alle Menschen, die diese Partei wählen über einen Kamm scheren. Es gibt dort einen harten rechtsnationalen Kern, aber eben auch viele Denkzettelwähler, die den etablierten Parteien in der Wahlkabine eins auswischen wollen. Mit letzteren müssen wir ins Gespräch kommen. Wir laufen Ihnen aber auch nicht hinterher. 85 bis 90 % der Bürgerinnen und Bürger wählen nämlich nicht AfD. Wir müssen aber bei zentralen Themen wie „Steuergerechtigkeit“ und „Altersarmut“ vorankommen. Kurzum, die Themen, die die Leute bewegen aufgreifen, diskutieren und Probleme lösen.

7. Agenda 2010, Hartz IV, Riester-Rente – die SPD wird nicht mehr als „Partei der kleinen Leute“ gesehen.

Wir müssen als Partei unsere Entscheidungen selbstkritisch aufarbeiten. Die Riester-Rente sehe ich persönlich sehr kritisch. Ein Zwei-Säulenmodell aus umlagefinanzierter Rente und Betriebsrente wäre ein möglicher Weg. Die Österreicher haben beispielsweise ein Rentenniveau von 70 %, da zahlen alle, nicht nur die Arbeitnehmer, ein.

Ein Fehler war sicherlich bei der Leih- und Zeitarbeit Missbrauchsmöglichkeiten nicht von vornerein auszuschließen. Die Zeitarbeit war eigentlich gedacht, um Betriebe ohne große Entlassungswellen durch die Finanzkrise zu bekommen und das hat auch gut funktioniert. Jobs konnten erhalten werden und die Arbeitnehmer gingen wieder in die Vollzeit zurück. Dass einige daraus aber ein Geschäftsmodell gemacht haben und obendrein Werkverträge missbrauchen, um die arbeitsrechtlichen Regelungen zu umgehen, hat damals leider niemand in dieser Form für möglich gehalten.

Wir haben zwar vergleichsweise gute Arbeitslosenzahlen. Klar ist aber auch, dass Hartz-IV-Empfänger, die nicht mehr oder nur sehr schwer zu vermitteln sind, eine Perspektive bekommen müssen. Deshalb muss hier ein sozialer Arbeitsmarkt geschaffen werden.

8. Das Personal: Schröder (Gazprom), Steinbrück (IngDiba), ein zappeliger Sigmar Gabriel eine Belastung für die SPD?

Ich bin froh, dass Gerhard Schröder „Nein“ zum Irak-Krieg gesagt hat. Peer Steinbrück hat in der Finanzkrise einen guten Job gemacht. Sigmar Gabriel wird oft zu Unrecht kritisiert. Er macht aus meiner Sicht gute Arbeit. Viele haben offenbar schon vergessen, dass die vielen in dieser Wahlperiode umgesetzten Kernthemen der SPD, wie flächendeckender Mindestlohn und Rente mit 63 nicht zuletzt auch sein Verdienst sind.

9. Die drei wichtigsten Punkte/Felder in denen sie sich von Ihrem Gegenspieler Sensburg (CDU) unterscheiden?

Ich denke Arbeit und Wirtschaft zusammen, mit qualifizierten Arbeitnehmern und starken Gewerkschaften. Ohne diese wäre Südwestfalen nicht so eine erfolgreiche Industrieregion. Ich stehe für ein weltoffenes Sauerland. Für ein Sauerland, dass den sozialen Zusammenhalt lebt. Das Sauerland ist meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen, hier leben meine Familie, meine Freunde. Ich möchte, dass es auch in Zukunft liebens- und lebenswert bleibt.

10. Was hat Ihr Bundestagsmandat dem Hochsauerland gebracht?

Es ist gut, dass unser Wahlkreis nicht nur von einer Partei repräsentiert wird. Vielfalt ist wichtig. Was es gebracht hat? Ich glaube, das sollten die Bürgerinnen und Bürger beurteilen. Jedenfalls konnte man vieles seit September 2013 voranbringen. Im Großen, aber auch insbesondere im Kleinen. Sich kümmern, um die Belange der Bürgerinnen und Bürger vor Ort.

11. Welches sind Ihre Ziele als Bundestagsabgeordneter für die nächste Legislaturperiode?

Ich will dazu beitragen, das Sauerland als lebens- und liebenswert zu erhalten. Das unsere Heimat weiter wirtschaftlich erfolgreich bleibt, Arbeitsplätze vorhanden sind und die vor uns liegenden Herausforderungen in vielen Bereichen, sei es bei der Gesundheitsversorgung, der Verkehrsanbindung auf Straße und Schiene oder beim Breitbandausbau voran kommt.

12. Welche Koalition würden Sie bevorzugen?

SPD 50% und eine Stimme. Geht es am Wahlabend anders aus, so müssen wir schauen.

13. Angenommen den Fall, dass Sie nicht wieder in den Bundestag einziehen. Melden Sie sich dann arbeitslos oder haben Sie einen Plan B?

Ich will ein starkes Ergebnis erzielen. Alles Weitere fragen Sie mich am Wahlabend.

14. Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

1. Wolfgang Hetzer, Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigung?
2. Pankaj Mishra – Ruinen des Empires
3. Marcel Fratzscher – Verteilungskampf

15. Ihr Musikgeschmack?

Alles, was mit Gitarren zu tun hat, dabei darf es gerne auch mal laut sein: Metallica, Deep Purple, Hendrix, Iron Maiden, Black Sabbath, Toten Hosen.