Guten Morgen, alles fließt und nichts bleibt wie es ist

Die Ramsauer Ache springt im Zauberwald von Stein zu Stein. (foto: zoom)

Die Wendung „Alles fließt“ soll auf den griechischen Philosophen Heraklit zurückgehen, dem auch die Äußerung „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“ zugeschrieben wird.

Goethe hat sich in seinem Gedicht Dauer im Wechsel direkt auf Heraklit bezogen:


„Gleich mit jedem Regengusse
Ändert sich dein holdes Tal
Ach, und in demselben Flusse
Schwimmst du nicht zum zweitenmal“

Lange Rede, kurzer Sinn. Wir haben heute Morgen am Frühstückstisch die Landtagswahlen in Bayern und Hessen diskutiert und versuchsweise analysiert. Unsere Stimmung ist eher mau bis sehr schlecht. Die Sorgen über den Rechtsruck lösen sich nicht im schwarzen, ungezuckerten Kaffee auf.

Alles fließt – so viel scheint sicher. Doch wohin die politische Reise geht, ist ungewiss. Ich hoffe nicht, dass sich allzu viele Analogien mit dem Krisenjahr 1923 als Wiederholungen entpuppen. Eine Farce wäre mir lieber, oder?

Gretchenfrage (ein bisschen Faust muss sein): Wird die FDP die Koalition im Bund platzen lassen oder einfach noch erpresserischer auftreten, bis entweder die Grünen (wahrscheinlicher) oder die SPD (unwahrscheinlicher) die Schn…. voll haben und hinwerfen?

Ich gehe jetzt spazieren und gucke mir die Botanik an. Das macht mehr Spaß als die Gedanken über Bayern, Hessen und Deutschland.

Landtagswahlen: Die Bayern verstehe ich nicht, aber ein paar Worte zu Hessen…

Das ist Bayern, aber ist das Bayern? (foto: zoom)

Die Stimmen bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen werden gerade noch ausgezählt, aber die Hochrechnungen[1] sind bis auf die FDP in Hessen eindeutig.

In Bayern haben zwei Drittel der Wähler*innen ihr Kreuz auf der rechten Seite des politischen Spektrums gemacht. Die rechtspopulistische/rechtsradikale/rechtsextremistische AfD ist dabei mit 16% wahrscheinlich zweitstärkste Kraft gefolgt von den freien Wählern mit 15,3%. Auf der linken Seite folgen dann die Grünen mit 14,7% und die SPD mit 8,0%. Die FDP fliegt aus dem Landtag (2,8%).

Die größten Zuwächse an Stimmen hat mit +5,8% die AfD, gefolgt von den FW (+3,7%). Alle anderen Parteien erleiden Verluste, an erster Stelle die Grünen mit 2,9%, gefolgt von FDP (-2,3%) und SPD (-1,7%). Die CSU blieb mit 36,4% nahezu stabil (-0,8).

Söder könnte rechnerisch unter mehreren Machtoptionen wählen, ich tippe aber auf die bisherige CSU/FW-Regierungskoalition.

Die große Gewinnerin in Hessen ist mit 34,5% (+7,5%) die CDU, gefolgt von der AfD (18%, +4,9%), die damit zweitstärkste Partei vor der SPD (15,0%, -4,8%) und den Grünen (14,9%, -4,9%) wird.

Die FDP wäre nach der letzten Hochrechnung mit 4,9% (-2,6%) aus dem Landtag raus, die Linke (3,1%, -3,2%) wird sicher nicht mehr drin sein.

Zu Bayern fällt mir nichts ein, ansonsten kann man alles Mögliche anmerken. Faeser war für die SPD in Hessen eine Fehlbesetzung, eine authentische Landespolitikerin hätte vielleicht den ein oder anderen Prozentpunkt mehr holen können, aber vielleicht ist die Personaldecke der Sozialdemokrat*innen zu dünn für überzeugende Landespolitik.

Ein Teil des Minus wird außerdem auf die eiernde Politik der Berliner Bundesampel zurückzuführen sein. Was will die SPD in der Koalition? Eine für sie noch schlechtere Koalition ohne SPD verhindern? Anders lassen sich die Zugeständnisse an den kleinsten Partner FDP für mich nicht erklären.

Die Grünen haben ihre Klimapolitik den Menschen nicht erklären können. Den Weg, der von den fossilen zu den erneuerbaren Energien führen wird, haben sie nicht vermitteln können. Das lag zum einen an eigenen politischen Fehlern, wie einer gewissen Überheblichkeit, als auch am massiven Gegenwind der politischen Gegner und der Kampagnen der Fossilindustrie. Nicht zuletzt hat die Uneinheitlichkeit der Regierungskoalition eine Rolle gespielt.

Letztendlich muss jede Transformationspolitik auch die Frage beantworten, wer das alles bezahlen soll. Bei der Energiewende machte sich der Eindruck breit, dass es „die da unten“ sind, die die Last tragen sollen, während „die da oben“ PV-Anlage, Elektro-SUV und Wärmepumpe subventioniert bekommen.

Der Rechtsruck wird kurzfristig nicht dabei helfen, die notwendigen Schritte raus aus der fossilen Wirtschaft/Gesellschaft/Politik zu erleichtern.

Die Klimakrise lässt sich nicht wegdiskutieren. Wir brauchen Lösungen.

Heute Abend bin ich ratlos, wie es weitergehen wird.

Die Linke in Hessen hat gute Arbeit geleistet. Ohne sie wären bspw. die NSU-Akten nicht in die Ausschüsse gekommen, die Morde von Hanau blieben unaufgeklärt. Sie werden allerdings bundesweit nur noch als zerstrittener Haufen, der sie aus verschiedenen Gründen auch sind, wahrgenommen und nicht mehr als ernstzunehmende politische Kraft. So wie Oskar Lafontaine die Linke im Saarland zerstört hat, wird dies Sahra Wagenknecht wahrscheinlich bundesweit gelingen. Was wird von der Partei Die Linke übrig bleiben?

Heute Abend habe ich darauf keine Antwort.

Die FDP wird für ihre destruktive, egoistische, neoliberale Politik als Wurmfortsatz großer Wirtschaftsunternehmen abgestraft. Ihren Bürgerrechtsflügel (Baum, Leutheusser-Schnarrenberger) hat die FDP schon lange verloren. Den neoliberalen Mummenschanz erledigt die AfD geräuschloser mit, ohne dass deren Wähler*innen es unbedingt merken.

Soweit in Kürze.

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[1] Hochrechnungen von ca. 22 Uhr

Die Unschuldsvermutung gilt auch in Bayern

Am 24. Mai 2023 ließ die Generalstaatsanwaltschaft München die Website (im Original „Homepage“) der „Letzten Generation“ sperren. Ein unter dem Wappen der Generalstaatsanwaltschaft dort veröffentlichter Hinweis stufte – mit Ausrufezeichen versehen – die „Letzte Generation“ als „kriminelle Vereinigung“ ein und warnte, dass Spenden an die „Letzte Generation“ ein strafbares Unterstützen dieser „kriminellen Vereinigung“ darstelle. Diese Maßnahme stellt einen eklatanten Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar und schadet dem Ansehen der Generalstaatsanwaltschaft München als rechtsstaatlich handelnder Institution.

(Pressemitteilung Neue Richtervereinigung)

Die Unschuldsvermutung gehört zu den selbstverständlichen und unumstrittenen Grundsätzen des Strafrechts. Jeder hat hiernach bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig zu gelten. Hieraus folgt für die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Behörden, dass niemand einer Straftat als schuldig behandelt werden darf, bevor die Schuld nicht gerichtlich durch rechtskräftige Verurteilung festgestellt wurde. Es steht daher keiner staatlichen Behörde zu, den öffentlichen Eindruck zu erwecken, Betroffene seien strafrechtlich schuldig, solange dies nicht rechtskräftig gerichtlich festgestellt ist. Dies gilt gerade auch für die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften während laufender Verfahren.

Gegen diese Grundsätze hat der heutige, unmissverständlich vorverurteilende Hinweis – den die Behörde mittlerweile wieder entfernt hat – klar verstoßen. Der Vorgang ist umso gravierender, als dass die öffentliche Einstufung als „kriminelle Vereinigung“ alles andere als selbsterklärend und die rechtliche Diskussion (auch unter den Staatsanwaltschaften in Deutschland) von einer Klärung weit entfernt ist. Zudem ereignete sich der Vorgang in einem politisch aufgeheizten Umfeld: der bayerische Ministerpräsident Söder hat öffentlich wiederholt ein „striktes Durchgreifen“ (AZ München, 23. 02. 2023) gegen die „Letzte Generation“ verlangt und die Generalstaatsanwaltschaft München hatte daher als Justizbehörde wenige Monate vor der Landtagswahl allen Anlass, die gebotene mediale Distanz zur überschießenden Kraftmeierei der politischen Akteure zu wahren.

Staatsanwaltschaften sind in Deutschland allen europäischen Mahnungen zum Trotz (und anders als Gerichte) weisungsabhängige Behörden im Geschäftsbereich der Landesregierungen. Sie stehen daher in besonderer Verantwortung, jeden Anschein unzulässiger politischer Beeinflussung oder Beeinflussbarkeit zu vermeiden. Die „Neue Richtervereinigung“ bedauert sehr, dass dies hier nicht gelungen ist – und erneuert aus diesem Anlass ihre Forderung zu einer grundlegenden Reform der Staatsanwaltschaften hin zu echter Unabhängigkeit nach europäischem Verständnis.

PDF der Pressemitteilung:
https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/bundesvorstand/pdfs/2023_05_24_NRV_PM_GenStA_Muenchen.pdf

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