SPD im Rentenwahlkampf? Ursula Engelen-Kefer und eine Pressemeldung von Dirk Wiese

Ich gebe zu, dass ich einigermaßen verstört bin. Heute Morgen habe ich in der taz den ausgezeichneten Artikel von Ursula-Engelen Käfer (SPD) zur Altersvorsorge gelesen und wenig später flatterte mir eine Pressemitteilung unseres heimischen SPD Bundestagsabgeordneten in den Briefkasten.

Der Reihe nach.

Engelen-Kefer zeigt die Fehler ihrer eigenen Partei in den „Schröder-Jahren“ auf: „Wie inzwischen selbst amtliche Berichte feststellen, ist die Riester-Reform gescheitert“, schreibt die Volkswirtschaftlerin. Die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung überschreite die der kapitalgedeckten Systeme deutlich.

Es sei notwendig den freien Fall des Rentenniveaus seit der Riester-Reform 2001 anzuhalten. Dies sei durchaus möglich, so Engelen-Kefer: „In Österreich sind die durchschnittlichen Rentenleistungen für Männer und Frauen im Schnitt um mehr als 40 Prozent höher als in der Bundesrepublik, werden für 14 Monate gezahlt, und es gilt nach wie vor die Rente mit 65. Finanziert wird dies durch einen Beitrag von 22,8 Prozent mit einem höheren Anteil der Arbeitgeber sowie einem erheblichen Steuerzuschuss. Zudem sind alle Erwerbstätigen in die solidarische Rentenversicherung einbezogen, was auch in Deutschland längst überfällig ist.“

Der auf dem SPD-Programmparteitag gefeierte Redner Gerhard Schröder habe hingegen das solidarische Rentensystem umgebaut, um die Arbeitgeber zu entlasten.

Die Pressemeldung von Dirk Wiese lautet: „Weiterarbeiten nach Rentenbeginn: Bundesregierung präsentiert neue Broschüre“, und ist offensichtlich ein Ratgeber für Rentner, die nach dem Renteneintritt noch weiterarbeiten wollen/müssen.

In der PM liest sich das so [Hervorhebung von mir]:

Viele Menschen möchten am Ende eines langen Berufslebens noch keinen endgültigen Schlussstrich ziehen und ihre Arbeit völlig liegen lassen. Das zeigt sich auch daran, dass etwa 900.000 Menschen in Deutschland im Rentenalter einem Minijob nachgehen – rund 200.000 Menschen im Rentenalter waren sogar sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Wahl zwischen einem Weiterarbeiten ohne Renteneintritt und einem Weiterarbeiten mit Renteneintritt muss von alldenjenigen getroffen werden, die über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus weiterarbeiten wollen. Dabei kann das neue Flexirentengesetz eine Hilfe darstellen, weil es eine flexiblere Planung ermöglicht. Beide Varianten können die Rente spürbar steigern, sollten aber auch rechtzeitig mit dem Arbeitgeber besprochen werden. Wer vor dieser Entscheidung steht, kann auf der Internetseite www.deutsche-rentenversicherung.de individuelle Beratung erhalten.

„Die SPD hat sich dafür eingesetzt, dass Prävention und Rehabilitation durch das neue Flexirentengesetz ausgebaut werden. Ziel ist es, dass mehr Menschen bis ins Rentenalter gesund arbeiten können. Gleichzeitig ist es gelungen, bürokratische Hürden etwa bei der Staffelung der Teilrente abzubauen und damit die Gestaltung der Arbeit im Alter für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinfachen“, erläutert der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär Dirk Wiese die Position der SPD-Bundestagsfraktion.

Von der Bundesregierung wird zu diesem Thema unter anderem der Ratgeber „Länger arbeiten“ angeboten. Die Broschüre kann kostenlos beim Büro des heimischen Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Telefon: 030/227 74 078, Fax: 030/227 76 080, E-Mail: dirk.wiese@bundestag.de bestellt werden.

Ich muss ehrlich gestehen, dass mir die PM von Dirk Wiese wie ein zynischer Kommentar zum eigenen Handeln vorgekommen ist. Die Lesart wäre: Die Schröder-SPD zerstört das gesetzliche Rentensystem und bietet dem jetzt „kranken Patienten“ RentnerIn die Medizin an:

Hallo, hallo, wir haben eine Broschüre (Medizin) für alle Rentner, die auch nach der Rente noch arbeiten müssen/wollen. Wir haben zwar eure Rente kaputt gemacht, aber dafür bekommt ihr jetzt eine Broschüre.

Es ist Wahlkampfzeit. Ich habe den Schulzzug schon lange nicht mehr gesehen. Ich vermute, er steht vor dem Willy-Brandt-Haus und wird mit Broschüren beladen.

Meine Sorge ist, dass die SPD mit dieser Art von Öffentlichkeitsarbeit bei den Bundestagswahlen implodiert. Neoliberale Politik können CDU und FDP auch ohne SPD umsetzen – ohne Broschüre.

16 Gedanken zu „SPD im Rentenwahlkampf? Ursula Engelen-Kefer und eine Pressemeldung von Dirk Wiese“

    1. Ich habe anderes erwartet, gerade weil Dirk Wiese (im Gespräch) Österreich als Vorbild angeführt hatte.

      Lass uns jetzt aber besser über die Rente und die SPD diskutieren.

  1. Ja, schön“. Ob die SPD wohl mal evaluiert hat, wie hoch die Zahl der Rentnerinnen und Rentner ist, die nicht arbeiten möchten sondern schlicht für ein paar Kröten arbeiten müssen, um etwas weniger notdürftig über die Runden zu kommen?

  2. „Ob die SPD wohl mal evaluiert hat, wie hoch die Zahl der Rentnerinnen und Rentner ist, die nicht arbeiten möchten sondern schlicht für ein paar Kröten arbeiten müssen, um etwas weniger notdürftig über die Runden zu kommen?“

    Bitte keine Häme :-). Die SPD verfügt seit 2013 über ein in nahezu allen Situationen generell einsetzbares Evaluations-Tool:
    https://www.youtube.com/watch?v=nJucocTitIQ

    Immerhin: Die Protagonistin des Tools wurde kürzlich in Dortmund bzgl. ihrer Kreativität in Richtung Rentenpolitik ausdrücklich belobigt:

    Auszug SZ | 25.06.2017
    http://www.sueddeutsche.de/politik/spd-parteitag-schroeders-dienst-an-martin-schulz-1.3559948

    Er (Gerhard Schröder) lobt das Rentenkonzept, das Nahles ins Programm geschrieben hat. „Ich hatte nicht immer erwartet“, gurgelt Schröder charmant, „dass du das so doll machen würdest“.

  3. Das hätte ich ja auch nicht gedacht; dass die SPD den SPD-Zerstörer Alt-Kanzler (und er ist tatsächlich alt geworden und jetzt ohne Frauen, oder ?) zum Erst-Redner auf ihren Parteitag einlädt… Venceremos ! Oder was man immer dafür hält.
    Sie haben alle keine Ahnung von Armut – oder auch nicht mehr… aber während Herr Gabriel sich ein Magenband legen lassen muss wegen Überfluss verhungern in Afrika nach wie vor Millionen Kinder, Frauen, Männer, Ziegen, Rinder, Schweine etc. Wie soll man das nennen ? Polititk ?

  4. Als wollte man, wenn man tot ist, noch die Reden dieser Heuchler hören.
    Schaue gerade den Staatsakt in Straßburg. Hat er nicht genug Reden gehört, hat er nicht genug Reden gehalten, hat er nicht genug Intrigen ausgehalten- ausgesessen, hat er nicht genug geopfert … ? Das wäre die Stunde der beiden Söhne – aber leider. Politikerleben halt.
    PS „Der Kanzler der Einheit“ – lachhaft. Derjenige, der die Einheit Deutschlands ermöglicht, vorangetrieben, besiegelt hat ist immer noch Michael Gorbatschow, der inzwischen auch leider zu krank ist, um zu reisen. Dafür schicken sie Medwedjew… Da reicht dein Kopfschütteln nicht mehr. Dafür muss man schon die Faust in der Tasche ballen.

  5. @ Nofretete

    „einen unglaublichen Massen-Exodus Richtung D-Mark“

    also daran erinnere ich mich so:

    die Ossis holten sich ihr „Begrüßungsgeld“ in D-Mark ab, und bildeten dann einen unglaublichen Massen-Exodus Richtung Beate-Uhse-Sex-Shop am Bahnhof Zoo …

    Aber die blühenden Sex-Shops gab es auch nicht mehr lang …

  6. Nun, ich weiß. War dabei. Später gab es noch die rohen Eier in Halle. Was es nicht gab waren die „Blühenden Landschaften“ im Osten. Dafür einen unglaublichen Massen-Exodus Richtung D-Mark. Selbst die gibt es nicht mehr. Was bleibt also ? Vielleicht ein Aufatmen bei den Spendern, so sie noch leben ? Deren Namen nimmt er, wie versprochen in das kalte Grab von Speyer begleitet von einer Schwarzen Witwe und natürlich von Kai Diekmann…

  7. Ok. Sie haben es so gewollt. Die ersten waren Gebrauchtwagenverkäufer, dicht gefolgt von diesen unsäglichen Versicherungsvertretern, und die nächsten Möbelverkäufer… alle haben zunächst gute Geschäfte im Osten gemacht. Sehr, sehr Gute… Keine Ahnung woran Sie sich erinnern. Aber Sex war im Osten zunächst kein Geschäft… Es wurde zum Geschäft gemacht!.. Darüber wiederum gibt es Sendungen m Ersten, im Zweiten gebührenfinanziert oder auch nicht …

  8. @ Nofretete

    mein Kommentar – oben, der in der falschen chronologischen Reihenfolge veröffentlicht wurde – beschreibt die unglaubliche Schlange vor dem Beate-Uhse-Sex-Shop am Bahnhof Zoo Berlin:

    echt wahr, da standen Hunderte Ossis vor dem Sexshop

    ich würde sagen: „mit denen war kein Staat zu machen“ – kein Wunder, dass die DDR untergegangen ist – mit Kohl hatte das nichts zu tun …

  9. Sorry, die Reihenfolge stimmt nicht. Bin gerade unterwegs. Einige Kommentare musste ich erst aus dem Spam-Filter befreien.

  10. @ zoom

    „West-Männer so schlechte Liebhaber sind“ als Erklärung für die Ossi-Schlange vor dem Wessi-Sexshop erscheint mir auch SPAM-verdächtig …

  11. @zoom – Alles gut. Manchmal verstehe ich die Aggressivität nicht.
    Es erinnert mich aber an ein Bild. G 20 – Party-Polizei- Hamburg-Leipzig 89-Menschen, die protestieren- damals für Freiheit – heute gegen Hunger, gegen Gewalt, gegen extreme Diskriminierung… Ja dann, sperrt sie ein in Eure Supermärkte. Wie damals in Leipzig 89 “ Scheut Ihr den Vergleich ?

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