Schweinemast und Gülle – Wie viel davon können Mensch, Tier und Natur verkraften?

Im Stadtgebiet Marsberg machen sich ganz offensichtlich immer mehr Aus- und Nebenwirkungen der Massentierhaltung, speziell der Schweinemast bemerkbar. Der höchste im Hochsauerlandkreis (offiziell) gemessene und verkündete Nitratwert stammt aus dem „Schweineparadies“ Marsberg. Mit 47 mg/l liegt er nur ganz knapp unter dem Grenzwert von 50 mg/l.

(Der Artikel ist in ähnlicher Form Anfang Juli zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Verwunderlich ist das nicht. Denn allein im Raum Marsberg stehen nach aktuellen Angaben der Kreisverwaltung über 30.400 Schweine in den Ställen. Und das offenbar mit steigender Tendenz. 2018 lag dort die Zahl der Mastschweine (laut Angaben des HSK) bei „nur“ rund 27.600 Tieren. Offenbar sind in den letzten Jahren immer mehr Ställe genehmigt und gebaut worden.

Arme Schweine
Die Marsberger Schweine sind im wahrsten Sinne des Wortes arme Schweine. Sie leben laut den uns vorliegenden Angaben allesamt in konventioneller Haltung, also auf Voll- oder Teilspaltenböden mit wenig Tageslicht und nicht mal ein Quadratmeter Platz pro Tier. So vegetieren sie rund 100 Tage. Dann haben sie die Schlachtreife von bis zu 125 kg erreicht. Zum krönenden Abschluss ihres bescheidenen Lebens werden sie dichtgedrängt zum Großschlachthof transportiert (vielleicht zu Tönnies)?

Wie viel Gülle „produziert“ ein Marsberger Schwein?
Rein rechnerisch ergibt sich ein Gülleanfall von 1,43 m³ pro Mastplatz und Jahr. Darin enthalten ist das Reinigungswasser von 0,507 m³ pro Tier pro Jahr.

Quelle für diese Angabe ist die Landwirtschaftskammer Niedersachen:
https://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/1/nav/753/article/30422.html

Noch mehr Gülle von Irgendwo
Zu allem eigenen (Gülle-)Überfluss beobachten Marsberger Bürger/innen immer wieder Gülle-Importe per LKW. Woher genau die Fracht in den Hochsauerlandkreis kommt ist ungewiss, vielleicht u.a. aus der Weser-Ems-Region in Niedersachsen, die als „Kernland der deutschen Fleischindustrie“ gilt.

Diskussion um die Messwerte
Und weil die (offiziell bekannten) Nitratmesswerte im Raum Marsberg schon fast eine halbe Ewigkeit im kritischen Bereich liegen, misstrauen ihnen offenbar die Hauptverursacher, die Schweinemäster. Die Bauern zweifeln die Angaben offenbar an und rufen nach der Politik:

https://www.wp.de/staedte/altkreis-brilon/bauern-aus-marsberg-misstrauen-messung-zur-nitratbelastung-id228080847.html

Auf der anderen Seite stehen misstrauische Bürgerinnen und Bürger. Sie fragen sich nicht von ungefähr, ob es im Bereich Marsberg, im HSK und im benachbarten Hessen überhaupt ausreichend Messstellen gibt, um sich ein einigermaßen klares Bild über die Höhe der Nitratbelastung zu machen? Auch sie fragen sich ob die offiziellen Angaben über die Höhe der Nitratwerte realistisch oder vielleicht doch etwas (nach unten) geschönt sind?

Überregionaler Bezug: Schweinemast und Grundwasser
Eine Studie die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die am 26.02.2020 veröffentlicht worden ist, hat einen klaren Zusammenhang zwischen der Grundwasserbelastung und der landwirtschaftlichen Nutzung der betroffenen Gebiete belegt. Grundlage sind Daten von 2012 bis 2016, die offenbar einen systematischen Zusammenhang zwischen Bodennutzung und Nitratbelastung aufweisen.

Es besteht ein Zusammenhang zwischen Bodennutzung und Nitratbelastung.
Zitat „EurActiv“:  „Während der Nitratgehalt in Wald- und Grünlandflächen meist deutlich geringer ist, weisen Messstellen in landwirtschaftlichem Gebiet deutlich höhere Werte auf. Dort liegt der Durchschnitt bei etwa 28 Prozent im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt von nur 18 Prozent. In landwirtschaftlichen Regionen fanden die Forscher nicht nur häufiger, sondern dann auch deutlich stärkere Belastungswerte, welche den erlaubten Höchstwert von 50 Milligramm pro Liter um das bis zu siebenfache überschreiten. …
… Neu an den Ergebnissen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist, dass es damit erstmals eine systematische Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Bodennutzung und der Nitratbelastung des Grundwassers in Deutschland gibt.“

Ergebnis der Studie: Die Landwirtschaft bleibt der größte Verursacher des Nitratüberschusses

Zitat „EurActiv“: „Die Konzentration von Nitrat ist besonders in jenen Bundesländern mit Schweinemast besonders hoch. Verursacht wird sie durch den Dung der Tiere, der auf die Felder ausgebracht und im Boden durch biochemische Prozesse in Nitrat umgewandelt wird, das sich wiederum in Grund- und Oberflächenwasser anreichert. Nach Erkenntnissen der Forscher geht deshalb auch eine höhere Dichte des Schweinebestandes mit einer erhöhten Nitratbelastung einher. Für Rinder und Schafe konnte dagegen keine solche Korrelation gefunden werden.“

Klick: https://www.euractiv.de/section/landwirtschaft-und-ernahrung/news/studie-zeigt-erstmals-zusammenhang-zwischen-landwirtschaft-und-nitratbelastung/

Gülle im Überfluss bedeutet eine Vielzahl ungünstiger und wahrscheinlich gesundheitsschädlicher Nebenwirkungen
Darum leitete die Europäische Kommission beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2016 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein.

https://www.diw.de/de/diw_01.c.740783.de/publikationen/wochenberichte/2020_09_1/nitratbelastung_im_grundwasser_ueberschreitet_grenzwert_seit___mehr_transparenz_und_kontrolle_in_der_duengepraxis_notwendig.html

Fortsetzung folgt
Wir könnten hier noch seitenlang über die Aus- und Nebenwirkungen von Tiermast spekulieren und schreiben. Der nächste Skandal ist gewiss. Wir werden viel zu bald davon hören und lesen.

4 Gedanken zu „Schweinemast und Gülle – Wie viel davon können Mensch, Tier und Natur verkraften?“

    1. Also wenn das stimmt, will er sich die Lohnkosten zurück erstatten lassen – vom Land NRW . Hmm. ja, jetzt könnte man im Land NRW sagen, Gott-sei-Dank sind die Lohnkosten derer so gering… Man stelle sich vor, man müsste sich die Lohnkosten der Beamten, Kontrolleure, der Verantwortlichen, der Politiker – all derer, die mit Geld der Steuerzahler auf irgendwelchen Bürosesseln sitzen und ihren Job nicht gemacht haben und machen, zurückzahlen lassen. Das gäbe ein schönes Durcheinander. Aber im Moment springt eh jeder auf diesen Zug auf – der Staat ist verantwortlich. Ok – ist er. Aber an jedem Lohnzettel kann man sehen, wer der Staat ist. Der Staat hat kein Geld ohne uns, der Staat existiert nicht ohne uns (siehe nächste Wahl) – und wen wir uns als Staat wählen, hängt von uns ab. Und die Mehrheit will Scheuer/Seehofer etc. – alte weiße Männer, Rassisten nicht mehr. Also mit der richtigen Intention auf zur Urne. Das ist übrigens auch in Amerika so, also fast so – ein anderes System. Da werden die ehemaligen Sklaven fast nicht zugelassen – und das obwohl der sagenhafte Reichtum dieser Nation auf Landnahme der Ureinwohner und radikaler Ausbeutung der Sklaven aus Afrika beruht. Das alte Kolonialsystem lässt sich immer wieder verwandeln… in 1-Euro-Jobber, Hartz IV, in Mindestlohn, in was auch immer – Hauptsache die Eliten bleiben die Eliten… und mit ihnen das Geld ob altes oder neues… oder virtuelles – wie bei Wirecard – völlig egal. Den Betrügern ist Tor und Tür geöffnet – und was ist mit dem Bettler, der einfach nur Hunger hat ?
      Viele Jahre, jetzt nicht mehr im HSK, klebte an meinem Computer ein kleiner Spruchaufkleber „Schauen Sie nicht auf einen Bettler herab, denn wenn Sie dereinst im Grab liegen, werden Sie so aussehen wie er.“ Dalei Lama. Eine Erwiderung von einem Chefredakteur ist mir noch in Erinnerung: “ Ja, deswegen müssen wir es jetzt ausnutzen.“ Hätte Herr Tönnies sein können.. Das er nicht mehr klebt ist nicht notwendig, ich haben ihn jeden Tag vor Augen.

  1. Heute in der Frankfurter Rundschau:

    „Es läuft wieder einmal darauf hinaus, dass wir insbesondere eine tiefgreifende Umstellung der Landwirtschaft brauchen, düngefreie Sicherheitszonen entlang der Ufer, weniger Gülle auf den Äckern. Das Ende der Massentierhaltung, die Schließung von Großschlachtereien und die Reduktion des individuellen Fleischverzehrs wären dazu wirksame Schritte. Die Offenbarung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie durch die Ausbreitung der Corona-Seuche zeigt aus anderer Perspektive in die gleiche Richtung: So darf es nicht weitergehen.“

    https://www.fr.de/meinung/schmutziges-wasser-schwimmt-etwas-13829003.html

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