Sachverständige bewerten Beschneiung von Skipisten unterschiedlich

Bei einer Anhörung im Tourismusausschuss zum Thema Tourismus und Wintersport in Zeiten des Klimawandels am Mittwoch, 19. April 2023, waren sich die sieben geladenen Sachverständigen zum Teil deutlich uneinig darüber, wie stark die Beschneiung von Skipisten mit technisch erzeugtem Schnee die Umwelt schädigt. Als weitere Probleme für nachhaltige Zukunft der Wintersportgebiete nannten die Fachleute zudem die unzureichende Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die mangelnde Diversifizierung des touristischen Angebotes.

(Text und Medien sind auf der Website des Deutschen Bundestags veröffentlicht worden und können dort nachgelesen/heruntergeladen/angeschaut werden. Bis auf Prof. Dr. Carmen de Jong sind die Sachverständigen direkt oder indirekt abhängig vom Skitourismus.)

Schonender Umgang mit Wasser und Energie

Max Hillmeier, Tourismusdirektor von Bad Hindelang Tourismus, wies darauf hin, dass der Skisport selbst im Schnitt pro Person und Tag nur etwa sechs Kilogramm CO2 produziere. Das sei in etwa so viel wie eine Autofahrt über 30 bis 40 Kilometer. Das eigentliche Problem bleibe weiterhin die An- und Abreise der Gäste, die größtenteils mit dem privaten Pkw erfolge.

Es müsse natürlich daran gearbeitet werden, bei der Beschneiung, bei der Wasser aus Speicherbecken mit einer Schneekanone oder Beschneiungsmaschine auf die Hänge als Schnee aufgebracht wird, auf einen schonenden Umgang mit den Ressourcen Wasser und Energie zu achten.

Vollständige Stellungnahme (PDF):
https://www.bundestag.de/resource/blob/942790/349a359e20c4e63673283ff7dca35780/Stellungnahme-_Hillmeier-data.pdf

Sachverständiger: Beschneiung ist „weltweit essenziell“ für Wintersport

Julian Pape Projektleiter der Wintersport-Arena Sauerland/Siegerland-Wittgenstein, bezeichnete die Beschneiung als „weltweit essenziell“ für den Wintersport. Das habe nicht nur damit zu tun, dass kein natürlicher Schnee zur Verfügung steht, sondern auch mit der Qualität des Schnees, die für die Präparierbarkeit der Pisten, für den Breitensport oder aber für Wettbewerbe wichtig sei.

Für sein Wintersportgebiet spreche, dass es für 30 Millionen Menschen in Deutschland innerhalb von drei Stunden erreichbar sei: „Das ist in Deutschland einmalig“, so Pape.

Vollständige Stellungnahme (PDF):
https://www.bundestag.de/resource/blob/942786/ad485999a32b41d1411a8228ff46bc28/Stellungnahme_Julian-Pape-data.pdf

Mehr Unterstützung bei ÖPNV-Anbindung gefordert

Klaus Schanda, Leiter Vertrieb, Marketing und Kommunikation der Zugspitzbahn Bergbahn AG, sprach ebenfalls das Thema Erreichbarkeit an. „Wir brauchen mehr Unterstützung bei der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr“, sagte Schanda bei der Anhörung.

In seiner Region Garmisch-Partenkirchen arbeite man bereits seit zehn Jahren intensiv an einer verbesserten Anbindung. So seien alle Talstationen der Ski- und Wandergebiete mit dem regionalen ÖPNV, größtenteils sogar mit einer historischen Zahnradbahn erreichbar.

Vollständige Stellungnahme (PDF):
https://www.bundestag.de/resource/blob/942784/dc54adb905fad861b4d49c0a1e0521a9/Stellungnahme_KlausSchanda-data.pdf

Sachverständiger: Gesamte Bemühungen einer Region betrachten

Wolfgang Langer, Bürgermeister von Braunlage, berichtete, dass seine Region im Vergleich zu größeren Wintersportgebieten infrastrukturell noch etwas zurückliege.

Er plädierte jedoch dafür, bei der Betrachtung der Umweltbelastungen durch den Skisport auf die gesamten Bemühungen einer Region zu schauen und nicht nur auf die Schneeproduktion. „Es ist wichtig, zu schauen, was die Orte lokal schon leisten, statt das isoliert zu bewerten“, befand Langer.

Vollständige Stellungnahme (PDF):
https://www.bundestag.de/resource/blob/942782/2b934eed4e9065b7571ea1a77d35534b/Stellungsnahme-Wolfgang-Langer-data.pdf

Folgen durch Beschneiung

Prof. Dr. Carmen de Jong von der Universität Straßburg stellt sich klar gegen eine Verharmlosung der Folgen durch Beschneiung.

Der künstlich produzierte Schnee aus Speicherbecken verändere die Beschaffenheit des Wassers, das sei wissenschaftlich ebenso erwiesen wie die Tatsache, dass die künstliche Speicherung des Wassers über Monate die Knappheit der Ressource Wasser verschärfe. „Man kann nicht argumentieren, dass etwas, nur weil es wirtschaftlich wichtig ist, nicht umweltschädlich ist“, sagte de Jong in Richtung der anderen Sachverständigen.

Vollständige Stellungnahme (PDF):
https://www.bundestag.de/resource/blob/943072/026c506a795fe17ef821d107721f8871/Stellungnahme_Carmen-de-Jong-Final-data.pdf

Wintersport als „wichtige Naturerfahrung“ für Kinder

Herbert John, Präsident des Bayerischen Skiverbands, plädierte für die Unterstützung des Wintersports auch aus Sicht der Nachwuchsförderung für den Breiten- und Spitzensport. „Es ist wichtig, die Kinder in den Schnee zu bringen“, sagte John. Wenn man keine guten Trainingsmöglichkeiten mehr habe, werde man innerhalb von zwei Olympia-Zyklen, also in acht Jahren, keine Rolle mehr an der Weltspitze des Wintersports spielen.

Wintersport sei zudem eine wichtige Naturerfahrung für Kinder und ein Teil der Nationalität.

Vollständige Stellungnahme (PDF):
https://www.bundestag.de/resource/blob/942788/4641169eff5acba4df3c2fee15ee2b6c/Stellungnahme_Herbert-John-data.pdf

„Denken Sie an den Nachwuchs“

Alexander Richter, Inhaber von Snowsports – Skigebiet Holzhau im Erzgebirge, betonte ebenfalls die Bedeutung des Wintersports für Kinder und Jugendliche. Durch die Restriktionen der Corona-Pandemie seien den Kindern drei Jahre in der sportlichen Entwicklung verloren gegangen.

Wenn nun der Betrieb der Skigebiete weiter eingeschränkt würde, gefährde das den Skisport und insbesondere die Nachwuchsförderung. „Die Bedingungen sind momentan schon eine Katastrophe“, sagte Richter und appellierte an die Abgeordneten: „Denken Sie an die Kinder, denken Sie an den Nachwuchs.“

Vollständige Stellungnahme (PDF):
https://www.bundestag.de/resource/blob/943360/4be496a8f8423db8c4ca7d58fd1edee3/Stellungnahme_Alexander-Richter-data.pdf

2 Gedanken zu „Sachverständige bewerten Beschneiung von Skipisten unterschiedlich“

  1. Ist das nicht eigentlich eine Anhörung einer Sachverständigen und mehrerer Interessenvertreter (von Skisport und Touristik)? Müsste es dann nicht eigentlich „Anhörung von Interessenvertretern“ heißen?

  2. da hat johanna völlig recht, mehrere lobbyisten und eine expertin. deren urteil vernichtend ausfällt. es versteht sich von selbst, das selbst unter optimalen bedingungen skisport nicht umweltverträglich möglich ist, jedenfalls nicht als massenphänomen. selbst wenn der gesamte strom aus regenerativer energie stammt, dann sollten sich die verantwortlichen fragen, ob es sinnvoll ist, eine auch in zukunft knappe ressource für die beschneiung von mittelgebirgspisten zu verschleudern? wieviele windräder müssen sich drehen, wieviel boden versiegelt werden, damit so eine beschneiungsanlage läuft und zwar einfach nur so „zum spaß“. das gleiche gilt für die derzeit so angesagten bike-parks, deren besucher ihre so umweltfreundlichen räder auf suvs hunderte von kilometern durch die gegend juckeln, um dann durch eine extra für sie angelegte, zerstörte landschaft zu brettern. siehe bikepark gellinghausen. energieverschwendung „zum spaß“, für motorradfahrer gilt das gleiche, energieverschleudern „zum spaß“. das sauerland setzt weiter auf event-tourismus und beklagt gleichzeitig party-exzesse. dabei wären alle voraussetzungen gegeben um sich dem nachhaltigen tourismus zuzuwenden. wandertourismus, nachhaltiger fahrradtourismus, etc. – aber dafür kann eben niemand tickets verkaufen….

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