Pressemitteilung: LobbyControl kommentiert den von Frontal21 aufgedeckten Sponsoring-Skandal der SPD

Berlin, 22. November 2016. (pm_lobbycontrol) Das ZDF-Magazin Frontal21 berichtet, dass die SPD-Agentur Network Media GmbH Unternehmen und Lobbyisten für hohe Geldbeträge exklusive Gespräche mit Spitzenpolitikern wie Justizminister Maas, Arbeitsministerin Nahles, Umweltministerin Hendricks oder Fraktionschef Oppermann anbietet.

LobbyControl kommentiert:

„Die SPD bietet ihr Spitzenpersonal wie eine Ware feil und verschafft zahlungskräftigen Lobbyisten damit exklusiven Zugang zur Politik. Damit ist eine Grenze überschritten. Politik darf nicht käuflich sein oder auch nur den Anschein erwecken, käuflich zu sein. In Zeiten des zunehmenden Vertrauensverlustes in die etablierten Parteien ist das Gift für unsere Demokratie“, sagt Christina Deckwirth, Campaignerin bei LobbyControl.

LobbyControl weist darauf hin, dass Transparenzlücken im Parteiengesetz Skandale wie diesen begünstigen. Insbesondere das Parteiensponsoring ist ein Schlupfloch für intransparente Geldflüsse an Parteien. „Das Sponsoring ist so etwas wie die Dunkelkammer der Parteienfinanzierung in Deutschland. Dieser Missstand ist seit Jahren bekannt. Trotzdem blockieren Union und SPD Transparenz und klare Regeln in diesem Bereich. Das ist der eigentliche Skandal“, sagt Annette Sawatzki, Expertin für Parteienfinanzierung bei LobbyControl.

LobbyControl fordert die Bundesregierung auf, das Parteiensponsoring klar zu regeln. Drei Punkte sind dafür zentral:

  • Verbot der käuflichen Kontaktvermittlung für Parteien, auch nicht über parteieigene Firmen oder assoziierte Vereine.
  • Schlupfloch Parteisponsoring schließen: Sponsorzahlungen müssen ebenso wie Parteispenden offengelegt werden. Beträge ab 10.000 Euro sollten unverzüglich und ab 2.000 Euro in den Rechenschaftsberichten der Parteien veröffentlicht werden.
  • Transparenz auch für Dritte: Wer Spenden oder Sponsorgeld einnimmt, um Veranstaltungen oder Werbemaßnahmen zugunsten einer Partei durchzuführen, muss denselben Transparenzregeln unterworfen sein wie die Parteien selbst.

„Momentan ist völlig undurchsichtig, welche Sponsoren wieviel Geld an die Parteien zahlen – und wofür. Union und SPD tragen die politische Verantwortung für diesen neuen Höhepunkt in einer ganzen Reihe von Sponsoraffären und müssen noch vor der Bundestagswahl endlich klare Regeln verabschieden“, sagt Sawatzki.

Hintergrund:

  • Frontal21 berichtet in seiner heutigen Ausgabe, dass eine SPD-Firma Lobby-Treffen mit Bundesministern und anderen Spitzenpolitikern zum Kauf anbietet. Im Angebot sind Termine mit Justizminister Heiko Maas, Arbeitsministerin Nahles, Fraktionschef Thomas Oppermann. Die Treffen sind nicht öffentlich. Preisspanne: zwischen 3 und 7.000 und plus Mehrwertsteuer. Mehr dazu findet sich auf www.heute.de
  • Die SPD hat bereits in der Vergangenheit exklusive Gespräche mit ihrem Personal für viel Geld angeboten. Erinnert sei an die 2010 bekannt gewordenen Kamingespräche, welche die SPD-Zeitung „Vorwärts“ damals gegen Schaltung von bis zu 18.000 Euro teuren Anzeigen seinen Kunden vermittelte.
  • Die jetzt aufgedeckten Fälle erinnern an die „Rent-a-Rüttgers“-Affäre 2010. Damals hatte die nordrhein-westfälische CDU Gesprächs- und Fototermine mit dem damaligen Ministerpräsidenten Rüttgers an zahlungskräftige Sponsoren verkauft. Trotz heftiger Kritik, unter anderem von Angela Merkel und Norbert Lammert, hat die Union gesetzliche Neuregelungen seitdem stets verhindert.
  • SPD-Politiker Thomas Oppermann hatte Rüttgers damals heftig kritisiert und von einer „Bananenrepublik“ gesprochen. Die Botschaft von Rent-a-Rüttgers sei: „Wir sind der Staat, ihr könnt uns kaufen“. Heute steht Oppermann selbst auf der Angebotsliste der SPD-eigenen Lobbyagentur.

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16 Gedanken zu „Pressemitteilung: LobbyControl kommentiert den von Frontal21 aufgedeckten Sponsoring-Skandal der SPD“

    1. @Andreas Lichte

      Ich denke nicht. Weiß allerdings auch nicht so genau, warum diese Frage ein Problem sein sollte.

      Viele Politiker haben beispielsweise auf ihren Websites keine Kommentar-Funktion. Kommentieren und diskutieren, wie wir es als Bloggerinnen und Blogger kennen, gibt es nicht, was ich natürlich schade finde.

  1. @ zoom

    „Kommentieren und diskutieren, wie wir es als Bloggerinnen und Blogger kennen, gibt es nicht, was ich natürlich schade finde.“

    ich fordere die Einrichtung von „Euphemismus-Control“:

    „natürlich schade“:

    es ist „unmöglich“, dass Dirk Wiese hier nicht kommentiert, sich keiner – noch so kleinen – inhaltlichen Diskussion stellt …

    1. @Andreas Lichte

      „Euphemismus-Control“ – hast gewonnen.

      Als vor Jahren die Politiker mit ihren „Schein“-Blogs das Internet beglückten, habe ich mich darüber geärgert, dass es dort keine Möglichkeit der Diskussion gibt. Irgendwo in den Tiefen dieses Blogs müsste ich dazu etwas geschrieben haben.

      Viele Werkzeuge der Bloggersphäre sind entkernt in den Händen derer, die die Kommunikation kontrollieren wollen.

      Dabei wäre hier im Blog noch ein einigermaßen gepflegter Austausch möglich . Der Mob fegt durch Facebook.

  2. Mal zurück zur PM von LobbyControl.

    Ich lese seit einiger Zeit das Buch von George Packer, Die Abwicklung. Das ist eine Zusammenschau der US-amerikanischen politischen Kultur der ungefähr letzten 30 Jahre. Der Autor erzählt einzelne Lebensgeschichten aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft.

    Eine der Figuren ist Jeff Connaughton, der lange Jahre für George Biden als Lobbyist tätig war.

    Die Schilderung im Buch lässt die PM von LobbyControl als einen Bericht über schäbige deutsche Hinterzimmer-Politik erscheinen, der gemessen an dem, wie in den USA „gearbeitet“ wird , lächerlich erscheint.

    Mich würde darüber hinaus interessieren, ob solche Praktiken nicht auch von den anderen Parteien gepflegt werden. Rent-a-Rüttgers war ja vielleicht keine Entgleisung.

    Soweit erst einmal.

  3. @ zoom

    „Die Schilderung im Buch lässt die PM von LobbyControl als einen Bericht über schäbige deutsche Hinterzimmer-Politik erscheinen, der gemessen an dem, wie in den USA „gearbeitet“ wird , lächerlich erscheint.“

    übersiehst Du da möglicherweise etwas?

    Wie war denn Deiner Meinung nach „Dieselgate“ überhaupt möglich?

    War das nur „Vorsprung durch Technik“?

    Oder hat „die Politik“ dabei massiv „mitgestaltet“?

    ( „frag doch mal Dirk Wiese“ – ich glaube, daraus mach ich ab sofort nen slogan … )

    1. Ich habe immer gedacht, dass die Autoindustrie solch‘ schäbige Hinterzimmer-Politik nicht nötig hat. Die gehen durch die Vordertür oder haben ihre Minister direkt installiert, habe ich naiv gedacht.

  4. @ zoom

    „Die gehen durch die Vordertür“ find’ ich gut …

    man könnte auch fragen:

    „Wer rollt wem den ROTEN (sic!) Teppich aus?“

    Aus der Meldung von http://www.tagesschau.de/inland/spd-agentur-minister-101.html :

    „(…) Zum Datenschutz sprach der Bundesjustizminister

    Wie die ZDF-Recherchen ergaben, nahm Maas an zwei sogenannten „vorwärts“-Gesprächen teil, zuletzt am 12. Oktober 2016. Sponsor dieses Treffens zum Thema „Datenschutz in der digitalen Welt“ war die niederländische Bank ING-DiBa. Er habe von einem Sponsoring nichts gewusst, sagte Maas gegenüber „Frontal 21“: „Die Frage, wie solch eine Veranstaltung zustande kommt, wer teilnimmt, wer sie organisiert und wer sie finanziert, ist jetzt nicht das Thema für mich.“

    Zweck des Treffens sei ein Kennenlernen gewesen, teilte die ING-DiBa auf Nachfrage der ZDF-Journalisten mit. Eine Gegenleistung des Ministers erwarte die Bank nicht. (…)“

    wer ist bei ING-DiBa?

    „Peer Steinbrück wird Berater der ING-DiBa …“

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/peer-steinbrueck-geht-als-berater-zur-ing-diba-a-1115229.html

    1. Die Grünen dienen sich der CDU an, die SPD zerlegt sich, während die postfaktischen Rechtspopulisten Verwirrung in die Köpfe pusten. Irgendwie gruselig.

  5. @ zoom

    ich hab im Sommer zu einem Freund gesagt:

    „wenn sich wieder eine große Koalition von CDU und SPD abzeichnet, ist die AFD der große Gewinner: Politikverdrossenheit …“

    gerade wurde Steinmeier von CDU und SPD als Präsident ausgekungelt …

    ( o.k., letzte Chance gegen die Rechten: an dem „Frontal21“-Bericht ist noch viel mehr dran, als wir alle ahnen, und die SPD zerlegt sich bis zur Wahl VOLLSTÄNDIG, es gibt keine Mehrheit mehr für die ewige Koalition )

  6. @ zoom

    „postfaktisch“ als ausschliessliche Eigenschaft der (offensichtlichen) Rechten halte ich für falsch:

    Du hast doch mehrfach selbst auf „Gabriels Autobahnen“ hingewiesen:

    ist Gabriels „Widerstand gegen die Privatisierung“ nicht geradezu „prototypisch postfaktisch“?

  7. „Sponsoring-Praxis von SPD-Agentur:

    Kein Verstoß gegen Parteienfinanzierung …“

    https://www.tagesschau.de/inland/spd-agentur-minister-105.html

    ist das jetzt eine gute oder schlechte Nachricht?

    wenn das „normal“ ist … aber vielleicht kauft sich ja demnächst die Lobby der Hartz IV-Empfänger ein, zum Luxusessen … so sozial wie die SPD ist, gibt’s bestimmt Rabatt:

    Frau Nahles zum Tagessatz eines Hartz IV Empfängers – wär das nicht was?

    ( „frag doch mal Dirk Wiese“ … )

  8. Jetzt mal was anderes, oder doch nicht !?
    Soviel Konfetti gibt es gar nicht, wie man werfen möchte bei dieser Meldung: „Josef Ackermann, Jürgen Fitschen und Anshu Jain (alle Vorzeige-Ex-Banker DB) sollen ihre erhaltene Boni zurückzahlen.“ Aus verschiedenen Gründen, wie man hört. Nur einer davon ist, dass eine Deutsche Bank offensichtlich das kleine Einmaleins nicht beherrscht. Allein 2015 sind mehr Boni ausgegeben worden als Umsätze gemacht. Das natürlich kann einem Hartz IV-Empfänger oder einem Niedriglöhner (dessen Lohn in zähem Ringen jetzt gerade mal um 0,33 Cent auf 8,83 Euro pro geleistete Arbeitsstunde erhöht wurde) so schnell nicht passieren.
    Auch schön die Geschichte mit den Kum-Ex-Geschäften. Jetzt wurde Carsten Maschmeyer himself vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss gehört. Natürlich fühlt er sich betrogen… Dafür wiederum gibt es einen sehr alten Spruch: „Pack schlägt sich…“

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