Perlen des Newspeak (Neusprech***) in der Lokalpolitik: Wenn der Bürgermeister sensibilisiert …

<Polemik on> Ist das schon Zensur oder ist das in Winterberg üblich? <Polemik off>

Aus dem Mitteilungsblatt der Stadt Winterberg vom 12. Dezember 2014:

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion weist die Kritik, dass seine Partei das Projekt Oversum nicht mehr unterstütze, entschieden zurück. Er habe lediglich angemerkt, dass der Rat bei der Umsetzung der Pläne zu blauäugig reagiert habe und er nur Kritik an der Umsetzung des Projektes geübt habe.

Abschließend sensibilisiert [sic!] Bürgermeister Eickler noch einmal [sic!] die gewählten politischen Vertreter dahingehend, dass der Bürger Äußerungen im öffentlichen Raum eine besondere Bedeutung beimesse und er deshalb anrege, egal um welches Thema es sich handle, immer sorgfältig Äußerungen in der Öffentlichkeit abzuwägen. Das gelte auch zu Äußerungen zum Oversum.

Welche Methode wendet ein Bürgermeister bei einer derartigen „Sensibilisierung“ an? Leichtes Streicheln? Schläge auf den Hinterkopf? Folter im Rathauskeller? „Isch mach Disch Oversum“?

Wir wissen es nicht.

Was wir wohl annehmen dürfen: seit der Sensibilisierung durch den Bürgermeister wägen die Ratsmitglieder ihre Äußerungen im Gespräch mit dem Bürger sorgfältig ab.

Das war die schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht ist, dass die Sensibilisierung anscheinend nur für die „Äußerungen in der Öffentlichkeit“ gilt. Am Stammtisch machen wir weiter wie bisher, und da hört man Sachen … oho!

Demnächst in diesem Blog …

*** „Neusprech“ bezeichnet die vom herrschenden Regime vorgeschriebene, künstlich veränderte Sprache. Das Ziel dieser Sprachpolitik ist es, die Anzahl und das Bedeutungsspektrum der Wörter zu verringern, um die Kommunikation des Volkes [hier: des Rates, zoom] in enge, kontrollierte Bahnen zu lenken. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Neusprech

6 Gedanken zu „Perlen des Newspeak (Neusprech***) in der Lokalpolitik: Wenn der Bürgermeister sensibilisiert …“

  1. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland – Artikel 5

    Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

    Leichtes Streicheln?
    Haben schon andere bei mir versucht und hat nicht geholfen.

    Schläge auf den Hinterkopf?
    Dazu müsste erst eine Leiter herbeigeholt werden.

    Folter im Rathauskeller?
    So manche Rede im Ratssaal härtet ab.

  2. Es gibt im HSK verschiedene Methoden, von den Mitgliedern der Kommunalparlamente nur die gewünschten Äußerungen zu erhalten. In Winterberg scheint es eine besondere Art der Einflussnahme (Infiltration??) zu geben.
    Im Kreistag hat der Landrat am Freitag wiederholt versucht, Äußerungen von den Fraktionsmitgliedern der SBL und der Linken sowie einem Grünen zu unterbinden und deren Wortmeldungen mit abfälligen Kommentaren zu versehen. Hat aber nicht so wirklich funktioniert…

    1. @Reinhard Loos

      „deren Wortmeldungen mit abfälligen Kommentaren zu versehen“

      Ich wohne jetzt seit 17 + Jahren im Hochsauerland und genau diese Strategie durchzieht die Diskussionen hier in einem Maße, wie ich es woanders noch nicht erlebt habe, eben nicht nur im Rat, sondern auch in allen anderen Diskussionszusammenhängen.

      Blöde Bemerkungen, abfälliges Hineinblaffen, albernes Rudelgelache …

      Es gibt natürlich auch Menschen, mit denen man argumentieren kann, aber die sind rar gesät. Traurig, dass Kreistagsmitglieder und eventuell sogar der Landrat dieses Verhalten, trotz ihrer hohen Position, an den Tag legen.

      Vielleicht haben sie es ja nicht anders gelernt. Wer hat da versagt? Die Schule? Das Elternhaus?

  3. „Blöde Bemerkungen, abfälliges Hineinblaffen, albernes Rudelgelache …“

    tja, ein ganz relevantes thema. aber kein moralisches. ist knallharte interessenpolitik.

    eine freundin hat in einem 1000-seelen-dorf in schleswig-holstein eine wählergemeinschaft gegründet, weil ihr und den mitstreitern der irrsinn der kommunalpolitik auf die ketten ging. dies wenige wochen vor dem wahltermin. resultat: 17 % der wählerstimmen, 2 sitze im 11-köpfigen gemeinderat.

    seitdem: anmache der übelsten art. außerdem: für alle misserfolge der mehrheit sind die neuen schuld. weil sie alles öffentlich machen. da kann ja nix draus werden.

    soll man sich das antun? lange drüber nachgedacht. hier die ergebnisse, vielleicht auch für andere interessant:

    1. das ganze ist ein endzeitphänomen.

    2. da haben sich leute die kommunalen selbstverwaltungsgremien zur beute gemacht, zum eigenen materiellen nutzen (80 %) und aus eitelkeit (20 %). aber sie haben keine verankerung mehr, sie können das, was sie tun, nicht mehr mehrheitsfähig machen. sie leben von der abschirmung und der heimlichkeit.

    3. daher ist für sie öffentlichkeit die größte gefahr.

    4. daher ist, wenn man diese leute weghaben will, öffentlichkeit ihrer handlungen das erste gebot.

    5. heißt: blogs, flyer in briefkästen. und eine wahlalternative aufbauen/ stärken.

Kommentare sind geschlossen.