Anblicke – Schalentiere in Frankreich

franzosischerwochenmarkt
Krabben, Krebse und mehr: Wochenmarkt an der Atlantikküste (foto: chris)

Wenn es so etwas wie ein zweites Leben gibt, dann möchte ich bitte in Frankreich wiedergeboren werden.

Schon der Anblick der Auslagen in Bäckereien, Schokoladengeschäften  und selbst Schlachtereien genügt mir als Begründung. Ein Erlebnis sind bei jedem Besuch die Wochenmärkte mit ihrem bunten Gemüse oder wie hier den Schalentieren.

Wer die Lebensmittel so liebevoll anordnet und ausstellt, der muss das Leben einfach genießen. Deshalb beim nächsten Mal bitte Frankreich.

Abfall: Wer sind die Profiteure der Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes?

Kreative Abfallwirtschaft: Müllslulptur im Regents Park, London (foto: chris)
So geht es auch: Kreative Abfallwirtschaft im Regent's Park, London (foto: chris)

Krempeln wir bald alle unsere Müllkippen von oben nach unten, von links nach rechts um, auf der Suche nach der Mangelware Rohstoff? Will der Bundestag, um dem vorzubeugen, am 28.10.2011 eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen, mit der wenig charmant klingenden Bezeichnung „Kreislaufwirtschaftsgesetz“?

Was ist das nun genau, das Kreislaufwirtschaftsgesetz? Machen wir es uns einfach und zitieren ein wenig aus der WR vom 25.10.2011:

„Verbraucher sollen alle Abfälle aus Plastik und Metall künftig in ein und dieselbe Mülltonne werfen. Die Wertstofftonne soll ab 2013 vor den ersten Haustüren stehen – dafür schafft das Kreislaufwirtschaftsgesetz die Voraussetzung, das der Bundestag am Freitag verabschieden will.
…“

Wunderbar – das Leben wird einfacher! Die Hoffnung besteht…

Aber wie es nun mal meistens so ist, hat das neue „Müll-Gesetz“ gleich Widersacher auf den Plan gerufen. Wir finden sie, wie die WR am 21.09.2011 berichtete, in den Reihen der fünf Landkreise Südwestfalens. In dem Presseartikel wird von einem Schreiben, das allen Bundestagsabgeordneten der Region zugeleitet wurde, berichtet. Demnach befürchten die Verfasser des Schreibens: „Die avisierte Neuregelung zur Zulassung der gewerblichen Sammlung wird zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger gehen“. Soll das neue Gesetz denn wirklich zum Nachteil von „Otto-Normal-Bürger“ sein? Es klingt doch so, als würde es für uns das Müllentsorgen vereinfachen? Wo ist also der Haken?

Und nicht nur die Landräte Südwestfalens, sondern auch Reinhard Loos von der Sauerländer Bürgerliste (SBL) setzte sich mit den Auswirkungen des geplanten Kreislaufwirtschaftsgesetzes auseinander; denn er vermutet „erhebliche Auswirkungen auf die Kreispolitik“. Am 03.10.2011 schickte das SBL-Kreistagsmitglied ein Schreiben an den Landrat des Hochsauerlandkreises und schlug vor, das Thema auf die Tagesordnung der Kreistagssitzung am 14.10.2011 zu setzen. Offenbar schien der Verwaltung das Anliegen aber nicht wichtig genug. Es kam nämlich nicht auf die Tagesordnung. Stattdessen antwortete der Landrat am 19.10. der SBL schriftlich u.a.:

Mit dem neuen Gesetz würde eine EU-Abfallrahmenrichtlinie vom 19.11.2008 in nationales Recht umgesetzt werden. Ziel sei eine nachhaltige Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Ressourceneffizienz in der Abfallwirtschaft. Es solle eine fünfstufige Abfallhierarchie eingeführt werden. Sie lege die grundsätzliche Stufenfolge aus Abfallvermeidung, stoffliche Wiederverwendung, Recycling, energetische Verwertung und Abfallbeseitigung fest. Weiter geht aus dem Schreiben des Landrats hervor, dass die Abfälle aus privaten Haushalten und Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen grundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (sprich der Stadt/der Gemeinde) zu überlassen seien.

Und nun der vermeintliche Knackpunkt: „Es ist aber vorgesehen, die Beschränkung der gewerblichen Sammlungen aufzuheben und eine einheitliche Wertstofftonne für Verpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen einzuführen.“! Weiterhin solle die flächendeckende Einführung der Biotonne ab 2015 festgeschrieben werden, antwortete der Landrat.

Zu den Sorgen der südwestfälischen Landkreise: Sie führen in dem besagten Schreiben an die Bundesabgeordneten Südwestfalens (dessen Wortlaut dem Schreiben an die SBL beigefügt ist) aus, die avisierte Neuregelung zur Zulassung der gewerblichen Sammlung würden definitiv zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger gehen. Gewerbliche Sammlungen würden nur dort und solange erfolgen, wie sich für die gewerbliche Wirtschaft Gewinne erzielen ließen. Diese Einnahmen fehlten dann den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und ihren Gebührenhaushalten.

Diese Annahme läßt sich gut nachvollziehen!

Das Gesetz wird wohl kommen. Das ist vermutlich keine Frage. Die Frage ist, wie geht der Disput aus? Werden die Abgeordneten aus Südwestfalen im Bundestag etwas Positives im Sinne ihrer Landkreise erreichen oder haben
sie andere Sorgen? Wer wird zukünftig das ganz große Geschäft mit dem großen Müllkreislauf machen!?

Dr. Light, oder wie ich es lernte die Quellen zu lieben …

Unter Plagiatsverdacht: Dr. Patrick Sensburg (CDU) (foto: sensburg)
Unter Plagiatsverdacht: Dr. Patrick Sensburg (CDU) (foto: sensburg)

Heute ist ist bei „Der Westen“ und im Print, also in der Westfalenpost, ein weiterer Artikel  von Oliver Eickhoff erschienen, der, so der Autor, auf einem Gespräch mit Dr. Patrick Sensburg beruht.

Die dortigen Aussagen des unter Plagiatverdachts stehenden Briloner CDU-Politikers und MdB haben mich irritiert:

Punkt 1: „Seinen Doktor-Titel verwende er ohnehin zurückhaltend, sagte Sensburg: „Für die politische Arbeit finde ich ihn nicht wichtig.““

Will er damit sagen, dass es gewissermaßen einen „Dr. Light“ gebe, einen der nicht so wichtig sei? Das könnte dann wiederum implizieren, dass es bei einem Dr. Light dann nicht so wichtig sei, wenn hier und da mal ein Fehler passiere, und hier komme ich zu

Punkt 2: „Es gibt Stellen, da hätte ich besser zitieren können. Da hätte ich statt zwei Fußnoten besser drei gesetzt. Aber das gilt nur für 1,5 Prozent der gesamten Arbeit.“

Dies impliziert eine verzeihbare Schlampigkeit. Kann ja mal passieren, das man auf 300 Seiten eine Fußnote vergisst und das, wo man doch schon 2 Stück davon gesetzt hatte. Es sind halt „Stellen“.

An dieser Stelle des Artikel hätte ich mir als Leser gewünscht, dass der Autor mit seinem Interviewpartner zusammen dem Leser solch eine „Stelle“ gezeigt hätte. Er hätte dann erklären können, aus welchem Grund die fehlende Fußnote lediglich eine kleine Schlampigkeit, eine „Stelle“, eine verzeihbare Nachlässigkeit oder was auch immer sei. Verschärft ausgedrückt: Herr Eickhoff hätte nachbohren müssen.

Punkt 3: „Dass Doktor-Arbeiten öffentlich diskutiert werden, hält Sensburg nach eigenen Angaben für richtig. „Aber das muss vernünftig erfolgen. Auf der Internet-Plattform Vroniplag findet keine offene Diskussion statt – das finde ich nicht gut.““

Das kann ich nun überhaupt nicht nachvollziehen. Ich habe mich auf der Website von Dr. Patrick Sensburg über seine Gegenargumente informiert. Leider ist dort keine Möglichkeit zur Diskussion vorgesehen. Es wäre doch technisch ein Leichtes gewesen, beispielsweise ein Diskussionsforum für die kritisierten Stellen seiner Dissertation einzurichten.

Ich selbst habe mich sehr leicht mit den Menschen auf VroniPlag in Verbindung setzten können. Es gibt dort auch ein Forum und es gibt Möglichkeiten zur Diskussion.

Punkt 4: Hier geht es nicht mehr um Patrick Sensburg, sondern um den Artikel, der sich eben auch dadurch auszeichnet, was er nicht schreibt oder fragt. Wir haben bislang ein Interview und ein im hier besprochenen Artikel verarbeitetes Interview/Gespräch mit Dr. Sensburg in unserer Lokalzeitung lesen können. Hat der Autor jemals versucht, mit den Leuten bei VroniPlag Kontakt aufzunehmen und dies journalistisch aufzubereiten? Hat der Autor die Aussage von Dr. Patrick Sensburg „Es gibt Stellen, da hätte ich besser zitieren können“ bei VroniPlag selbst nachgeprüft?

Ich selbst maße mir nicht an, ein Urteil über die Dissertation von Patrick Sensburg zu fällen, aber ich erwarte vom Monopol-Printmedium des Hochsauerlandes eine Berichterstattung, die zumindest auch die andere Seite des Konfliktes deutlich macht.

Zum Schluss das Beispiel einer aktuellen „Stelle“:

Patrick Sensburg schreibt:
„Der Rat bestimmt, welche Leistungen in welchem Umfang und in welcher Qualität aufgrund der determinierten gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die festgelegten Organisationseinheiten zu erbringen sind. Durch den Verhandlungsprozeß zwischen dem Rat und der Verwaltung werden die Vorstellungen und Wünsche des Rates in Übereinstimmung mit den hierfür von der Verwaltung veranschlagten Kosten gebracht. Diese Verhandlungen münden in den festzuschreibenden Kontrakten.“

übernommen aus:
„Die Legislative bestimmt, welche Leistungen in welchem Umfang und in welcher Qualität aufgrund der von ihr determinierten gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die Exekutive zu erbringen sind. […] Durch einen Verhandlungsprozeß zwischen Exekutive und Legislative werden die Vorstellungen und Wünsche der Legislative über die zu erbringenden Leistungen in Übereinstimmung mit den hierfür von der Exekutive veranschlagten Kosten gebracht, […] Diese Verhandlungen münden in festzuschreibende konkrete Zielvereinbarungen über die zu erbringenden Leistungen und die für diese Leistungen zu budgetierenden Kosten.“

Urteil des Bearbeiters: „Einzige Änderungen sind, dass aus „Legislative“ „Rat“ und aus „Exekutive“ Verwaltung wird. Diese kleine Anpassung zeigt, dass bewusst abgeschrieben wurde. Der den Gedanken vorläufig abschließende Satz findet sich ausführlicher ebenfalls im Original und wird einfach zurechtgeschnitten.“

Meine Meinung: Da fehlt nicht eine von drei Fußnoten, da ist überhaupt keine Fußnote zu finden. Da stehen auch keine Gänsefüßchen. Hier ist sehr wahrscheinlich ein Plagiat verschleiert worden, und falls das wirklich stimmt, frage ich mich: Kann man das unbewusst machen? Ohne Absicht? Aus Schlampigkeit?

Umleitung: Von „Legalize it?“ über Verschwörungstheorien bis zur Briloner Feuerwehr und die Positionsflexibilität von Wagner.

Die Marktplätze, eine Kreuzung im Wald (foto: zoom)
Die Marktplätze, eine Kreuzung im Wald (foto: zoom)

Drogenpolitik: Legalize it? … hpd

Helmut Schmidt und Peer Steinbrück: Die Günther-Jauch-Show durchschaut gar nichts … nachdenkseiten

Unser Geld: Ein Nachruf von Robert Misik … misik

Euro-Krise: Hurra! Wir kriegen 374.013.636.363,64 Euro … wiesaussieht

Chaostage in Berlin: Hätten sie alle bloß geschwiegen, die Schäubles, Röslers und Merkels! Wieder einmal wollten sie Steuern senken und wieder einmal haben sie nichts als Chaos verbreitet … WirInNRW

Wie Verschwörungstheorien funktionieren: Das Buch von Thomas Grüter … scilogs

“WIR oder Scharia”: In ihrem Buch “WIR oder die Scharia” analysieren Thomas Pfeiffer und Wolfgang Benz islamfeindliche Kampagnen im Rechtsextremismus … ruhrbarone

Anti-Ideal zur höheren Geigen-Tochter: „An Patricia Kopatchinskaja scheiden sich die Geister. Die moldawische Geigerin pflegt einen radikalen Stil. Ihr Spiel geht an die Grenzen, die intensiven Ausdruck von schierer Brutalität scheiden. Die Kritik sagt ihr nach, den „Schmutz“ in der Musik zu lieben – das Geräuschhafte, den bis zur Schmerzgrenze aufgerauten Ton“ … revierpassagen

Sparkasse Bottrop: Handeln wie die Profis … bottblog

Hagen: Angriff auf kurdisches Zentrum … doppelwacholder

Technik 2.0: Android Tablets und das Apple iPad vergleicht Martin Herbst bei … brisoft

Wenn es brennt: Gemeinsame Herbstabschlußübung der Briloner Feuerwehren … fwbrilon

Zu guter Letzt zeigen wir Positionsflexibilität: Gaddafi, Bin Laden – und Wagner, ja der von der BILD, erwischt von … heikerost

In Kürze: Die Fern-Universität Hagen will die Plagiatsvorwürfe gegen den Sauerländer CDU-Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg jetzt prüfen.

Vor wenigen Minuten berichtete Radio Sauerland, dass die Fernuniversität Hagen die Plagiatsvorwürfe Patrick Sensburg jetzt prüfen wolle. „Vorher“, so der Reporterbericht,  „würde es keine Stellungnahme geben. Man bemühe sich aber um eine schnelle Klärung.“

Update (25.10. 10:30): Auch der Westen berichtet. „Fernuni Hagen: Wir tun unser Möglichstes“

Update (12:40): Ein Artikel von Oliver Eickhoff: Doktor-Arbeit durchgegangen: „Sie ist kein Plagiat“: „Dass Doktor-Arbeiten öffentlich diskutiert werden, hält Sensburg nach eigenen Angaben für richtig. „Aber das muss vernünftig erfolgen. Auf der Internet-Plattform Vroniplag findet keine offene Diskussion statt – das finde ich nicht gut.““

Es könnte interessant sein, zu verfolgen, wie die Universität das Verfahren abwickelt, ist doch Dr. Patrick Sensburg selbst nicht irgendein beliebiger ehemaliger Student, sondern auch heute noch institutionell mit der Bildungseinrichtung in Hagen verwoben. So heißt es auf  der Website der Fernuni unter dem Punkt „Aktuelles-August 2011„:

„Kamps Kollege von der CDU-Bundestagsfraktion, Prof. Dr. Patrick Sensburg, dagegen kennt das Lehr- und Lernsystem der FernUniversität bereits aus der Praxis: Der Jurist hat an der FernUniversität promoviert und war danach mehrere Jahre lang in der Rechtswissenschaftlichen Fakultät tätig. Zukünftig will er als neues Mitglied im „Parlamentarischen Beirat FernUniversität“ mitarbeiten.“ (ebda.)

Über den möglichen Verfahrensweg kann ich nicht mehr vermuten als unter „Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“  auf der Website der Fernuniversität zu lesen ist:

„Zweiter Abschnitt: Verfahren bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten

7. Verfolgung wissenschaftlichen Fehlverhaltens

… Die FernUniversität in Hagen wird zur Sicherung einer guten wissenschaftlichen Praxis jedem Verdacht auf ein wissenschaftliches Fehlverhalten innerhalb der Universität nachgehen, so-fern(sic!) konkrete Anhaltspunkte vorliegen…“

8. Begriff des wissenschaftlichen Fehlverhaltens

„(1) Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn in einem wissenschaftserheblichen Zu-sammenhang(sic!) vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht werden, geistiges Eigentum anderer verletzt oder in anderer Weise deren Forschungstätigkeit beeinträchtigt wird …“
9. Ombudsperson

„… Das Rektorat bestellt eine erfahrene Professorin oder einen erfahrenen Professor der FernUniversität in Hagen als Ombudsperson und zwei erfahrene Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer als dessen Stellvertreterinnen oder Stellvertreter …“

10. Kommission

„… Zur Aufklärung wissenschaftlichen Fehlverhaltens setzt das Rektorat eine Ad-hoc-Kommission ein. Zu Mitgliedern der Kommission beruft das Rektorat drei Hochschullehre-rinnen(sic!) oder Hochschullehrer und eine akademische Mitarbeiterin oder einen akademischen Mitarbeiter, die Mitglieder oder Angehörige der FernUniversität in Hagen sind. Die Rektorin oder der Rektor, Prorektorinnen oder Prorektoren, Dekaninnen oder Dekane können nicht zu Mitgliedern berufen werden. Die Mitglieder sollen jeweils aus verschiedenen wissen-schaftlichen Bereichen entstammen …“

11. Verfahren im Rektorat“

„… Das Rektorat entscheidet auf der Grundlage des Berichts der Kommission, ob ein wissen-schaftliches(sic!) Fehlverhalten hinreichend erwiesen ist. Ist dies aus Sicht des Rektorats der Fall, entscheidet es auf der Basis der entsprechenden Empfehlung der Kommission über das wei-tere(sic!) Vorgehen …“

Nachschlag zur Berichterstattung in der Lokalzeitung: Schwarz ist Weiß und Weiß ist Schwarz.

Was denn nun?

Am 21. 10. 2011 Harald Ries: „Betreuende Professorin war damals Katharina Gräfin von Schliefen, die gestern lediglich mitteilte: „Die Universität hat von den Vorwürfen Kenntnis genommen und wird die Angelegenheit prüfen. So lange das Verfahren läuft, werden wir darüber nicht reden.“ Wie lange die Untersuchung dauern werde, konnte Fernuni-Sprecherin Susanne Bosse­meyer gestern nicht sagen. Aber: „Wir werden versuchen, das nicht künstlich in die Länge zu ziehen.““

Am 22. 10. 2011 Interview Sensburg:

„Frage: Wird die Fern-Universität Ihre Arbeit überprüfen?
Sensburg: Bisher nicht. Wobei ich nichts dagegen hätte.
Mit Dr. Patrick Sensburg sprach Oliver Eickhoff.“

Causa Sensburg: Aufklärung oder Nebelkerzen?

Olle Kamellen. Muss jeder Wissenschaftler aus dem ff. beherrschen. (foto: zoom)
Olle Kamellen. Muss jeder Wissenschaftler aus dem ff. beherrschen. (foto: zoom)

Prof. Dr. Patrick E. Sensburg ist ein Briloner CDU-Politiker, dem vom Internetforum VroniPlag vorgeworfen wird, auf mehr als 20 Prozent der Seiten seiner Doktorarbeit (Dissertation) Plagiate verwendet zu haben.

Was ist der Kern der Vorwürfe?
Im Kern geht es darum, ob PES, wie er auf VroniPlag akronymisiert wird, sein wissenschaftliches Handwerk bei der Erstellung seiner Dissertation, die ihm wiederum den Zugang zur Professur eröffnet hat, ordentlich beherrscht oder ob er gepfuscht hat.

Es geht bei der Auseinandersetzung darum, ob Patrick Sensburg in der Lage ist, wissenschaftlich zu arbeiten und zu publizieren.

Was soll eine Doktorarbeit leisten?
In einer Doktorarbeit zeigt der Promovend, dass er das Wissen seines Gebiets überblickt, er zeigt, dass er zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit in der Lage ist, er leistet einen Beitrag zur Wissenschaft, er stellt vielleicht sogar auf seinem Gebiet eine neue Theorie auf oder er betrachtet lediglich etwas schon Untersuchtes aus einem anderen Blickwinkel.

Das Handwerkszeug
Dazu muss er selbstverständlich sein „Handwerkszeug“ beherrschen. Zu diesem Handwerkszeug gehört das richtige Zitieren. Das lernt der Wissenschaftler gemeinhin im Grundstudium, so wie ein Schlosser das Feilen im ersten Lehrjahr lernt.

Ein Wissenschaftler, der bei seiner Dissertation handwerkliche Fehler beim Zitieren macht, entspricht einem Schlosser, der keine Schrauben eindrehen kann, oder einem Maler, der den Pinsel nicht beherrscht.

Warum ist das richtige Zitieren wichtig?

Es ist wichtig, um die Gedanken der Wissenschaftler auf denen die Arbeit aufbaut, von den eigenen Gedanken zu scheiden.

Was würden Sie sagen, wenn ein Kollege gegenüber dem Chef behauptete, dass er ein Werkstück hergestellt habe, welches in Wirklichkeit Sie selbst produziert haben, und wenn dieser Kollege auf Grund dieses Betruges befördert würde?

Der Vorwurf gegenüber Patrick Sensburg lautet: PES eignet sich fremde Produkte an.

Wie wird zitiert?

Es gibt im Grunde genommen gibt es  zwei Möglichkeiten zu zitieren:

a) das wörtliche Zitat

b) das indirekte (paraphrasierte) Zitat

Wer als Wissenschaftler bei a) patzt, also dem wörtlichen Zitat, müsste im Grunde genommen zurück auf die weiterführende Schule, von der er gekommen ist. Denn das ist einfach und auch für Nichwissenschaftler kaum misszuverstehen: Anführungszeichen drumherum und Quelle angeben. Fertig, so: „Dem Unwissenschaftler steht eine Unmenge von Möglichkeiten des Betrugs bei der Paraphrase zur Verfügung.“ (1)

Schwieriger wird es beim Laien mit b), aber auch das ist im Grunde genommen einfach:

Damit eine Arbeit lesbarer wird und nicht aussieht wie ein Flickenteppich von wörtlichen Zutaten voller Anführungszeichen, kann unser Wissenschaftler auch die indirekte Zitation, die Paraphrase verwenden. Hört sich schrecklich an, geht aber so:

wie schon Hans J. Schiebener in seinem Werk „Paraphrase und Wahnsinn“ ausführte, steht dem Unwissenschaftler eine Unmenge von Möglichkeiten des Betrugs bei der Paraphrase zur Verfügung. (1)

irgendwo dann in den Fußnoten: (1) Hans J. Schiebener, Paraphrase und Wahnsinn, Winterberg 2011, S. 34

Das heißt auf gut Deutsch, die Paraphrase wird erkennbar eingeleitet und mit dem Verweis auf die Fußnote abgeschlossen.

Alles nach der Fußnote ist dann wieder des Wissenschaftlers eigenes Gedankengut.

Wird die Fußnote mitten in die Paraphrase gesetzt, eignet sich der (Un)Wissenschaftler unrechtmäßig den der Fußnote folgenden Teil der Paraphrase, mithin das Werkstück anderer Wissenschaftler an. Er betrügt.
Ein Interview mit Patrick Sensburg in der Lokalzeitung

Von Oliver Eickhoff, Redakteur der WP/WR Meschede ist gestern ein Interview mit Patrick Sensburg erschienen, in welchem Prof. Dr. Patrick Sensburg Halbwahrheiten verbreitet.

Zwei Beispiele:

Nummer 1

„Frage: Hand aufs Herz: Besteht Ihre Doktor-Arbeit aus Plagiaten?

Antwort: Sensburg: Nein, ich würde sie genauso noch einmal schreiben. Mir wird eine falsche Zitierweise vorgeworden, aber ich zitiere so, wie es die Promotionsordnung der Fernuniversität Hagen vorsieht.“

In der Promotionsordnung der Fernuniversität Hagen steht kein Wort zur Zitierweise. Warum denn auch? „Zitierweise“ ist doch wie ich oben angeführt habe das Handwerk des Grundstudiums.

Aus welchem Grund sagt PES dies an dieser Stelle? Die einzige Antwort, die ich gefunden habe, lautet: Er wirft Nebelkerzen. Er will mit dem Begriff „Promotionsordnung“ den Leser erschlagen und er hofft darauf, das dieser Leser nicht weiter nachforscht. Leider fragt auch Oliver Eickhoff, der ja immerhin als Journalist für das Fragen bezahlt wird, nicht weiter nach. Auf der Hand hätte gelegen: „Was steht denn in der Promotionsordnung über das Zitieren?“

Auf seiner eigenen Website verweist Patrick Sensburg auf folgende Entlastung:

„Die vorliegende Dissertation wurde nach den Vorgaben der damals geltenden Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaften der FernUniversität Hagen verfasst. Hiernach sind wörtliche oder sinngemäße Übernahmen aus anderen Schriften kenntlich zu machen. Dies ist durch Fußnoten erfolgt (siehe Beispiele). An dieser Stelle sei darüber hinaus exemplarisch auf die vorliegende positive und unabhängige Rezension von Norbert Janz in Kommunaljurist 8/2004, 294 verwiesen.“

Leider ist diese „vorliegende positive und unabhängige Rezension“ nicht verlinkt und damit nicht unmittelbar einsehbar. Wäre nett sie noch lesen zu dürfen, ohne in eine juristische Bücherei fahren zu müssen.

Weiterhin führt Sensburg acht Beispiel-Stellen aus VroniPlag an (ebda.), die er vermeintlich widerlegt. Dazu heißt es auf VroniPlag selbst:

Argumentationen auf VroniPlag:

„Ich habe mir einmal angesehen, welche Fragmente Herr Sensburg auf seiner Webseite auflistet und als „kein Plagiat“ klassizifiert. Mich würde übrigens auch seine Einschätzung aller bisher erstellten Fragmente interessieren (die übrigens nicht nur von mir stammen, wie die WAZ zu Unrecht behauptet).

Zu den bisher von ihm kommentierten Fragmente hier einige Anmerkungen meinerseits:

Pes/Fragment_027_24 – Nach der Fußnote wird weiter KGSt-Bericht 1993 paraphrasiert. Dies ist nicht kenntlich gemacht.

Pes/Fragment_028_05 – Die Fußnote deckt nicht das Ausmaß der Übernahme ab, zudem wird die Übernahme nach der Fußnote fortgesetzt, wobei diese Übernahme bis auf ein Wort wörtlich ist.

Pes/Fragment_043_34 – In der ersten Hälfte werden nur minimale Änderungen vorgenommen; eine Paraphrase würde anders aussehen, wie man auch am Ende des Satzes sehen kann.

Pes/Fragment_045_20 – Teilweise wortwörtliche Übernahme, die Wahrscheinlichkeit, dass der Verfasser hier so nah an den Worten des (nicht in einer Fußnote genannten) KGSt-Bericht 1998 ist und auch noch in diesem Zusammenhang ebenfalls auf Weeke verweist, ist sehr, sehr gering.

Pes/Fragment_054_26 – Bei dieser wortwörtlichen Übernahme (“aus der durch die Leistung resultierenden budgetären Belastung der übergeordneten Ebene, die ganz in ihrem Interesse handelnd eine Entlastung ihres Budgets um obsolete Leistungen anstreben wird.“) wären Anführungszeichen erforderlich.

Pes/Fragment_086_20 – Zwei Sätze werden fast wortwörtlich übernommen, ohne dass dies durch Anführungszeichen deutlich gemacht wurde. Dies ist auch durch die minimale Änderung nicht zu rechtfertigen. Auch wird durch die Fußnote nicht deutlich, dass sie sich auf zwei Sätze bezieht.

Pes/Fragment_104_03 – Auf dieser Seite wird weiter unten zweimal auf Böckenförde verwiesen (auf S. 74f. und auf S. 75). Es ist unwahrscheinlich, dass der Autor dann kurz davor von allein auf die Idee kam, Bornhak (1896 erschienen) zu lesen und dann genau die Stelle paraphrasiert, auf die Böckenförde auf S. 73 hinweist. Bornhak taucht auch nur an dieser einen Stelle in der Dissertation (und im Literaturverzeichnis) auf.

Pes/Fragment_163_25 – Die Übernahme wird nach der Fußnote fortsetzt. Auch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Autor an dieser Stelle ebenfalls Triepel, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Bd. 9 (1939) S. 4 f., zu Rate gezogen hat und auf die gleiche Stelle gestoßen ist, sehr gering.“

Nummer 2

Frage: Warum sollte Sie jemand zu Unrecht beschuldigen?

Antwort Sensburg: Es ist auffällig, dass die Vorwürfe in einer Zeit aufkommen, in der ich im Bundestag viel zu den Themen Online-Durchsuchung und Netzpolitik gesprochen habe. Der Inhalt wird nicht jedem gefallen haben. Auf mich wirken die Vorwürfe wie eine Kampagne, zumal Meinungen zu meinen Gunsten auf „VroniPlag“ gelöscht worden sind und die Fundstellen vor allem von einem einzigen anonymen Schreiber aufgelistet werden.

Nach meiner Kenntnis hat VroniPlag mit Sensburgs Einstellung zum Bundestrojaner nichts zu tun. VroniPlag hatte PES am Dienstagabend auf die Website gesetzt. Die Beteiligten konnten nicht ahnen, dass Sensburg sich ausgerechnet am darauf folgenden Mittwoch auf die Rednerliste im Bundestag setzen lassen und unter anderem dem CCC drohen würde.

Soweit erst einmal. Weitere Informationen und Einschätzungen später.

Weihnachtsbaumkulturen: Giftspritzen im Sauerland

Weihnachtsbaumkultur am Kreuzberg (foto: zoom)
Weihnachtsbaumkultur am Kreuzberg in Winterberg (archivfoto: zoom)

Endlich regen sich die Zeitungen, die Menschen und die Gemüter! Der Grund der Aufregung: Gift in unserer Nachbarschaft, genauer gesagt um Gift in Weihnachtsbaum- (un)kulturen. (update: http://www.giftfreies-sauerland.de/)

Wir werden jetzt wiederholt konfrontiert mit solchen Horrorschlagzeilen wie:

„Angst vor Gift auf Christbäumen“ und „Angst vor Chemiekeule im Sauerland“.

Die Sauerländer Bürgerliste (SBL) geht diesem Thema nun schon seit 5 Jahren, seit dem Entstehen ihrer Wählergemeinschaft nach. 2006 wurden wir alle mit der Formel „PFT“ konfrontiert.

Perfluorierte Tenside „PFT“ sind hochtoxische Stoffe, die u.a. im Raum Bestwig auf die Weihnachtsbaumäcker aufgebracht wurden. Als Folge sind Böden, Fluss-, Grund- und Trinkwasser verseucht. Die Wasserwerke im Einzugsbereich der Ruhr reagierten nach und nach auf das Problem mit dem Einbau von entsprechenden Spezialfiltern (Aktivkohlefilter).

Im Oktober 2009 unternahm die SBL zusammen mit einem „Insider“ einen Spaziergang über die öden PFT-„gedüngten“ und „anderweitig behandelten“ Monokulturen in und um Bestwig.

Wir wunderten uns damals nicht nur über den traurigen Zustand der Böden, sondern auch darüber, dass sich augenscheinlich nur wenige Bürgerinnen und Bürger gegen die Spritz- und „Dünge“-Gewohnheiten der Weihnachtsbaumproduzenten zur Wehr setzten. Hier unser in die Jahre gekommener und doch noch aktueller Bericht:

http://sbl-fraktion.de/?p=440

PFT ist nur ein Problem von vielen. Sogenannte „Pflanzenschutzmittel“ wie „Round up“ tragen ganz legal zur Ruinierung unserer Umwelt und wahrscheinlich auch unserer Gesundheit bei. Wie wir lesen und hören und manchmal zufällig sogar selbst beobachten können, wird das Zeug anscheinend hemmungslos auf Weihnachtsbaumflächen gepulvert. Wir Sauerländer werden quasi damit eingenebelt (zum Wohle der Tannenbaumproduzenten und deren zum Teil weit entfernt lebender Kundschaft). „Nein, danke! Mir kommt kein Weihnachtsbaum mehr ins Haus, egal wie gerade und makellos er gewachsen ist!“ Der Christbaum ist für mich ein Symbol für Umweltsünden!

Die vielen Presseartikel und Leserbriefe der letzten Tage sagen mir: Es gibt etwas Hoffnung!

Hier als Beispiel die Zuschrift von Herrn Nieder, der einen weiteren Aspekt des Dilemmas beleuchtet:

„Giftspritzerei im Focus der Öffentlichkeit

Es ist für mich als Bürger der Gemeinde Bestwig sehr erfreulich zu sehen, daß der großflächige Weihnachtsbaumanbau mit seiner Giftspritzerei nun in den Focus der Öffentlichkeit kommt. Mit Brief vom 10. Mai 2011 an unseren obersten Bürgervertreter, Herrn Péus, habe ich explizit unter Angabe zweier Studien auf die Roundup (Glyphosat)-Problematik hingewiesen (u.a. Krebsgefahr, Kreuzresistenzen, Verseuchung des Trinkwassers). Bis zum heutigen Tage habe ich von ihm keine Antwort erhalten.

Daher schrieb ich in einem zweiten Versuch ähnliches an den Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Gemeinderat, Herrn Gerold. In seiner Antwort versuchte er auf arrogante Art und Weise die bekannte Unterschriftenaktion mit „lediglich“ (O-Ton) 136 Unterschriften herunterzuspielen. Weiterhin wäre er hinsichtlich der Spritzthematik kein Biologe und kein Chemiker und das sei eher die Aufgabe von Fachleuten. Ich bin weder das eine noch das andere, dennoch war es mir mit Engagement und Interesse möglich, mich vertieft in das mir fremde Gebiet einzuarbeiten. Das sollten schnellstens auch diejenigen tun, die meinungsbildend in der Politik tätig sind.

Meines Erachtens ist für die heutigen erschreckenden Zustände die Verflechtung von Politik und Wirtschaft mitverantwortlich. Weshalb befinden sich unter den Parteikollegen der oben genannten Personen bzw. unter den Gemeinderatsmitgliedern einige der am Weihnachtsbaumgeschäft Beteiligten (sei es als Anbauer oder als Verpächter)? Davon können auch die eventartigen Politikaktionen (ständige Medienpräsenz, Parteiwerbeblättchen) nicht ablenken, denn das berechtigte Bürgerinteresse auf eine gesundheitlich unbedenkliche Umwelt hört in Bestwig anscheinend dort auf, wo die finanziellen Einzelinteressen anderer beginnen.“

In der Ausgabe der WR vom 18.10.2011 geht eine Leserin aus Meschede auf die hohe Krebsrate im Raum Bestwig ein. In der Tannenbaum-Hochburg Heringhausen sei inzwischen in jedem Haus mindestens ein Bewohner an Krebs erkrankt. Außerdem weist sie darauf hin, dass wir das Problem „Gift“ exportieren und beendet ihren Leserbrief mit dem Hinweis: „In diesem Zusammenhang weise ich den Einsatz von überwiegenden polnischen Arbeitskräften hin, die diese Gifteinsätze durchführen und durch die Kontaminierung hohe Krebsraten aufweisen“.

Update: http://www.giftfreies-sauerland.de/

Badische Zeitung feiert Rudolf Steiner – Kritik nicht erwünscht?

Peter Sloterdijk Foto: Rainer Lück http://1RL.de Lizenz: CC
Peter Sloterdijk Foto: Rainer Lück http://1RL.de Lizenz: CC

Die Badische Zeitung feiert Rudolf Steiner und löscht Rudolf Steiner O-Ton: „Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse“ ist Werbung für die Religion Anthroposophie.
Von Andreas Lichte.

Andreas Lichte ist ausgebildeter Waldorflehrer und Grafiker, lebt in Berlin. Er ist Autor kritischer Artikel zur Waldorfpädagogik und Anthroposophie. Er erstellte für die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ein Gutachten zur Indizierung zweier Werke Rudolf Steiners, die fortan nur noch in kommentierter Form erscheinen dürfen.

Der hier veröffentlichte Artikel ist zuerst bei den Ruhrbaronen erschienen. Dort sind auch weitere Hinweise zu Rudolf Steiner und der Waldorfpädagogik zu finden (s.u.).

„Wer, wie, was – wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm!“ ist Kinderkram. Ein guter Journalist wie Thomas Loisl Mink, Autor der Badischen Zeitung, weiss einfach, welcher Autorität er ungeprüft glauben kann. Und Peter Sloterdijk ist so eine Autorität.

In seinem Bericht über die Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Rudolf Steiner Ausstellung im Vitra Design Museum gibt Mink Fragmente von Sloterdijks Steiner-Lobpreisung wieder, ohne auch nur eine einzige Frage zu stellen. Worum es eigentlich geht, bleibt dem Leser unklar, sicher ist nur:

Rudolf Steiner ist ungeheuer bedeutend. Für die Kunst, und überhaupt …, Zitat Mink:

„Steiner sei jemand gewesen, dem es gelang, zeitgenössische Ideenspannungen wahrzunehmen, sagte Sloterdijk …“

„Steiner habe indessen Vertikalität neu definiert »und die menschliche Individualität nach oben anschlussfähig gemacht«, so der Philosoph. Er sei so etwas wie der von dem Dadaisten Hugo Ball beschriebene Antennenmensch gewesen, er sei immer auf Empfang gewesen …“

usw., usw., bis Mink das Grande Finale seines Berichts bringt:

„Steiner, so Peter Sloterdijk, sei ein idealer Transmitter der Botschaft, eine Lebensform zu entwickeln, die eine Koexistenz der Menschen auf dem Planeten ermögliche.“

Wenn das kein Superlativ ist: Steiner war also nicht nur in der Vergangenheit bedeutend, sondern ist es umso mehr für die Zukunft der Menschheit! Da lasse ich Rudolf Steiner einmal selber erklären, was er von den verschiedenen Menschen hält – mein Kommentar vom 17. Oktober:

„Zitat aus dem Artikel: »Steiner, so Peter Sloterdijk, sei ein idealer Transmitter der Botschaft, eine Lebensform zu entwickeln, die eine Koexistenz der Menschen auf dem Planeten ermögliche.«

Wie soll diese »Koexistenz der Menschen auf dem Planeten« aussehen, wenn Rudolf Steiner diese »Erkenntnisse« hat:

»(…) Wenden wir das auf den Menschen selber im Weltenraum an. Sehen wir uns zunächst die Schwarzen in Afrika an. Diese Schwarzen in Afrika haben die Eigentümlichkeit, daß sie alles Licht und alle Wärme vom Weltenraum aufsaugen. Sie nehmen das auf. Und dieses Licht und diese Wärme im Weltenraum, die kann nicht durch den ganzen Körper durchgehen, weil ja der Mensch immer ein Mensch ist, selbst wenn er ein Schwarzer ist. Es geht nicht durch den ganzen Körper durch, sondern hält sich an die Oberfläche der Haut, und da wird die Haut dann selber schwarz.

So daß also ein Schwarzer in Afrika ein Mensch ist, der möglichst viel Wärme und Licht vom Weltenraum aufsaugt und in sich verarbeitet. Dadurch, daß er das tut, wirken über den ganzen Menschen hin die Kräfte des Weltenalls so. (Es wird gezeichnet.) Überall nimmt er Licht und Wärme auf, überall. Das verarbeitet er in sich selber. Da muß etwas da sein, was ihm hilft bei diesem Verarbeiten. Nun, sehen Sie, das, was ihm da hilft beim Verarbeiten, das ist namentlich sein Hinterhirn. Beim Neger ist daher das Hinterhirn besonders ausgebildet. Das geht durch das Rückenmark. Und das kann alles das, was da im Menschen ist an Licht und Wärme, verarbeiten. Daher ist beim Neger namentlich alles das, was mit dem Körper und mit dem Stoffwechsel zusammen hängt, lebhaft ausgebildet. Er hat, wie man sagt, ein starkes Triebleben, Instinktleben. Der Neger hat also ein starkes Triebleben. Und weil er eigentlich das Sonnige, Licht und Wärme, da an der Körperoberfläche in seiner Haut hat, geht sein ganzer Stoffwechsel so vor sich, wie wenn in seinem Innern von der Sonne selber gekocht würde. Daher kommt sein Triebleben. Im Neger wird da drinnen fortwährend richtig gekocht, und dasjenige, was dieses Feuer schürt, das ist das Hinterhirn. (…)

Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse. (…)«

„Vom Leben des Menschen und der Erde – Über das Wesen des Christentums“, GA 349, Dritter Vortrag, Dornach, 3. März 1923“

Wem das noch nicht reicht, um nachzuvollziehen, dass Rudolf Steiner ein Rassist ist – und einer der grössten Scharlatane des Zwanzigsten Jahrhunderts war – kann gerne noch den kompletten Vortrag lesen.

Mein Kommentar wurde vom Moderator der Badischen Zeitung gelöscht, seine Begründung:

„Inhalte mit werblichem oder kommerziellem Charakter werden gelöscht.
Dies betrifft auch die Veröffentlichung von umfangreichen Textauszügen jeglicher religiöser oder weltanschaulicher Gruppen.“

Rudolf Steiners Auffassung der verschiedenen „Rassen“ – der „triebhafte Neger“, und dem entgegengestellt, „die am Geiste schaffende Weisse Rasse“ – ist also Werbung für die Religion Anthroposophie. Na, ist doch schön, wenn man’s mal so erklärt bekommt, dass man‘s auch versteht! Ist Sloterdijk vielleicht deshalb so begeistert von Steiner?

Aber Sloterdijk ist ja nicht der einzige: Im Jubiläumsjahr „150 Jahre Rudolf Steiner“ erschienen unzählige Jubel-Artikel auf Steiner. Da geben Journalisten dann monumentale Antworten auf Fragen, die sie wie Thomas Loisl Mink nie gestellt haben, zum Beispiel:

„Der letzte Prophet – Rudolf Steiner ist der einzige deutsche Idealist, der den Praxistest überlebt hat.“

Diese Jubelarie der Zeit kommt von Iris Radisch. Leider vergisst Radisch zu erwähnen, dass sie ihre Kinder zur Waldorfschule schickt, aber das fördert sicher nur ihre kritische Grundhaltung und den seriösen, unabhängigen Journalismus …

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Und wie war das nun mit Rudolf Steiner als „Künstler“? Anlass für den Artikel der Badischen Zeitung war ja die Ausstellung „Rudolf Steiner – Die Alchemie des Alltags“ im Vitra Design Museum. Schauen wir uns doch einfach beispielhaft Rudolf Steiners grösstes Kunstwerk an:

„Der Menschheitsrepräsentant zwischen Luzifer und Ahriman“

Beeindruckend, nicht wahr? Und der anthroposophische Text ist ein Kunstwerk für sich!

Prof. Dr. Stefan T. Hopmann, Bildungswissenschaftler an der Universität Wien, den ich zu Waldorfschule, Rudolf Steiner und Anthroposophie interviewte, kommt zu dieser Einschätzung, Zitat Hopmann:

„Und welche Freiheit, welche Kreativität sind gemeint in einer Schulphilosophie, deren Erfinder weder als Demokrat, noch als Ästhet hervorgetreten ist, sondern der eine autoritäre Geisteshaltung einnahm und eine naturalistische Schrumpfästhetik bevorzugte?“

Weiterführende Artikel auf den Ruhrbaronen:

Waldorfschule: Dr. Detlef Hardorp verkauft Rudolf Steiners Rassismus als Multikulti – Sloterdijks „Koexistenz der Menschen“ mit den Worten eines Funktionärs der Waldorfschulen

3 Jahre Rudolf Steiner ist „zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen“ – die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) entschied, dass Bücher Rudolf Steiners rassistischen Inhalt haben

150 Jahre Rudolf Steiner – „Aber ich hab’ doch nichts davon gewusst!“ – was in den üblichen Steiner-Jubel-Arien verschwiegen wird, und die NZZ brachte

Waldorfschule: Vorsicht Steiner – Interview mit Andreas Lichte

Waldorfschule: „Man kann nicht nur ein »bisschen« Waldorf sein“, Interview mit Prof. Dr. Stefan T. Hopmann, Bildungswissenschaftler an der Universität Wien