Update: Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft und … in der Süddeutschen Zeitung.

"Ein trüber Schelmenroman", Der Rezensent fischt im Trüben der antisemitischen Stereotypen. (foto: zoom)
„Ein trüber Schelmenroman“. Der Rezensent fischt im Trüben der antisemitischen Stereotypen. (foto: zoom)

Die folgenden Links beziehen sich auf ein Buch und eine Rezension in der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Samstag. Stephan Speichers Rezension von „Vivien Stein, Heinz Berggruen – Leben und Legende“, wird als ganzseitiger Aufmacher des Feuilletons präsentiert.

Sie ist voller antisemitischer Stereotypen. Eine miese Buchbesprechung, die sich mit einer wirren Autorin gemein macht.

Artikel nicht Online verfügbar
Der Artikel liegt uns in der Druckausgabe vor. Leider stellt die Süddeutsche ihre Beiträge nicht ins Netz, so dass ich an dieser Stelle nicht auf das Feuilleton verlinken kann. Auch sind heute sehr harrsche und dabei kluge Leserbriefe in eben derselben Zeitung erschienen. Doch sind diese ebenfalls nicht Online zugänglich.

Ich denke, es nützt der Süddeutschen nicht, lediglich auf die Kritik der LeserInnen in den Leserbriefspalten zu verweisen.

Wie kommen antisemitische Stereotypen in die Süddeutsche?
Die Chefredaktion der Süddeutschen muss erklären, wie dieser distanzlose, journalistisch grenzwertige, moralisch und politisch verkommene Beitrag zur Förderung antisemitischer Stereotypen in ihrem Blatt publiziert werden konnte. Hat sich ein Einzeltäter ins Redaktionssystem geschlichen als Heribert Prantl gerade schlief?

Das Dönerbild hatte ich als Aufmacher gewählt als ich noch eine unserer traditionellen „Umleitungen“ zusammenbasteln wollte. Einen Link zur Jüdischen Allgemeinen wollte ich setzen und habe es auch (s.u.) getan.

Beunruhigender Antisemitismus
Nachdem ich allerdings die alte Samstags-Ausgabe der Süddeutschen aus der blauen Papiertonne herausgefischt hatte, ließ mir der Antisemitismus in meiner Morgenzeitung keine Ruhe.

Update: Ich zitiere ein paar Zeilen. Zwischenüberschrift im Print: „Er gab sich als Kosmopolit, an den gesellschaftlichen Kosten wollte er sich nicht beteiligen“

„Merkwürdig, dass ein Jude, der sich in Amerika, Frankreich, England und der Schweiz nie als solcher verstanden hatte, mit einem Mal zum Repräsentanten der historischen Opfer wurde.“

„Der Schelm nutzt die Schwächen der Menschen, erteilt ihnen eine Lektion über Geiz, Habgier, Lüsternheit. Ähnliches hat auch Heinz Berggruen getan. Aber die Schwächen, die er nutzte, waren moralische Stärken, das Vertrauen der Briten in die Fairness des Partners, das Gefühl der Deutschen für ihre Schuld an den Juden. Hier kommt eine Überlegenheit ins Spiel, die etwas Trübes hat.“

Allein diese hier Textpassage müsste ausreichen, um den Autor hochkantig aus der Redaktion zu werfen:

a) grobe handwerkliche Schnitzer. Speicher macht sich mit dem Gegenstand seiner Betrachtung gemein. Er übernimmt kritiklos, ohne Distanz und  ohne erkennbare Überprüfung, die fragwürdigen Urteile der Autorin.

b) mit einem Bündel von rassistische Vorurteilen bedient er beim Leser die Stereotype des „ewigen Juden“ : Geiz, Habgier und nicht zuletzt, aber  um so wichtiger für einen „gelungenen“ Rassismus/Antisemitismus, die Sexualität, die „Lüsternheit“, des weltgewandten – Amerika(sic!), Frankreich, England, Schweiz – Semiten.

Diese Update habe ich mit einem Tag Abstand in den Artikel eingefügt. Ich stelle fest, dass meine Fassungslosigkeit nicht geringer, sondern größer geworden ist.

Die Süddeutsche Zeitung sollte sowohl den Artikel als auch die Leserbriefe in der gestrigen Ausgabe für alle interessierten Menschen Online stellen, damit eine offene Diskussion am Text möglich ist.

Update Ende

Ich weiß, die Drohung mit Abonnementskündigung ist irgendwie albern. Diese Keule holen Tausende von LeserInnen jeden Tag aus dem Argumenteköfferchen.

Gibt es eine Erklärung der Chefredaktion?
Am Montag allerdings möchte ich beim Frühstückskaffee die Erklärung lesen. In der Süddeutschen. Schwarz auf Weiß.

Wie konnte es Stephan Speicher gelingen, Hans Leyendecker, Willi Winkler und Heribert Prantl einen antisemitischen Artikel unterzuschieben?

Danke im Voraus.

Die Kunst der Denunziation: Streit um eine Biografie des Galeristen und Mäzens Heinz Berggruen … juedischeallgemeine

Ein Buch attackiert Kunstsammler Heinz Berggruen: Die Autorin Vivien Stein nennt Heinz Berggruen einen Steuerhinterzieher, der sich als Vorzeigejude stilisierte. Das windige Werk erhält erstaunliche Fürsprache … weltonline

Skandal-Biografie über Heinz Berggruen: Perfides Spiel mit der „Judenkarte“ … spiegel

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Alfred Hrdlickas unvollendetes Denkmal in Hamburg

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NS-Denkmal für das Hamburger Infanterieregiment am Dammtor (fotos: chris)

Wer in Hamburg am Bahnhof Dammtor, einem der vier Fernbahnhöfe der Hansestadt, aussteigt und über die Fußgängerbrücke in Richtung  ‚Planten un Blomen‘ geht, der steht unversehens vor diesem Denkmal, welches die Hamburger wenig liebevoll auch den ‚Klotz‘ nennen.

Es ehrt das Infanterieregiment 76, welches im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 sowie dem Ersten Weltkrieg kämpfte. Die Nationalsozialisten weihten 1936 den monumentalen Quader ein, welcher die markige Inschrift trägt „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“ .

Alfred Hrdlicka
'Cap Arcona' und 'Feuersturm' von Alfred Hrdlicka

Um das von vielen Hamburgern damals als Provokation empfundene NS-Denkmal zu entschärfen, entschied die Hamburger Kulturbehörde Anfang der 80er Jahre, ein „Gegendenkmal“ errichten zu lassen. Die Wahl fiel auf den Entwurf des Wiener Künstlers, Kommunisten und Katholiken Alfred Hrdlicka. Er plante ein aus vier Teilen bestehendes Mahnmal.

Der „Feuersturm“, hier rechts im Bild und unten im Detail, stellt das Leid der Zivilbevölkerung Hamburgs durch die Bombardierung der Hansestadt 1943 dar.

Die Menschengruppe oben links auf dem Bild erinnert an die 7 500 KZ-Häftlinge, die am 3. Mai 1945 auf tragische Weise starben. Die SS hatte die Überlebenden des KZ- Neuengamme nach dessen Räumung an die Lübecker Bucht evakuiert und anschließend auf den dort liegenden Schiffen eingepfercht. Als britische Piloten fünf Tage vor der Niederlage Nazideutschlands die ‚Cap Arcona‘ sowie zwei kleinere Schiffe mit Jagdbombern angriffen, wussten sie nicht, dass auf diesen rund 10 000 KZ-Häftlinge auf ihre Befreiung hofften.

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Detail aus dem 'Feuersturm'

Seine Pläne zum Thema „Soldatentod“ und „Frauenbild im Faschismus“ hat Hrdlichka nicht realisiert. Auseinandersetzungen zwischen der Hamburger Behörde und dem Künstler führten schließlich zum Abbruch der Arbeiten. Es ging dabei auch um Geld.

Nun steht Hrdlickas Kunst unvollendet dem Klotz gegenüber. Von den vorbeieilenden Passanten werden beide Denkmäler kaum wahrgenommen. Wer sich jedoch ein wenig Zeit nimmt, ist erstaunt über die Details und beeindruckt von der Intensität, mit der Hrdlicka Verzweiflung, Furcht und Zerstörung darstellt. Seine Kunst macht neugierig. Wie hätte der eigenwillige und einfühlsame Bildhauer Soldatentod und Frauenbild der Nazis künstlerisch umgesetzt? Bedauerlich, dass er dazu in Hamburg keine Gelegenheit hatte.

Umleitung: Schräges zu Cem Özdemir, Neonazi-Morde und Sprache, Brauner Niederrhein und mehr …

Tucholsky im Oberstufenkolleg.  #ecbi11 on TwitpicSchräg und geschmacklos wie immer: Was Neues von Cem zu den Dönermorden? … endoplast

Antike und Christentum – eine Synthese? Immer wieder wird in der Öffentlichkeit und Politik das „christliche Abendland“ beschworen, eine Kontinuität seit der Antike behauptet, eine Synthese zwischen Antike und Christentum suggeriert. Sind derartige Auffassungen seriös zu belegen? … hpd

Ein Blick lohnt sich, Frau Bundeskanzlerin! Es können nicht alle Akteure in einer Volkswirtschaft gleichzeitig sparen … wiesaussieht

Brauner Niederrhein: Eine Facebook-Gruppe im Nationalen Widerstand … jurga

Presseschau: Polizei prüft Bezug der Terror-Zelle zum Polizistenmord in Dortmund … nrwrechtsausssen

Sprache und die Neonazi-Morde: Seit Tagen nun wird massen- und auch alternativmedial über die Neonazimordserie debattiert, und nicht immer bekleckern sich die Berichterstatter und Meinungsmacher dabei mit Ruhm … ruhrbarone

LehrerInnen hier gucken I: Offene und verdeckte Privatisierung im Bildungssystem … GEW via nachdenkseiten

LehrerInnen hier gucken II: SPD in NRW und Datenschützer aus NRW und Schleswig-Holstein zum “Schultrojaner” und Stellungnahme von Ministerin Sylvia Löhrmann … pottblog

FOC Werl: “Der Leibhaftige” ante portas? … neheimsnetz

Google und der WLAN-Spaß: Ich persönlich empfinde es schon als sehr frech, dass man als Betreiber eines Drahtlosnetzwerkes zu so einer Aktion genötigt wird, wenn man sein System für den Zweck nicht bereitstellen möchte … schwenke

Röhrtalbahn wäre rentabel: Ab Sonntag, 11. Dezember, verkehren wieder fahrplanmäßige Personenzüge von und nach Brilon-Stadt. Nun haben sich auch für die zweite Bahnstrecke im Kreisgebiet, deren Reaktivierung angestrebt wird, die Chancen verbessert … sbl

Nachbartal: polsch-kölscher Klüngel um eine suarländer Tanne … wiemeringhauser

Elektra’s Beobachtungen: von Raubtieren und langen Nasen … cowblog

Das Sauerland: von oben vergiftet von unten „gefrackt“. Die Tourismus-Marke „Sauerland“ ist in Gefahr.

Nach den Steinen das Erdgas. Steinbruch im Hochsauerland. Heute schon keine "reine Natur" (archiv: zoom)
Nach den Steinen das Erdgas. Steinbruch im Hochsauerland. Heute schon keine „reine Natur“ (archiv: zoom)

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es mit der Zeit eng werden könnte für den Exportschlager des Sauerlandes, nämlich für die Illusion der natürlichen, heilen Umwelt als Anreiz und Lockmittel für die Touristen und die Tourismus-Industrie.

Die Marke „Sauerland“ wird zur Zeit von oben vergiftet und von unten „gefrackt“.

Wir haben kürzlich sehr ausführlich über die möglichen Umwelt- und Gesundheitsschäden durch den industriellen Weihnachtsbaumanbau im Sauerland berichtet: hier oder hier oder auch hier.

Heute erinnert uns eine Pressemeldung der SPD Meschede an das nächste große Ausbeutungsprojekt der Energie-Konzerne, das Fracking auf der Jagd nach den letzten fossilen Energiespeichern.

Auf der Website der SPD Meschede können wir lesen:

„Der Energiekonzern Wintershall plant im Hochsauerland Gas aus Schiefergestein zu gewinnen. Auch im Mescheder Stadtgebiet sind dazu bereits im Sommer 2010 „Claims“ abgesteckt worden. Möglich wird der Abbau durch „Hydraulic Fracturing“, auch Fracking genannt. Eine Technik der unkonventionellen Gasförderung, die mit erheblichen Risiken verbunden ist. Deshalb hat die SPD-Fraktion zu diesem Thema nun einen Antrag an den Stadtrat gerichtet …“

Im anarchistischen Blog „Schwarze Katze“ aus Hemmer ist zur Methode des Frackings Folgendes zu lesen:

„Im Unterschied zu konventionellen Gasvorkommen, wo das Gas im Porenraum leicht gefördert werden kann, muss bei unkonventionellen Vorkommen das gashaltige Gestein zerrüttet werden. Die Methode dazu nennt sich Hydraulic Fracturing, kurz Fracking. Die unkonventionellen Gasvorkommen liegen tief unter der Erde in Schiefer- und anderen Gesteinsformationen und werden durch Fracking nach oben transportierbar. Fracking bedeutet, dass bei einer vertikalen Bohrung nach dem Erreichen gasführender Gesteinsschichten dort horizontal noch ein Stück weitergebohrt wird. Nun werden dort Unmengen von Wasser vermischt mit Sand und einem Mix aus Tonnen giftiger Chemikalien hereingepumpt, um dadurch unterirdische Sprengungen des Gesteins vorzunehmen. Durch Aufbrechen entstehen Risse und so löst sich das Gas aus den kleinen Zwischenräumen und kommt nach oben. Ein Teil der giftigen Brühe bleibt im Boden. Diese kann zu einer Gefahr für das Grundwasser werden, wenn sie durch Risse oder nie auszuschließende Erdverschiebungen nach oben gelangt. Eine große Gefahr für Gesundheit von Mensch und Tier droht, da die Chemikalien zum Teil hochgiftig und krebserregend sind und in den Nahrungskreislauf gelangen können. Beim Fracking werden unter anderem BTEX-Chemikalien verwendet. Das sind Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol. Insbesondere in landwirtschaftlich geprägten Gegenden kann ein Austritt dieser Chemikalien verheerende Folgen haben.“

Im Januar diesen Jahres hatten wir ebenfalls einen Bericht der SPD Meschede hier im Blog veröffentlicht:

„Wir stellen und ganz entschieden gegen die Verschmutzung der Umwelt, in der wir leben und die unsere zahlreichen Gäste im Winter wie im Sommer zur Erholung nutzen wollen. Niemand kann garantieren, dass die bei der Gasförderung verwendeten giftigen, krebserregenden Substanzen nicht in unseren Wasserkreislauf gelangen. Ich möchte allen Bürgern unserer Stadt ans Herz legen, sich zu informieren und Flagge zu zeigen – gegen die Zerstörung unserer Heimat. Und ich kann der Stadtverwaltung nur empfehlen, sich nicht von den Versprechen der Konzerne blenden zu lassen – Einnahmen aus der Gasförderung sind nichts wert, wenn das Trinkwasser ungenießbar ist, die Touristen ausbleiben, die Betriebe abwandern und die Grundstückspreise fallen.“

Diejenigen Touristenhochburgen wie beispielsweise Winterberg und Schmallenberg, die sich eventuell darauf berufen werden, dass das Fracking ja nicht unter ihrer Stadt den Erdboden in „Bimsstein“ verwandelt, sollten sich nicht allzu sehr auf das Unterscheidungsvermögen ihrer Kunden verlassen. Ab einer bestimmten Reizschwelle wird das gesamte Sauerland als „Fracking-Land“ wahrgenommen werden.

Da mögen in Zukunft die Winterberger noch so laut rufen, dass unter dem Kahlen Asten nicht gefrackt würde und dass die „Gift-Tännchen“ in Bestwig stünden.

Wenn der erste Gas-Hahn brennt und das erste Gift in der Ruhr oder gar im Trinkwasser oder auf dem eigenen Grundstück nachgewiesen werden sollte, wird der Tourismus im Sauerland vergiftet und die Profite der Tourismus-Industrie werden verbrennen.

Die Tourismus-Marke „Sauerland“ ist in Gefahr.

Landesminister für fehlende Kontrollen der Weihnachtsbaumpflanzer verantwortlich?

Das Podium in Bestwig (foto: Georg Knieb)
Das Podium in Bestwig (foto: Georg Knieb)

Wir*, die Sauerländer Bürgerliste (SBL), hatten über die auffällig geringe Zahl von Kontrollen der Weihnachtsbaumpflanzer durch die Landwirtschaftskammer berichtet.

Zur Erinnerung: Die 20 Mitarbeiter, die für die Weihnachtsbaum”un”kulturen zuständig sind führten in 2 Jahren zusammen 40 Kontrollen wegen der Verwendung von Pflanzen”schutz”mitteln durch, also 1 Kontrolle pro Mitarbeiter und Jahr. Mit Betriebskontrollen war ein Mitarbeiter statistisch sogar nur alle 7 Jahre einmal befasst. Landesumweltminister Remmel sprach im Rathaus Bestwig davon, dass für mehr Kontrollen auch mehr Personal benötigt würde.

Bei der Veranstaltung im Kreishaus in Meschede am 15. November waren wieder mehrere Vertreter der Landwirtschaftskammer anwesend, und wir fragten nach. Das Ergebnis: Die Landwirtschaftskammer habe die Vorgabe des Landesministeriums ausgeführt, und die habe (in 2 Jahren) sogar nur 30 Kontrollen vorgesehen. Mit dem vorhandenen Personal seien auch 300 zu schaffen… Es gäbe also keine personellen Engpässe, die zu einer geringen Zahl an Kontrollen führen würden.

Auf unsere Nachfrage kennen wir nun auch die Zahl der Betriebe: Es sind ca. 430. Bei 3 Betriebskontrollen pro Jahr konnte ein Betrieb bisher etwa alle 140 Jahre mit einer Betriebskontrolle rechnen!?

Nun also ist das Ministerium wieder am Zug. Es muss erklären, ob es tatsächlich eine solch seltsame Vorgabe gemacht hat, und wenn Ja, warum.

Die Veranstaltung zeigte jedenfalls einmal mehr, wie gefährlich die in den Weihnachtsbaumkulturen eingesetzten Spritzmittel sind. Vom Nabu und von Greenpeace liegen mittlerweile Studien über den Wirkstoff Glyphosat (Handelsname: “Roundup”) vor. Er ist hoch toxisch und wird bisher offensichtlich verharmlost.

* Das „Wir“ bezieht sich auf den Autor des Artikels, der als Abgeordneter für die SBL im Mescheder Kreishaus sitzt.

Umleitung: Sehr kurz … Offener Unterricht, Homophobie im Sport und ein bisschen mehr …

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Lurche in Menschenhand (foto: waldgeist)

Komm! Ins Offene, Freund! Gedanken zum Thema „Offener Unterricht und WEB 2.0“ … dunkelmunkel

Schwul, rund, grün – oder: Sportblogs und Magazine gegen Homophobie im Fußball … pottblog

„Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen“: Wir fordern: „Taten statt Worte“ … jurga

NRW: Rund 25 Prozent aller Kämmerer des Landes entpuppen sich als ordinäre Zocker … postvonhorn

Städte-Aktionsbündnis fordert: Nachbesserungen beim Stärkungspaket Stadtfinanzen … doppelwacholder

Alle weiteren Links: sind ein Opfer der Nacht geworden …

Kurt Tucholsky 1930 über Nazis, Gewalt, staatliche Kumpanei und Widerstand: Deutschland Erwache!

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Hamburg Barmbek nach zehn Jahren Nazi-Diktatur 1943 (archiv: chris)

Deutschland erwache!

Daß sie ein Grab dir graben,
daß sie mit Fürstengeld
das Land verwildert haben,
daß Stadt um Stadt verfällt …
Sie wollen den Bürgerkrieg entfachen –
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
daß der Nazi dir einen Totenkranz flicht -:
Deutschland, siehst du das nicht -?

Daß sie im Dunkel nagen,
daß sie im Hellen schrein;
daß sie an allen Tagen
Faschismus prophezein …
Für die Richter haben sie nichts als Lachen –
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
daß der Nazi für die Ausbeuter ficht -:
Deutschland, hörst du das nicht -?

Daß sie in Waffen starren,
daß sie landauf, landab
ihre Agenten karren
im nimmermüden Trab …
Die Übungsgranaten krachen …
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
daß der Nazi dein Todesurteil spricht -:
Deutschland, fühlst du das nicht -?

Und es braust aus den Betrieben ein Chor
von Millionen Arbeiterstimmen hervor:
Wir wissen alles. Uns sperren sie ein.
Wir wissen alles. Uns läßt man bespein.
Wir werden aufgelöst. Und verboten.
Wir zählen die Opfer; wir zählen die Toten.
Kein Minister rührt sich, wenn Hitler spricht.
Für jene die Straße. Gegen uns das Reichsgericht.
Wir sehen. Wir hören. Wir fühlen den kommenden Krach.
Und wenn Deutschland schläft -:

Wir sind wach!

Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke Band 8, 1930, Hamburg 1975, S. 107

Diskussion im Kreishaus: Weihnachtsbaumanbau – Gesetzeslücke muss geschlossen werden

Gestern Abend im Kreishaus Meschede: Diskussionsveranstaltung der Grünen. (foto: joch-eren)
Gestern Abend im Kreishaus Meschede: Diskussionsveranstaltung der Grünen. (foto: joch-eren)

Weihnachtsbaumanbau – Gesetzeslücke muss geschlossen werden

Darin waren sich offenbar die meisten Teilnehmer der Podiumsdiskussion am 15.11.2011 zum Thema „Weihnachtsbaum“ einig.

Die gut besuchte Veranstaltung der Grünen im Kreishaus in Meschede verlief im Vergleich zum Info-und Diskussionsabend in der letzten Woche in Bestwig sehr sachlich und deutlich weniger emotionslos.

Manch Zuhörer fühlte sich vielleicht erschlagen von der Menge der teils sehr beunruhigenden Informationen z.B. über die Wirkungen und Nebenwirkungen von Spritzmitteln wie Round Up oder weil er erfuhr, dass Weihnachtsbaum-“Kulturen“ sogar direkt an Bächen gepflanzt (und vermutlich „gedüngt und gespritzt) werden dürfen. Denn schließlich gelten sie ja wegen einer ganz profanen Gesetzeslücke als Wald.

Die Diskussion soll weiter gehen. Von allen Seiten wurde Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Ein Diskussionsteilnehmer sieht die spannungsgeladene Situation in Bestwig und im HSK wohl auch als Chance. Er appellierte, es sollten sich alle zusammen setzen und über Maßnahmen nachdenken, die über das jetzt Angedachte und über das Sauerland hinaus gehen. „Werden Sie auf nationaler und europäischer Ebene aktiv!“ forderte er die Protagonisten auf.

Wo bleibt die Gedenkminute?

Aus welchem Grund hat es eigentlich keine Gedenkminute für die Opfer der feigen, braunen  Mörder gegeben? Diese Blutspur, die sich durch unsere Gesellschaft zieht, wird sich nicht heute, nicht morgen, nicht übermorgen wegwischen lassen.

Wir haben noch gar nicht in Ansätzen begriffen, was geschehen ist.

Das ungeheure Ausmaß der Verkommenheit aus der Mitte unserer Gesellschaft ist noch nicht in unser Bewußtsein eingesickert.

Der Rassismus, der die Morde möglich gemacht hat, verhindert die Erkenntnis der Mitschuld.

Innenminister Friedrich will laut ZDF Nachrichten den braunen Terror genau so verfolgen wie den islamistischen Terror.

Wenn dieser Mann nicht zurücktritt, glaube ich an gar nichts mehr und alles.

Wann ehren wir unsere ermordeten Mitbürger mit einem Moment der Stille und Nachdenklichkeit?

Hat die herrschende Klasse Angst vor einer Gedenkminute?

Oder wissen sie nicht mehr, was sie reden und tun?

Eine Gedenkminute, ein einziger kleiner Moment des Innehaltens – wir sollten nicht zu lange warten.

Viele von uns haben Tränen in den Augen und Zorn im Herzen.

Eine Gedenkminute. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Konzerthaus Dortmund: „Expedition Salonen“ – eine musikalische Reise in drei Teilen.

Multimediale Installation des Konzertabends (fotos: pohl)
"re-rite"-Videoinstallation im Dortmunder U (fotos: Martin Pohl)

Teil 1: Konzert am Freitagabend.

Die vom Konzerthaus Dortmund als „Expedition Salonen“ betitelte Reihe geht ins zweite Jahr. Der finnische Dirigent und Komponist Esa Pekka Salonen gastierte mit seinem Philharmonia Orchestra London, einem der renommiertesten Orchester des United Kingdom, am vergangenen Wochenende für zwei Tage in der Westfalenmetropole.

Dass Salonen nicht nur Chef d’orchestre, sondern ein ganzheitlich und multimedial denkender Künstler ist, zeigte sich schon daran, dass er die um 9 Trompeten erweiterte Blechbläsergruppe für LeoÅ¡ Janáčeks „Sinfonietta“ von der Rückempore über dem Orchesterraum spielen ließ. Das Spätwerk (erschienen 1926) des vom Spätromantiker zum Expressionisten mit starken Folkloreeinflüssen gewandelten tschechischen Komponisten erklang in einer in jeder Hinsicht überzeugenden Interpretation.

Musikalisches Abheben in rauschhafte Höhen
Anschließend spielte Patricia Kopatchinskaja das Violinkonzert des Komponisten Salonen unter der Leitung des Meisters selbst. Ein mörderisch schwerer Solopart, den die Geigerin bravourös bewältigte. Dass sie barfuß auftrat, interpretiere ich als Erdverbundenheit, die ihr das musikalische Abheben in rauschhafte Höhen ermöglichte, ohne den Boden zu verlieren. Ein sinnliches Erlebnis, auch in dieser Hinsicht. Das Werk selbst überzeugte mich vor allem in den ersten beiden Sätzen. Mit zunehmender Dauer, vor allem gegen Ende, erschien es mir allzu heterogen, etwas in die Länge gezogen. Ich hätte mir mehr Klarheit gewünscht. Letztlich aber ein Werk, das den Dirigenten Salonen auch als überzeugenden Komponisten auswies.

„Le sacre du printemps“ – Skandalstück auf einzigartig hohem Niveau
Nach der Pause dann  „Le sacre du printemps“, das Skandalstück des Jahres 1913 von Igor Strawinsky. Wer sich intensiv mit Musik auseinandersetzt, kennt dieses Stück, muss es einfach kennen oder kennenlernen. Ein Meilenstein der Musikgeschichte. Salonen nimmt tendenziell hohe Tempi, was die Sache für die Musiker nicht einfacher macht, aber einen besonderen, energiegeladenen Drive erzeugt. Auffallend eine (nicht notierte) Temporückung – wie Strawinsky das beurteilt hätte, sei dahingestellt (er selbst hat sich in den 60ern kritisch zu damals erschienen Neueinspielungen geäußert). Letztlich nichts zu bemängeln, besonders, da das Orchester auf einzigartig hohem Niveau spielte. Eine der besten Interpretationen, die ich bislang gehört habe.

Teil 2: re-rite und Lounge im Dortmunder „U“

kl_view_dachterrasseDas Besondere der Expedition Salonen ist sicher das von ihm initiierte re-rite-Projekt. Nur an drei Orten auf der Welt gibt es das zu sehen, in Deutschland nur in Dortmund.

In der 6. Etage des U-Turms geht man durch ein schwarz verkleidetes Labyrinth in verschiedene Räume, die jeweils einer Instrumentengruppe des Orchesters gewidmet sind. In Endlosschleife läuft das rund 35-minütige „Sacre du printemps“ (englischer Titel „The Rite Of Spring“) in der Aufnahme des Philharmonia Orchestra unter Salonens Leitung. Überall sind auf Videoleinwänden die Musiker (-Gruppen) zu sehen. In jedem Raum hört man vorzugsweise die entsprechende Gruppe, lauter als den Rest, so als säße man im Orchester. Je dichter man an eine Leinwand geht, desto lauter erklingt das Instrument. Auf einem Notenständer liegt die jeweilige Stimme zum Mitverfolgen.

Ausstellung noch bis 20. November
So wie beschrieben, läuft die Ausstellung noch bis zum 20. November. Der Clou jenes Abends war, dass einige Orchestermusiker selbst hinzukamen, ihre Instrumente auspackten und live mitspielten, um später dann zu Gesprächen zur Verfügung zu stehen.

DJ Gabriel Prokofjev mixt Janáčeks und Strawinskys Klänge zu einer neuartigen Melange
7. Etage, Restaurant „View“, 23 Uhr: nochmals Livemusik mit Salonen und der Blechbläsertruppe, die den ersten Satz (Fanfare) der Sinfonietta von LeoÅ¡ Janáček noch einmal spielten – diesmal zum Greifen nah. Danach legte DJ Gabriel Prokofjev auf. Er mixte Janáčeks und Strawinskys Klänge zu einer neuartigen Melange. Das gleichzeitig laufende Videomaterial auf einer Großleinwand im View wirkte eher kurios denn innovativ. Lauschte man nur der Musik des DJ, dann konnte man dem durchaus Neues abgewinnen. Dennoch: nach 5 Minuten dürfte jedem klar gewesen sein, wie es weitergeht. Ich meinerseits nutzte die Gelegenheit, Gespräche mit einigen meiner Studierenden der Uni Dortmund zu führen.

Eine Zigarettenlänge auf der Außenterasse
Zur Schonung der eigenen Stimme gab es glücklicherweise die Möglichkeit, auf die Außenterrasse des View zu gehen, wo die inzwischen üblichen Heizstrahler für ausreichende Wärme sorgten. Der Rand, von dem aus  man die Innenstadt überblicken kann, war leider außer Reichweite der Wärmequellen, aber die relativ milden Außentemperaturen ließen mich die Zigarettenlänge meiner Gesprächspartnerin so gerade überstehen.

(Mit-)Dirigieren macht einfach Spaß
Nach Mitternacht dann nochmal re-rite. Die Musiker hatten weitgehend eingepackt, das Endlosband war ungefähr an derselben Stelle, an der ich ein Stunde zuvor das Labyrinth verlassen hatte, und so blieb ich bis zum Finale. Ein Raum ermöglicht den Besuchern nämlich auch die Wahrnehmung aus Sicht des Dirigenten. Die Partitur lädt zum Dirigieren ein, wozu sich auch einige Besucher trauen. Generell empfehle ich, nicht auf den Dirigenten zu schauen (das verwirrt nur), sondern in die Partitur (!) – wenn man beim Lesen denn mitkommt. Ich jedenfalls erinnerte mich aktiv nachvollziehend an meine Studienzeit, als wir im Dirigierunterricht an diesem Stück gearbeitet haben. Dirigieren macht einfach Spaß.

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Teil 3: Konzert am Samstag abend.

Zum Bartók-Abend waren weit weniger Besucher gekommen als zu Strawinsky. Zu unrecht, wie ich meine. Ohne Übertreibung: sie haben was verpasst.

Das Hauptwerk des Abends, Bartóks einzige Oper „Herzog Blaubarts Burg“, erklang in einer halbszenischen Aufführung. Es mag daran liegen, dass das skandalberühmte „Sacre“ ungleich bekannter geworden ist, weshalb viele mit Blaubart nicht so viel anfangen können.

Skandal im Paris des Jahres 1911: Vaclav Nijinsky  krönt seine Choreographie mit einer angedeuteten Masturbation
Dabei gab es bei Musik von Bartók und sogar Debussy ebenfalls Skandale: Prof. Dr. Michael Stegemann von der Uni Dortmund erzählte in seinem Einführungsvortrag, dass es vor hundert Jahren eine Ballettaufführung des (zum Auftakt des Konzertabends erklingenden) „Prélude à l’après-midi d’un faune“ (Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns) von Claude Debussy gegeben habe, bei der der berühmte Tänzer Vaclav Nijinsky  seine Choreographie mit einer angedeuteten Masturbation krönte. Das war wohl selbst im freizügigen Paris des Jahres 1911 zu liberal.

Skandal in Köln 1926: Oberbürgermeister Adenauer verbietet Bartóks Ballett
Die andere Geschichte, die mir allerdings schon bekannt war, ist die der Uraufführung von Bartóks Ballett „Der wunderbare Mandarin“ im Jahre 1926 in Köln: schon einen Tag später wurde das Stück auf Geheiß des damaligen Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer wegen seines „unmoralischen“ Inhalts (wir würden heute sagen erotischen Inhalts) verboten.

Zum Konzert selbst: Das Debussy-Werk, äußerlich gehört eher unauffällig, aber stilistisch zu Ende des 19. Jahrhunderts völlig neuartig, gewissermaßen der Ursprung der Neuen Musik, wurde in schon gewohnt perfekter Weise dargeboten. Anschließend Bartóks Tanzsuite (1923), in der er Folklore-Einflüsse unterschiedlicher Ethnien verschmolz.

„A kékszakállú herceg vára“ – mit deutschen Übertiteln
Nach der Pause dann „A kékszakállú herceg vára“ (Herzog Blaubarts Burg, 1911) in ungarischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Sir John Tomlinson als Blaubart und Michelle de Young als Judith – beide Weltklasse – sangen die einzigen Protagonisten des Werks überzeugend und deuteten die Handlung mit angemessenen Gesten an.

Videoinstallation mit Raumklang
Das Besondere dieser Aufführung war die Videoinstallation eines britischen Teams um den Londoner Künstler Nick Hillel (Yeast Culture). Eine angedeutete Burg um das Orchester herum und bewegliche, von der Decke hängende Elemente dienten als Projektionsfläche des Videomaterials, das die Handlung und/oder, je nach Interpretation des symbolistischen Dramas, das Innenleben Blaubarts illustrierte. Lichteffekte taten ihr übriges. Salonen bezog auch hier Mittel des Raumklangs mit ein: die verstärkenden Blechbläser („Bühnenmusik“) beim Öffnen der 5. Türe (einer der dynamischer Höhepunkte des Werkes) klangen von den Rängen vorne im Konzerthaus, zu beiden Seiten des Orchesters.

Überwältigende dynamische Bandbreite und dramaturgische Gestaltung
Die technischen Möglichkeiten mit Neuen Medien im digitalen Zeitalter bezieht Salonen gerne in seine Projekte mit ein und hält, weil die Organisatoren dies unterstützen und es hier realisierbar ist, das Konzerthaus Dortmund für eines der innovativsten überhaupt. Mich hat diese Aufführung einschließlich Video und Licht sehr beeindruckt, allerdings geht das ganz wesentlich vor allem auf die Leistungen von Orchester und Dirigent zurück. Ich kenne alle in diesen Tagen gehörten Werke sehr gut, aber diese dynamische Bandbreite und die dramaturgische Gestaltung haben mich einfach überwältigt.

Martin Pohl, am 15. November 2011