Mexico City – Dritter Tag: Meiden Sie Fruchtsäfte!

Jeder lese, solange es für ihn kurzweilig bleibt; ansonsten hat er auch nichts verpasst im Leben.
(Sprüche und Wendungen eines alten chinesischen Meisters)

Montag, der 2. Februar 2009

Die Stadtteil-Fressmeile von Bosque de Virreyes
Die Stadtteil-Freßmeile von Bosque de Virreyes

Heute Morgen traf ich eine zukünftige Kollegin mit ihrem Freund und eine jetzige mit ihrem Mann, um im Hotel Majestic hoch über dem Zócalo zu frühstücken – berühmt in Winterberg für seinen schmackhaften und bekömmlichen Orangensaft – bei Nachfragen oder Nebenwirkungen lesen Sie bitte die Packungsbeilage. Klug aus Erfahrung geworden, mied ich die Fruchtsäfte.

Die riesige Fahne wehte im Winde, die Kathedrale ist nicht mehr windschief – nicht mehr schief? Nein, an ihr hat die moderne Technik wahre Wunder gewirkt, andre würden sagen, hat sie verhunzt. Dafür wirkt jetzt ihr rechtes Seitenschiff schief. Jedenfalls begegnete mir die Beziehung des Mexikaners zum Tod hier zum ersten Mal. Gumano, der Mann meiner Kollegin, ist Mexikaner und gab zum mexikanischen Humor eine Anekdote zum großen Erdbeben 1985 zum besten. Wegen des Erdbebens war eine Tankstelle nahe der U-Bahnstation Indias verdes, Grüne Indianer, explodiert, wodurch viele Familien starben – ein Tragödie.

Schon zwei Tage später kursierte in der Presse als allgemein akzeptierter Witz, dass die U-Bahnstation in Pieles rojos, Rothäute, umbenannt werden müsse. Schwarzer Humor scheint keine englische Angelegenheit zu sein.

Just am Abend versuchte ich im Haus der Herbergsmutter in Gegenwart der mexikanischen Haushälterin zu telefonieren, währenddessen die Hausherrin von der Galerie oben in die Diele, wo ich telefonierte, herabfragte, ob sich jemand meldete, was nicht der Fall war. Der Haushherrin vermeldete die Angestellte, dass niemand abhöbe, mir flüsterte sie in Bezug auf den vergeblich Angerufenen zu, er sei vielleicht tot und kicherte mir heimlich zu.

Auch eine Art Humor: Anscheinend sanktioniert der mit dem Tod in Verbindung stehende Humor die Taktlosigkeit und die Gefahr für die Haushälterin, man könnte statt der gelungenen Subversion der Frechheit eine Geschmacklosigkeit in ihrem Witz sehen, denn für eine Zotigkeit ist das soziale Gefälle zwischen Hausangestellter und Gast der Pension zu groß, der Rahmen zu formal, um so zu scherzen.

Das Centro Histórico weiß durch monumentale urbane Ansichten zu beeindrucken. Im Palacio Nacional sah ich übrigens wieder die überaus beeindruckenden Murallas Diego Riveras und enträtselte mit meinen Begleitern Details der Abbildungen aus dem Leben der Azteken.

Danach durchfuhren wir, nachdem wir die Paseo de la Reforma hinuntergeglitten waren, Polanco, wo ich wahrscheinlich in einem Quartier für ein Jahr absteigen werde.

Eines der Häuser, die ich des Nachmittags mit Janine, der zukünftigen Kollegin, Rico, ihrem Freund, und Karin, der Maklerin, des Nachmittags besichtigte, beherbergte im 10. Stock eine Penthouse-Wohnung, wo man gut und gerne seine Großmannssucht ausleben könnte: Ein imposantes Stadtbild eröffnete sich panoramahaft. In der Ferne, vielleicht 10km entfernt, erhob sich der Torre latinoamericana, davor und dahinter in der Anzahl wie Kleckse auf einem pointillistischem Gemälde Hochhäuser über Hochhäuser. Zum Greifen nah flogen die Flugzeuge in ihrer Wendeschleife über die Stadt am Wohnzimmerfenster vorbei.

Weit geschwungen vom Norden her holen die Flieger gen Süden aus, um im Süden der Stadt die Kehre zu fliegen, damit sie im Nordosten den Stadtflughafen ansteuern können. Auch wenn die Flugzeuge von Süden kommen, müssen sie wohl diese Schleife mit dem Wind kreuzen, denn von Nordwesten bläst der Wind in den Südosten und in einer Schleife dann nach Norden.

Die Kontamination mit Lärmsmog kann den Chilangos, uns nach México D.F. Zugezogenen, und auch den Defeños, den originalen D.F.s, die Spur der Luftverschmutzung aus den Industrievierteln des nördlichen Speckgürtels in die Stadt anzeigen – eine vorausschauende Stadtplanung, wie sie der laterinamerikanischen Mentalität bekanntermaßen so sehr eignet, wie man sie so oder so auch erwartet hätte!

Teil 4 erscheint Samstag um 17 Uhr.