Lieber Jakob Augstein: Könnten Sie mir diesen Absatz erklären?

Heute steckte rechtzeitig vor Fronleichnam der „Freitag“ in unserem Briefkasten. Die Zeitung ist mit den letzen Ausgaben besser geworden. Woran ich das merke? Ich habe den Freitag mit aufs Sofa genommen und mehrere Artikel vor dem Einschlummern mit Interesse gelesen 😉  Die Zeitschrift ist insgesamt politischer geworden und das postmoderne WischiWaschi ist klareren Konturen und Analysen gewichen. Dazu in einem späteren noch zu schreibenden Beitrag, denn eigentlich ging es mir um Folgendes:

Vor dem „Freitag“ war die „Frankfurter Rundschau“ dran. Dort ist heute ein Interview mit Jakob Augstein, dem Herausgeber des „Freitag“ erschienen. Im Gespräch mit Jakob Buhre, Felix Kubach äußert Augstein viele interessante Gedanken zur Entwicklung der Medien in Deutschland und zum Profil seiner Zeitung.

An zwei Absätzen bin ich etwas länger hängen geblieben:

Ich glaube, dass ich über das, was tatsächlich in der Gesellschaft los ist, aus der Bild mehr erfahre als aus der Süddeutschen. Dort erfahre ich vielleicht etwas über Parteien und Verbände, aber in der Bild lese ich dafür etwas über das Arbeitsleben der Leute oder über merkwürdige Beziehungssituationen.

Gut! Habe ich gedacht. Da versucht einer aus der Selbstreferentialität des Medienzirkus auszubrechen. Bei der Hyper-Welle um die faule EU-Abgeordnete Koch-Mehrin habe ich das Gleiche getan und geschaut, was von der Empörung der Bildungsbürger beim Blatt der gemeinen Gefühle übrigbleibt.

Meine eigene Frage an die Bild-Zeitung war: An welche niederen Instinkte appelliert die Bild, um dann wiederum die Meinung ihre Leserschaft in eine bestimmte Richtung zu manipulieren?

Verstärkt die Bild oder steuert sie gegen.

Nun- bei Koch-Mehrin hat sie ganz klar gegen gesteuert und die Frau aus der Schusslinie bugsiert.

Die Bild-Zeitung ist nicht der Boulevard, auf dem sich der Bildungsbürger in Ruhe den Zustand der un- und halbgebildeten Menge in Ruhe anschauen kann. Der Boulevard der Bildzeitung ist im Vexierspiegel der Manipulationen längst nicht das Abbild eines realen Boulevards. Wer dem Volk auf’s Maul schauen will, muss zu den Menschen selbst, zu denen, die man anfassen kann.

Das Interview schließt mit den folgenden zwei Sätzen von Augstein:

Oh Gott, bitte gib uns noch ein bisschen Zeit und lass die Zeitungen nicht so schnell sterben, weil sonst das Feld brach liegt. Wenn Don Alphonso und Sascha Lobo diejenigen sind, die diese Lücke in Zukunft ausfüllen sollen, dann kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch!

Diesen kleinen Absatz hätte ich gerne mit etwas mehr Inhalt erklärt. Ist mein Ironie-Meter kaputt? Spüre ich Sarkasmus oder ist alles ganz anders gemeint? Was bedeuten Ihnen diese beiden genannten Herren, Herr Augstein? Wofür stehen sie?

5 Gedanken zu „Lieber Jakob Augstein: Könnten Sie mir diesen Absatz erklären?“

  1. da ist ganz offensichtlich ihr „ironie-meter“ kaputt, herr zoom 😉

    aber mit ironie tun wir uns ja alle gemeinhin etwas schwer in der veröffentlichten (ernsthaftig)…keit

  2. Lieber zoom,
    klar, beantworte ich gerne.
    Ich will ja nicht verhehlen, dass ich in der Netzwelt neu bin. Seit einem dreiviertel Jahr befasse ich mich damit ernsthaft. Vorher als normaler Nutzer. Jetzt als ersnthaft, geradezu existenziell, Interessierter. Meine Beobachtung: Zu wenig Professionalität. Klar. Geht ja auch nicht anders. Viel Selbstreferenzialität. Viel Eigenbrötlerei. Manchmal ein unrealistischer Blick auf die Machtverhältnisse im Land in den Medien.
    Ich glaube, das Netz wird den Journalismus bereichern und verändern. Aber er wird dennoch Journalismus bleiben – und das brauchen wir auch. Das mit der 4. Gewalt ist ja keine Kleinigkeit. Und dass die Presse im Grundgesetz erwähnt wird auch nicht. Ich glaube, wir brauchen Institutionen im Netz, die Glaubwürdigkeit und Professinalität gewährleisten. Einzelfiguren können das nur in Ausnahmefällen gewährleisten. Solche Instutitionen können aus der analogen Welt stammen (Spiegel.de) aber sie müssen eben auch im Netz entstehen. Und daran hapert es im Moment noch.
    Wenn der Strukturwandel der Medien voranschreitet – und das wird er – dann wird die Netzkultur erwachsen werden müssen, um der Verantwortung gerecht zu werden.
    Viele Grüße,
    Ihr JA

  3. @klara: ist sehr wahrscheinlich heile 😉

    @Jakob Augstein: Vielen Dank für Ihre rasche Reaktion 🙂

    Das Wichtigste zuerst – Sie haben meine Fragen am Schluss nicht beantwortet ;->

    Dann versuche ich mich jetzt an Ihren letzten Bemerkungen im FR-interview. Niemand braucht Angst zu haben, dass die Zeitungen von heute auf morgen sterben und selbst, wenn sie es täten, würden weder Sascha Lobo noch Don Alphonso die Lücke ausfüllen. Ersterer ist meiner Meinung nach schon heute Geschichte und der Zweite ist ein guter Feuilletonist, der längst bei der FAZ seine Lücke gefunden hat. In der blogbar wirft er der Gemeinde ab und zu einen Brocken hin und löst Diskussionen aus, die man mögen kann oder auch nicht.

    Den letzen Absatz Ihres Interviews in der Frankfurter Rundschau werden nur Eingeweihte verstehen. Daher wäre es von Seiten der FR-Redaktion nötig gewesen, den Hintergrund zu liefern. So hängt der Sarkasmus(?) in der Luft.
    Zur 4. Gewalt:
    Die Presse / der Journalismus ist ja keineswegs als „Vierte Gewalt“ im GG verankert. Der Begriff ist informell; und wenn ich mir beispielsweise hier in NRW die Entwicklung der „Pressevielfalt“ anschaue und dazu die Qualität des Lokaljournalismus, die mitnichten unabhängig ist, empfinde ich ihn als Anmaßung.

    Zum Verhältnis „Blogosphäre“/Netz – Journalismus: Ein Teil der „Blogosphäre“ genügt journalistischen Ansprüchen, aber die anderen Teile wollen vielleicht auch gar nicht „Journalisten“ sein. Die wollen einfach nur „bloggen“ 😉

    Wenn sich die Medienlandschaft verändert, werden die ausgebildeten Journalisten selbstverständlich weiterhin schreiben, obwohl ihre Artikel nicht mehr auf Papier gedruckt werden.

    Die „Einzelfiguren“, von denen Sie sprechen, arbeiten, wenn sie gut sind, oft schon unter dem Dach eines Verlags: FAZ, Handelsblatt, Freitag 😉

    BTW: Warum haben Sie „weissgarnix“ nicht im Print? Eine Portion „Thomas Strobl und Frank Lübberding“ passt unbedingt zur Identität des Freitag.

    Mit freundlichen Grüßen
    Hannes Schiebener(zoom)

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