Klima- und naturschutzgerechter Waldumbau müssen angesichts zunehmender Witterungsextreme oberste Priorität haben

„Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß sich die Wälder von selbst stabilisieren können.“

Die prekäre Lage der Wälder, bezeichnenderweise muß man ja von Forsten sprechen, hat tiefer liegende Ursachen: Eine Überfrachtung der Wälder mit Schadstoffen aus den Bereichen Verkehr und Landwirtschaft, Überdüngung, auch durch Stickstoffverbindungen ( z. B. Ammoniak), weiterhin Monokulturen und Trophäenjagd.

(Der Beitrag von Karl Josef Knoppik ist auch als Leserbrief an den Sauerlandkurier versandt worden.)

Einem ganzen Cocktail von Umwelteinflüssen ist unsere „grüne Lunge“ ausgesetzt. Man macht es sich aber zu einfach, die Schäden bzw. Ausfallerscheinungen in unseren Wäldern allein dem Klimawandel zuzuschreiben. Dessen Auswirkungen sind infolge der genannten massiven Eingriffe (direkt oder indirekt) natürlich umso schlimmer.

Nun rächt sich eine über Jahre und Jahrzehnte hinweg praktizierte naturwidrige Waldbehandlung durch eine am Renditedenken orientierte Forstwirtschaft.

Zwar sind auch Schäden in Laubholzbeständen zu beklagen. Diese sind jedoch darauf zurückzuführen, daß auch solche Wälder mit ihrer einheitlichen, undifferenzierten Struktur, etwa monokulturelle Eichenplantagen, häufig nicht als naturnah oder gar naturgemäß anzusprechen sind. Dadurch wird es „Schädlingen“, wie z. B. dem Schwammspinner, enorm erleichtert, sich explosionsartig auszubreiten.

Ökologisch intakte, natürlichen Prinzipien entsprechende Eichenwälder, vergesellschaftet mit Hainbuchen im Unterstand, die den Boden beschatten, entziehen den „Schädlingen von morgen“ ihre Lebensmöglichkeiten. Unentbehrlich sind auch Begleitbaumarten, wie Birke, Espe, Salweide oder Vogelbeere.

Als erstes müssen naturferne Fichten- und Kiefernforste unverzüglich in naturnahe Laubmischwälder umgewandelt werden. „Vorhandene Erfolge wie in den Wäldern um Berlin, dem brandenburgischen Stadtwald Treuenbrietzen oder dem Nürnberger Stadtwald zeigen lt. BUND, daß solche Waldumbaumaßnahmen die Waldbrandgefahr verringern.“ Damit der Umbau gelingt, sind die Schalenwildpopulationen (Reh- und Rotwild) auf ein für die Verjüngung des Waldes erforderliches Maß zu reduzieren.

Nadelbäume sollten nur noch in Beimischung oder gruppenweise angepflanzt werden, wobei die schattentolerante Weißtanne, die im Vergleich zur Fichte Wetterextremen, wie Stürmen, Trockenheit und Hitze weitaus mehr entgegenzusetzen hat, besonders zu fördern ist.

Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß sich die Wälder von selbst stabilisieren können. Deshalb heißt das Gebot der Stunde: Ökologisch verträgliche Bewirtschaftung. Sie ist auch deshalb nötig, weil so mehr Feuchtigkeit im Wald verbleiben kann. Entwässerungen müssen ab sofort tabu sein. Dichtes Unterholz schützt den Waldboden vor dem Austrocknen.

Ein Wald kann nur dann viel Wasser speichern, wenn tief wurzelnde Bäume und Bodenlebewesen ein weit verzweigtes Hohlraumsystem schaffen, das dem Waldboden die Eigenschaften eines Schwamms verleiht. Er kann Wasser aufsaugen und gefiltert wieder abgeben.

Außerdem muß der bei der Holzernte viel rücksichtsvoller vorgegangen werden. Insbesondere große Erntemaschinen, wie Harvester, welche den empfindlichen Waldböden enorm zusetzen und zu Verdichtungserscheinungen führen, die das Bodenleben verarmen lassen und eine Infiltration des Waldbodens verhindern, dürfen nicht mehr zum Einsatz kommen. Im Interesse einer bodenschonenden Bewirtschaftung, die angesichts der dramatischen Situation in unseren Wäldern dringend erforderlich ist, sollten in verstärktem Maße auch so genannte Rückepferde diese Aufgabe übernehmen. Eine entsprechende finanzielle Förderung durch die Länder ist unabdingbar.

Parallel dazu ist auch mehr qualifiziertes Personal bereitzustellen, was allerdings voraussetzt, daß die infolge der Zusammenlegung bzw. Ausweitung der Forstreviere entstanden ineffizienten Strukturen rückgängig gemacht und wieder in kleinere, überschaubare Einheiten überführt werden.

Von der Forst- und Holzlobby wird quasi als Wunderwaffe gegen die zunehmenden Witterungsextreme die Einbringung exotischer, vermeintlich klimaresistenter Baumarten (Douglasie, Roteiche, Schwarzkiefer usw.) angepriesen. Das wäre aber aus Naturschutzgründen nicht zu verantworten und würde der ohnehin stark gefährdeten Biodiversität in unseren Wäldern endgültig den Garaus machen.

Karl Josef Knoppik, Meschede

11 Gedanken zu „Klima- und naturschutzgerechter Waldumbau müssen angesichts zunehmender Witterungsextreme oberste Priorität haben“

  1. So – habe den Artikel noch einmal „nach oben“ geholt. Das Thema ist immer noch hochaktuell.

    Vor ein paar Wochen bin ich im Marsberger Raum gewesen. Sämtliche Fichten waren braun. Ich habe keine(!) grüne Fichte gesehen.

    Hier oben im hohen Hochsauerland sieht es noch nicht so schlimm aus, aber mit dem Klimawandel soll der Borkenkäfer auch in Höhen über 500 m vermehrt auftreten. Dann ginge es auch der Fichte rund um Winterberg an den Kragen.

    Heute Abend um 20 Uhr im Stadtgespräch auf WDR 5:

    https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/stadtgespraech/klimawandel-waldsterben-100.html

    „Sturm, Dürre, Borkenkäfer – Waldsterben 2.0

    Die Lage ist dramatisch, noch nie ging es unserem Wald so schlecht. Darin sind sich Förster, Wissenschaftler und auch die Politik einig und schlagen Alarm. Doch was ist zu tun? Da gehen die Meinungen auseinander.

    Agrarministerin Julia Klöckner will ein Aufforstungsprogramm mit vielen Millionen Bäumen. Die Waldbesitzer fordern viel Geld, um das Schadholz schnell aus dem Wald holen und neue Bäume pflanzen zu können. Auch Wissenschaftler schlagen vor, gezielt aufzuforsten. Sie empfehlen Baumarten, die mit dem Klimawandel besser klar kommen sollen. Die nordamerikanische Küstentanne oder die Douglasie könnten die Fichte, den „Brotbaum“ der deutschen Forstwirtschaft, ersetzen.

    In großem Stil neue Bäume anzupflanzen, davon halten viele andere Forstwissenschaftler und Naturschützer nichts. Sie sind überzeugt, dass der Wald sich von selbst an die neuen Bedingungen anpassen kann. Das Schadholz sollte im Wald bleiben. Dadurch werde ein schnelles Austrocknen des Waldbodens verhindert und es entstehe Biomasse, von der die nächsten Baumgenerationen leben könnten. Auf diese Weise entstehe ein Wald mit Artenvielfalt, der Stürme und Dürre besser aushalte.

    Ist das, was sich in unseren Wäldern abspielt, erst der Anfang? Können die Wälder weiter als Holzlieferant dienen wie bisher? Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

    Darüber wollen wir mit Ihnen und folgenden Gästen diskutieren:

    Prof. Christian Ammer (Forstexperte, Uni Göttingen)
    Heinrich Bottermann (Staatssekretär Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft, NRW)
    Ferdinand Funke (Vorstand Waldbauernverband NRW)
    Heinz Kowalski (Waldpolitischer Sprecher des NABU)“

  2. @gp

    Bei uns ist Schluss mit „Weihnachtsbaum“. Wir schmücken den Ficus und geben die 30 Euro + Spende an die FW wg Entsorgung anders aus.

    1. Bei uns ist schon seit gut 15 Jahren Schluss mit der Nadelei. Seitdem ich von der „PfD-Düngung“ weiß, kommt mir kein noch so armes T-Bäumchen mehr in die Bude.

        1. Danke für den Lesetipp!
          Selbstverständlich meinte ich mit dem „Dünger“ den sogenannten Bodenhilfsstoff „PfT“ (perfluorierte Tenside), nicht „PfD“.

  3. Forstwirtschaftler, Holzvermarkter und ihnen nahestehende Wissenschaftler favorisieren für einen klimagerechten Wald die Einbringung exotischer Baumarten. Genannt werden vor allem nordamerikanische Douglasie, die Küsten- oder Riesentanne, oder die Roteiche, ebenfalls in den USA zu Hause. Würde man heimische Baumarten, etwa unsere Fichte, welche infolge des rasant fortschreitenden Klimawandels bundesweit immer mehr an Boden verliert, auf größerer Fläche durch fremdländische Baumarten ersetzen, hätte das gefährliche Konsequenzen für unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt. Am Beispiel der Douglasie läßt sich sehr gut belegen, wie problematisch das Einbringen von Exoten in unsere Waldökosysteme sein kann. Die D. gedeiht optimal auf bodensauren, lichten und trockenwarem Standorten. Diese sind zwar forstwirtschaftlich von geringer Bedeutung, zeichnen sich aber durch einen hohen naturschutzfachlichen Wert aus. Lt. Bundesamt für Naturschutz verjüngt sich die Douglasie im Vergleich zu den anderen heimischen Baumarten natürlich und dunkelt die oft hochspezialisierten Tier- und Pflanzenarten aus. Dies ist der auf diesen Standorten höheren Konkurrenzkraft der D. geschuldet, die dazu führt, daß indigene Pflanzen und darauf angewiesene Tierarten in ihrer Anpassungsfähigkeit schlichtweg überfordert sind. Ganze Lebensgemeinschaften ändern sich. Aber nicht nur Pflanzen- und Tierarten wären betroffen, auch die so genannten Mykhorrhiza-Pilze im Waldboden, die mit bestimmten einheimischen Baumarten eine Symbiose zum gegenseitigen Nutzen bilden. Diese Pilze liefern der jeweiligen Baumart Nährsalze und Wasser und erhalten als Gegenleistung von „ihrem“ Baum Kohlehydrate (Zucker). Ca. 80 Prozent der höheren Pflanzen sind auf Mykorrhiza-Pilze angewiesen. Ohne sie wäre die Wasserversorgung der (grünen) Pflanzen nicht vollständig gesichert.
    Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN) warnt denn auch vor solch unüberlegten Schritten und sagt in aller Deutlichkeit, daß gebietsfremde Baumarten so restriktiv wie möglich und nur nach einer umfassenden ökologischen Risikobewertung angepflanzt werden sollten. Über die ökologischen Auswirkungen von fremdländischen Baumarten ist zu wenig bekannt. Regionale Herkünfte und heimische Arten müssen absoluten Vorrang haben.
    Ich persönlich lehne in Übereinstimmung mit Umweltschutzorganisationen und ökologisch orientierten Wissenschaftlern den Einsatz von Exoten in unseren Wäldern kategorisch ab. Der klima- und zugleich naturschutzgerechte Wald von morgen muß aus heimischen bzw. standortgemäßen Laubhölzern bestehen, dem ein geringerer Anteil an Nadelbäumen beigemischt ist. Außerdem speichern Laubwälder das Wasser besser!
    Des weiteren benötigen wir viel mehr sich selbst überlassene, aus der Nutzung genommene Waldareale, die groß genug sind, um der zunehmenden Bedeutung für Arten-, Klima- und Biodiversitätsschutz gerecht zu werden. Auf solchen Referenzflächen kann die Natur nämlich allein darüber bestimmen, welche Baumarten unter dem Einfluss des Klimawandels am besten gedeihen. Waldökosysteme können sich also ohne Intervention des Menschen an die neuen Bedingungen anpassen.

    1. @Knoppik, Karl Josef

      Das leuchtet mir ein.
      Also sollten Waldbesitzer und Förster besser auf Sukzession setzen.

      1. Ich erlaube mir zu diesem Thema auf meinen Artikel vom 9. Juni 2017 hinzuweisen: „Der deutsche Wald – ökonomische Nutzung und ökologische Nachhaltigkeit (Teil 1).

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