In Memoriam Heinar Kipphardt

Heinar Kipphardt – *08.03.1922 · †18.11.1982

Heinrich „Heinar“ Mauritius Kipphardt war ein deutscher Schriftsteller und bedeutender Vertreter des Dokumentartheaters. Die größte Bekanntheit erlangten seine zeitkritischen Schauspiele In der Sache J. Robert Oppenheimer und Bruder Eichmann.
(Quelle: Wikipedia)

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=gpzPt1Y7dhU

Die Zeit | 26.11.1982 / Aktualisiert 21.11.2012

Zum Tod von Heinar Kipphardt: Lehrer ohne Lehre

(…) Heinar Kipphardt, 1922 in Schlesien geboren, war Doktor der Medizin, arbeitete als Psychiater an der Ost-Berliner Charite, war dann acht Jahre lang Dramaturg an Wolfgang Langhoffs Deutschem Theater.

Seine frühen Stücke („Shakespeare dringend gesucht“, „Der Aufstieg des Alois Piontek“, „Die Stühle des Herrn Szmil“) sind heute fast schon unbekannt. 1959 wurde Kipphardt (immerhin Nationalpreisträger III. Klasse) aus dem Dramaturgenamt entfernt – wegen „revisionistischer“ Aktivitäten, die so weit gingen, daß er es tatsächlich wagte, westliche Autoren gelegentlich für interessanter zu halten als die Recken des Sozialistischen Realismus.

Zwölf Jahre später war er wieder Dramaturg, diesmal in München, im „freien Teil Deutschlands“ also, und wurde prompt wieder entlassen – wegen staatsfeindlicher Aktivitäten.

Das Ganze war eine Farce, mit allerdings sehr realem Ausgang: Für eine Aufführung von Wolf Biermanns Märchen „Der Dra-Dra“ sollten auf zwei Programmheft-Seiten prominente Deutsche als „Drachenbrut“ abgebildet werden, unter ihnen auch Münchens damaliger Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel.

Vielleicht war es ja keine so besonders tolle Idee, sie war auch nicht (was heute niemand mehr weiß) von Kipphardt, sondern von einem anderen Dramaturgen der Kammerspiele. Die beiden Seiten sind auch nie erschienen – trotzdem wurden sie das Ende von Kipphardts Münchner Theaterkarriere.

Am erfolgreichen Abschuß beteiligt: ein charakterschwacher Intendant (August Everding), ein schwatzhafter Schriftsteller (Günter Grass ***) und ein in dieser Situation auch nicht gerade überragend intelligenter Hans-Jochen Vogel, der allen Ernstes zum besten gab: „Es ist der Stadt nicht zuzumuten, einen Mann zu beschäftigen, der zur Ermordung des Oberbürgermeisters auffordert.“

( … )

Schon heute (1982 ?!) spürt man, wie sehr Kipphardt fehlen wird. Aus den Fernsehapparaten dröhnen nun allabendlich die neuen, die alt-deutschen Wörter, Freundschaft und Partnerschaft, Sicherheit und (auch das schon wieder beinahe täglich) Vaterland.

In einer solchen Zeit des unaufhörlichen, sprachlosen Geredes denkt man nun mit Trauer an Heinar Kipphardt, an sein langsam arbeitendes Reden, sein kluges Schweigen.

» Sven Hanuschek, „Einbeiniges Prinzip Hoffnung – Über Heinar Kipphardts Werk heute“ (PDF-Datei) | Rede zur Gründungsversammlung der „Internationalen Heinar Kipphardt-Gesellschaft“, Krefeld, 20.09.2008

» Dramatisch zweigeteilt – Heinar Kipphardt, der vergessene Chronist
DLF Kultur, 13.11.2012 | Manuskript der Sendung als PDF-Datei abrufbar
*** Grass-Zitate auf Seite 18