Grüne und Piraten – ein offener Brief aus Schleswig-Holstein an Steffi Lemke

Offener Brief

Liebe Steffi Lemke,

ich habe Deinen Kommentar zum Schritt von Anke Domscheit-Berg in die Piratenpartei zu gehen gelesen, der wie folgt lautet:

„Ich bin davon überzeugt, dass man mit uns Grünen wirklich etwas bewegen und verändern kann. Und wir brauchen Mitglieder, die auch für Bewegung bei uns Grünen sorgen“,

Ja nun, wie soll das denn geschehen?

Als Grüne Themen werden in der Öffentlichkeit wahrgenommen: Erneuerbare Energien, Frauenpolitik, ein wenig Bildungspolitik und ökologischer Landbau.

Ich kommentiere nur das erste Thema, die erneuerbaren Energien.

Was bewirken diese? Einen Schwenk in der ökologischen Frage, weg von der Atomkraft. So weit, so gut. Dass die Solarplatten und selbst die Windräder später einmal in der Entsorgung Probleme bereiten werden, will ich nur am Rande erwähnen.

Das Problem liegt ganz woanders. Europa hängt am Tropf. Wirtschaftlich, aber besonders und viel zu wenig diskutiert, kulturell.

Die erneuerbaren Energien bewirken das, was wir eigentlich brauchen, nicht: einen Wechsel hin zu einer weltweiten solidarische Wirtschaftsform und einer neuen Sozialordnung, die die Schere zwischen Arm und Reich in einem gewaltigen Kraftakt wieder schließt. Wenn es sozial auch nur noch eine Weile so weitergeht wie bisher, dann brennen bald in Europa die Städte.

So wie die erneuerbaren Energien gegenwärtig wirtschaftlich und sozial gehandhabt werden, STÜTZEN sie das derzeitige Wirtschaftssystem, statt es zu verändern.

Wir brauchen eine weltweite solidarische Wirtschaftsordnung. Wir brauchen ein Sozialsystem jenseits von Hartz IV.

Die Parteien, die den Weg dorthin nicht finden, werden bald hinweggefegt.

Wir brauchen nach Jahrzehnten der weltweiten Rationalisierungsprozesse eine Teil-Abkehr von der Erwerbsarbeit als einziger Einkommensquelle.

Wie unglaublich absurd: Die CDU und die SPD bezeichnen sich in Schleswig-Holstein als zu den Gewinnern gehörig. Mit läppischen 30 %.

Und die Grünen? Auch sie gehören zu den „Gewinnern“, obgleich sie 30 000 Stimmen weniger erhalten haben, als bei den letzten Wahlen. Claudia Roth nennt das „beispielhaft“.

„Bewegung bei den Grünen“. Klar. Nur meinen die meisten Grünen offenbar wir bewegen uns doch… Dabei macht es allein Bewegung ja noch nicht. Es kommt auch darauf an, in welche Richtung.

Und gerade die grüne Sozialpolitik, die mir sehr am Herzen liegt, wird in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Im Gegenteil: ich habe als Direktkandidat in SH Wahlkampf gemacht.

Nicht ein einziger Mensch am Stand hat mich als Grüner um eine Auskunft zur Sozialpolitik gebeten. In diesem Fall gehe ich mal davon aus, dass es nicht an mir gelegen hat, denn ich habe den Spieß einfach umgedreht: ich habe die Leute gefragt. Und was da herauskam, war desaströs.

So lange „Ihr da oben“ immer noch kein klares Bekenntnis darüber ablegt, dass Hartz IV ein Fehler war (oder ist es selbst dazu schon zu spät?), können wir uns „hier unten “ „bewegen“ wie wir wollen. Sozialpolitisch nimmt uns niemand ernst.

Und wenn ich die gesellschaftliche Problemlage anschaue und hinzunehme, wie sehr auch die Staatsverschuldung bis in die Kommunen hinein mit der Sozialpolitik und deren osten verknotet ist, dann geht mir bei der Ideenlosigkeit und der sozialen Ignoranz etlicher Führungskräfte meiner Partei die Galle über.

Ich weiß, dass ich mit solchen Statements in der Grünen Partei nichts „werde“. Aber das macht nichts. Ich müsste schwer nachdenken, wenn es anders wäre.

Und wieso merkt eigentlich kaum jemand, dass wenn die Piraten so schlecht sind, wie wir sie im Wahlkamof teilweise bezeichnet haben, wir dann nicht über 20 % bekommen haben?

Wenn auch die CDU und die SPD bei 30% dümpeln und wir hier in SH ein gutes mageres Prozentpünktchen hinzugewonnen haben? Liegt das dann wirklich an den Piraten, an der CDU, SPD, FDP? Oder sind gar die WählerInnen schuld?

Ich fürchte nur, dass es bei den GRÜNEN zu wenige gibt, die noch ein echtes soziales Bewusstsein haben und es lieber so haltent, wie eine grüne Amtsinhaberin kürzlich: in einer Europarede meinte sie, nachdem ihr jemand geraten hatte, doch was zu Billiglöhnen und Zeitarbeit zu sagen: das muss nicht sein, das ist in anderen Ländern(!) doch noch viel schlimmer.

Bewegen? Ja gerne. Doch in manchen Gruppen ist es so: nur wer sich nicht bewegt, kommt nach oben. Und wie ist es (nicht: wie war es!) bei uns Grünen?

Den Sozialkongress mitten in die Sommerferien zu legen, wer immer das auch war, finde ich schon fast einen genialen Schachzug.

Gruß aus Schleswig-Holstein!

Arfst Wagner (KV Schleswig-Flensburg)

2 Gedanken zu „Grüne und Piraten – ein offener Brief aus Schleswig-Holstein an Steffi Lemke“

  1. Über die “Piraten” könnte man sagen, dass sie das können, was die anderen politischen Parteien auch können, nämlich gar nichts. Für die “Finanzkrise” (korrekt: beginnende globale Liquiditätsfalle nach J. M. Keynes, klassisch: Armageddon) gibt es keine wie auch immer geartete “politische Lösung”, weil der Krieg – zwecks umfassender Sachkapitalzerstörung, um den Zinsfuß hochzuhalten – nur solange der Vater aller Dinge sein konnte, wie es noch keine Atomwaffen gab!

    Es gibt nur genau eine technische Lösung, die wiederum das, was heute als “hohe Politik” bezeichnet wird, überflüssig macht:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2011/07/was-passiert-wenn-nichts-passiert.html

Kommentare sind geschlossen.