Falken HSK: Kundgebung „Jugend braucht Freiräume“ in Brilon

Brilon. (falken_hsk) Am Samstag, dem 27. Mai, fand zwischen 14 und 18 Uhr in Brilon eine Kundgebung von Jugendlichen statt, die von den Falken HSK unterstützt wurde.

(Der Artikel ist zuerst auf der Website der Falken HSK erschienen.)

Die jungen Brilonerinnen und  Briloner setzen sich gegen sexistische und fremdenfeindliche Diskriminierung ein, wenden sich gegen Polizeimaßnahmen, die ihnen ungerechtfertigt erscheinen, vor allem aber wünschen sie sich in Brilon einen eigenen Jugendraum.

Kundgebung auf dem Marktplatz in Brilon. (foto: falken)

Mit der Kundgebung suchten die Jugendlichen den Dialog mit der Öffentlichkeit. In Gesprächen mit Erwachsenen und weiteren Jugendlichen fanden sie viel Verständnis für ihre Lage – und auch den einen oder anderen Vorschlag, der jetzt geprüft wird. Auch Bürgermeister Christoph Bartsch schaute vorbei und sagte der Gruppe Unterstützung zu, wenn er eine Möglichkeit fände.

Die Redebeiträge
(Die Texte der jugendlichen Sprecherinnen und Sprecher liegen noch nicht als Dateien vor.)

Räume
(M. Hermes)

Liebe Brilonerinnen und Briloner,
liebe Freundinnen und Freunde,

die Gruppe junger Menschen, die sich heute hier trifft, sucht einen Jugendraum, den sie selber gestalten können, der ihnen immer zur Verfügung steht und worin sie selber Verantwortung übernehmen können.

Ich bin Michael Hermes, ehrenamtlicher Vorsitzender des Jugendverbandes Die Falken Hochsauerlandkreis. Als anerkannter freier Träger der Jugendhilfe ist es unsere Aufgabe, Jugendliche zu unterstützen, die sich um Räume und gesellschaftliche Teilhabe bemühen.

In Meschede, wo wir die meisten Mitglieder haben, haben wir 1976 ebenfalls auf der Straße angefangen. Man konnte oder wollte uns zunächst auch dort keine Räume geben. Die Stadt Meschede (oder der Hochsauerlandkreis) hat dann aber eine – wie ich finde – sehr kluge Entscheidung getroffen: Es gab ein altes Schulgebäude und danach ein altes Behördenhaus im öffentlichen Eigentum, die später abgerissen werden sollten. Wir Falken und andere Gruppen konnten sie so lange noch kostenlos nutzen. Unsere Kinder- und Jugendgruppen und viele andere Initiativen haben sich darin getroffen und gesellschaftlich nützliche Arbeit geleistet.

Als wir nach zehn Jahren (und nachdem die Häuser abgerissen waren) immer noch da waren und immer noch laut „hier!“ gerufen haben, haben wir schließlich die ehemalige Fabrik Wiebelhaus in Meschede bekommen, die von der Stadt Meschede erworben und zum Initiativenhaus ausgebaut wurde. Darin sind wir bis heute.

Vielen Generationen von Jugendlichen, die sich von den bestehenden Angeboten der Jugendarbeit nicht angesprochen fühlten, und für die es sonst nur noch kommerzielle Spielhallen und Kneipen gegeben hätte, den Bahnhof oder den Karstadtplatz, konnten wir auf diese Weise einen schönen Treffpunkt anbieten.

Einen Treffpunkt, den sie selber einrichten und gestalten und in dem sie über das Programm mitbestimmen konnten. Einen Treffpunkt, wo sie bei Schwierigkeiten Hilfe kriegen konnten. Einen Treffpunkt, in dem sie ganz frei künstlerisch aktiv sein und sich politisch bilden konnten. Einen Treffpunkt, wo sich die Engagiertesten von ihnen zu Junghelfern und Gruppenleitern ausbilden lassen, Erfahrungen mit Gremienarbeit und Vorstandsverantwortung machen konnten und bis heute können.

Wir haben uns überlegt, bevor wir uns mit ähnlichen Ideen und Forderungen nach einem Haus an die Stadt Brilon und die Fördergeber wenden, zunächst den Dialog mit der Öffentlichkeit zu suchen. Vielleicht hat ja jemand von euch, vielleicht hat jemand von Ihnen einen Raum – eine leerstehende Wohnung oder Werkstatt, eine Kneipe oder einen Keller, einen Laden oder Lagerraum -, der zu schade zum Vergammeln ist und den man sich zu einem Jugendraum ausgestalten könnte. Wenn Ihr so etwas habt oder jemanden kennt, der so etwas hat, sprecht uns einfach an – wir würden uns freuen. Vielen Dank!

 

Rechtslage
(M. Hermes)

Die offene Jugendgruppe hat viel Zuspruch für ihr Engagement und ihre Öffentlichkeitsarbeit bekommen. Es gab aber auch einzelne missgünstige Kommentare wie „Mietet euch doch einen Raum!“ Ich wurde deshalb von den Jugendlichen gebeten, doch auch auf die Rechtslage hinzuweisen, auf deren Basis wir handeln und die offenbar manchen überhaupt nicht bekannt ist. 

Und nein, diese Jugendlichen müssen NICHT ihr Taschengeld zusammenkratzen und sich einen Raum mieten. Sie haben ein RECHT auf einen selbstgestalteten und selbstverantworteten Raum.

Grundlage ist das SGB VIII, das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Darin heißt es unter § 11:

(Absatz 1) Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und sozialem Engagement anregen und hinführen.
(…)
(Absatz 3) Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören:1. außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung

Unter § 12 heißt es:
(Absatz 1) Die eigenverantwortliche Tätigkeit der Jugendverbände und Jugendgruppen ist (…) zu fördern.
(Absatz 2) In Jugendverbänden und Jugendgruppen wird Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet.

Und § 3 gebietet die Trägervielfalt, die sogenannte Pluralität in der Jugendarbeit:

(Absatz 1) Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Werteorientierungen.

Das, liebe Freundinnen und Freunde, ist nicht etwa ein Auszug aus einem utopischen Zukunftsroman; das ist heutiges, gutes, geltendes Recht. Auf dieser Grundlage arbeiten wir in unserem Jugendzentrum in Meschede seit mittlerweile 35 Jahren. Und auf dieses moderne, geltende Recht können auch junge Menschen in Brilon ihren Anspruch auf eigene Räume, auf Freiräume für die Jugend stützen.