Ehrenamt – „Viel Amt, wenig Ehr'“

ehrenamt20161003Viel Amt, wenig Ehr‘, kommt immer noch in die Köpfe – zurecht – wenn es um den Begriff Ehrenamt geht.

(Unsere Gastautorin Marita Rauchberger ist Kulturmittlerin, Galeristin und Künstlerin. Sie engagiert sich in der „Galerie Eifel Kunst“ gegen „Rechts, gegen Ausgrenzung, gegen Rassismus, gegen braunes Gedankengut und Neonazis“. Ihr Beitrag ist ein Kommentar zu unserem gestrigen Artikel „Ehrenamt-BusfahrerIn„)

Viel Amt, wenig Ehr, kommt immer noch in die Köpfe – zurecht – wenn es um den Begriff Ehrenamt geht.„Gott-sei-Dank-ManagerIn“ versuchten die Kirchen den Begriff Ehrenamt einmal schön zu reden.

Es gab auch Zeiten, da sich die Politik damit beschäftigte, ehrenamtliche Arbeit ins Steuer- und Rentenrecht einfließen zu lassen. Aber es gab zu viele Eigentore und die gute Idee verlor sich im Nirvana der Diskussionen.

„Ehrenamt“ wird gerne bei Sonntagsreden benutzt, bei Lippenbekenntnissen, es zu fördern, anzuerkennen und es attraktiv zu machen. Es ist wenig attraktiv, die meisten bringen neben ihrer freien Zeit auch noch ihr Geld mit. Auslagen werden kaum erstattet. Welche in einer Erwerbsarbeit tätigen Frauen oder Männer zahlen beispielsweise das Porto für die Briefe, die dienstlich verschickt werden? Ehrenamtliche zahlen es meist aus eigener Tasche.

Ja, ich höre jetzt schon den Aufschrei: Es gibt doch den Tag des Ehrenamtes, die Ehrenamtsauszeichnungen, die Ehrenamtskarte oder auch, was die wenigsten wissen, den Nachweis der Bundesländer über freiwillig und unentgeltlich geleistete Arbeit, der u.a. dazu dienen soll, Inhaber eines solchen Nachweises mit Priorität in einer Erwerbsarbeit einzustellen.

Urkunden kann man sich an die Wand nageln, sie bringen letztendlich nichts anderes, als das Wissen, dass andere sich mit der Arbeit brüsten und Geld einsparen, das sie für die gleiche Arbeit hätten bezahlen müssen, gäbe es das Ehrenamt nicht.

Doch, ich bin auch ehrenamtlich tätig! Weil ich glaube, dass eine Gesellschaft nicht existieren kann, ohne dass es Menschen gibt, die freiwillig und ohne Bezahlung Arbeiten verrichten. Aber Ehrenamtliche Arbeit kann und darf keine Erwerbsarbeit ersetzen oder ablösen. Das müssen sich die Verantwortlichen hinter die Ohren oder noch besser in ihren Verstand schreiben.

Es ist an der Zeit, den Arbeitsbegriff neu zu definieren. Und es ist an der Zeit, zu begreifen, dass jede Art von Arbeit wertgeschätzt werden muss. Nicht nur durch Lobreden und einen Tag im Jahr.

Da muss man eben drüber nachdenken, wie man ehrenamtliche Arbeit im Steuer- und Rentenrecht einfließen lässt. Und wie man ganz klar regelt, dass Fahrkosten und andere Auslagen auch erstattet werden.

Und jetzt soll mir niemand mit dem Totschlagargument kommen, es sei nicht zu finanzieren.

19 Gedanken zu „Ehrenamt – „Viel Amt, wenig Ehr'““

  1. statt das „ehrenamt“ zu bezahlen, wäre es doch mal erfrischend, anders rum zu denken:

    wie wärs denn damit, arbeit einfach gar nicht mehr zu bezahlen?

    der nonsense namens marktwirtschaft reicht mir persönlich jedenfalls:

    wenn ich sigmar gabriel zustimmen muss, dann ist der ökonomische weltuntergang schon vorbei, und keiner hats gemerkt:

    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/gabriel-deutsche-bank-101.html

    Gabriel attackiert Deutsche Bank

    … Die Darstellung der Bank, sie sehe sich mit ihren aktuellen Problemen als Opfer von Spekulanten, wies er zurück. „Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, dass die Bank, die das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht hat, sich jetzt zum Opfer von Spekulanten erklärt,“ sagte der SPD-Chef …

  2. Es geht gar nicht darum, dass Ehrenamt bezahlt werden soll. Es ist ganz wichtig, dass es freiwillig und unentgeltlich geleistet wird. Eine Auslagenerstattung ist ja keine Bezahlung. Da kann man die Beträge nachweisen (Porto, Fahrtkosten usw).
    Die Arbeitsbegriffe Erwerbsarbeit, Familienarbeit und ehrenamtliche Arbeit sollten schon so stehen bleiben. Sie gelten ja als die berühmten drei Säulen unserer Arbeit. Nein, ein Grundeinkommen für jeden regelt das auch nicht. Die Aussage Arbeit generell nicht mehr zu bezahlen, toppte vor einigen Jahren ein Wirtschaftsprofessor noch, indem er die These vorschlug, dass derjenige, der arbeiten will, zukünftig auch dafür bezahlen soll. Ich gebe allerdings zu, das wir auf dem besten Weg dorthin sind. Aber das passt jetzt nicht zum freiwiligen Engagement.
    Was mir besonders wichtig ist, dass keine bezahlte Stellen durch ehrenamtliche ersetzt werden.

  3. „Die Arbeitsbegriffe Erwerbsarbeit, Familienarbeit und ehrenamtliche Arbeit sollten schon so stehen bleiben. Sie gelten ja als die berühmten drei Säulen unserer Arbeit.“

    in welcher Welt? wann ist die untergegangen?

  4. Was ist „Arbeit“?

    http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17088/arbeit

    [Arbeit] ist eine spezifisch menschliche – sowohl körperliche als auch geistige – Tätigkeit, die v. a. dazu dient, die zur Existenzsicherung notwendigen Mittel zu beschaffen. Sie stellt aber auch immer eine technisch-kulturell geprägte Form der Auseinandersetzung mit der jeweiligen Umwelt dar. A. ist insofern ein gestaltender, schöpferisch produzierender und sozialer, zwischen Individuen vermittelnder Akt. A. ist von zentraler Bedeutung für die Verteilung individueller Lebenschancen, das Selbstwertgefühl und die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft.

    Eine engere, ökonomische Definition bindet den Begriff A. ausschließlich an die zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen – über Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt – vermittelte und entlohnte Erwerbs-A. Im politisch-ökonomischen Sinne ist A. der wichtigste Produktionsfaktor, der als Grundlage zur Entwicklung der Faktoren Boden, Kapital und technischer Fortschritt dient.

    Aus dieser Sicht wird auch zwischen Produktions- und Reproduktions-A. unterschieden und letztere traditionell insbesondere Frauen zugewiesen. Die Reproduktions-A. wird ausschließlich oder parallel zur Erwerbs-A. als Haus-, Familien-, Erziehungs- und Pflege-A. unentgeltlich ausgeübt. Die Unterscheidung nach selbstständiger und unselbstständiger A. zielt auf das Über- und Unterordnungsverhältnis (Weisungsbefugnis) im A.-Prozess und auf die Verantwortung für das Ergebnis der A. Die A.-Leistung selbst kann allerdings nicht von der jeweiligen Person des A.-Leistenden getrennt werden und ist erheblich von den gegebenen, durch Planung, Organisation und soziale Überlegungen beeinflussbaren A.-Bedingungen abhängig.

    Was ist ein „Ehrenamt“?

    Begriff: a) Im juristischen/verwaltungsbezogenen Kontext: unbesoldetes, meist nur gegen Aufwandentschädigung ausgeübtes öffentliches Amt, verbunden mit beamtenähnlichen Rechten und Pflichten, z.B. Amt des Schöffen, Handelsrichters, Gemeinderates etc.
    b) Im weiten gesellschaftlichen Kontext: Funktionsübernahme durch nicht hauptamtlich beschäftigte Mitglieder in den Kontroll-, Beratungs- und Entscheidungsorganen von Genossenschaften, Verbänden, Vereinen, wobei darin keine öffentliche Amtsfunktion liegt.

    zitiert nach: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/ehrenamt.html

  5. @ zoom

    ist das „wirtschaftslexikon“ eine „unabhängige quelle“?

    gibt es auch etwas, das arbeit und geld _nicht_ mit „leben“ gleichsetzt?

    zugegeben, das ist schwierig: mit wie vielen jahren lernen wir, daß es ohne Geld nicht geht? daß geld alles ist? daß geld glücklich macht? daß wer kein geld hat, nichts wert ist? …

  6. Hier bin ich nochmal. Bei mir ging in den letzten Tagen nichts mehr außer Job, sorry… Die Definition „unbesoldetes, meist nur gegen Aufwandentschädigung ausgeübtes öffentliches Amt, verbunden mit beamtenähnlichen Rechten und Pflichten, z.B. Amt des Schöffen, Handelsrichters, Gemeinderates etc.“ ist ja genau das, was in den Köpfen rumspuckt. Die honorigen Ämter. Die meistens eine so hohe Aufwandentschädigung erhalten, dass es sich de facto nicht mehr um ein Ehrenamt handeln kann. Wenn ich von Ehrenamt spreche, meine ich die Arbeit, die von unzähligen Frauen und Männern selbstlos verrichtet wird, weil sie Bedarf sehen: In der Flüchtlingsarbeit, in der Hausaufgabenbetreuung, in den Kirchen, in Verbänden etc. Die Liste ist lang. Das sind Menschen, die ihre Freizeit dafür geben, zu helfen und die Arbeiten zu machen, sie sonst nicht verrichtet würden. Studien ergeben, das Menschen, die ehrenamtlich aktiv sind, über eine hohe Sozialkompetenz verfügen. Arbeitgeber von heute stellen gerne Menschen ein, die auch ehrenamtlich aktiv sind, denn sie erfüllen die Kriterien der heutigen Arbeitswelt.
    Der Arbeitsbegriff: Das sind 1. die Erwerbsarbeit, 2. die ehrenamtliche Arbeit 3. die Familienarbeit und 4. die Pflegearbeit. Arbeitsämter haben das schon seit einigen Jahren erkannt. Warum die Politik und Gesellschaft. nicht.
    Das Thema, wie man ohne Geld auskommt, gehört eigentlich in einen gesonderten Threat. Damit reden wir das Thema Ehrenamt genau so kaputt, wie bei der Renten- und Steuerdebatte.

  7. @ Marita

    „Das Thema, wie man ohne Geld auskommt, gehört eigentlich in einen gesonderten Threat. Damit reden wir das Thema Ehrenamt genau so kaputt, wie bei der Renten- und Steuerdebatte.“

    natürlich verstehe ich, was Sie schreiben, finde ich auch gut, aber …

    es kommt doch mal der punkt, wo „realpolitik“ nur noch „ausverkauf“ ist:

    wie die meldung in endlosschleife: „die schere zwischen arm und reich ist weiter auseinander gegangen“

    kommen die rechten und sagen: „arm ist nicht gleich arm …“ (stimmt nicht)

    und der linke reflex: „verteilungsgerechtigkeit …“

    und alles geht weiter wie gehabt, und weiter, und weiter …

    wer nicht irgendwann anfängt, grundsätzliche Fragen zu stellen, ist selber schuld, oder ist schon reich …

  8. Diese Frage ist gerechtfertigt. Natürlich muss sie gestellt werden. Wir neigen nur gerne dazu alles in einem Topf unterzubringen und genau dann geht es seinen Weg, dass Themen einfach untergehen. Beide Themen sind so unglaublich wichtig, dass man sie auseinander behandeln muss. Es lag nicht in meiner Absicht, die Thematik unwichtig erscheinen zu lassen. Ich gehe auch in keinster Weise blauäugig an die Themen ran. Haben sie mich doch mein halbes Erwerbsleben begleitet.

  9. @ Marita

    also mache ich mal „realpolitik“ – das anliegen, bzw. die idee:

    „Da muss man eben drüber nachdenken, wie man ehrenamtliche Arbeit im Steuer- und Rentenrecht einfließen lässt. Und wie man ganz klar regelt, dass Fahrkosten und andere Auslagen auch erstattet werden.“

    bin dafür, sehe aber sofort 2 probleme:

    • auf der seite der ehrenamtler: ein hoher bürokratischer aufwand – was abgerechnet werden soll, muß zuerst nachgewiesen werden:

    auslagen (fahrkosten etc.) relativ einfach durch belege,

    anrechnung auf rente/steuer schon schwieriger:
    „beschäftigungsverhältnis“ durch wen attestiert? „stechuhr?“ „…“

    • gesellschaftspolitisches problem: mit der de facto bezahlung entsteht der eindruck, der staat würde seiner verantwortung gerecht

    das gegenteil ist aber der fall: denken wir beispielsweise an das gratis-essen an den „tafeln“ – wozu brauchen wir das? richtig: die hartz 4 sätze (bzw. die sozialhilfe) sind zu niedrig

    wenn der staat anfängt, hier die ehrenamtliche arbeit zu finanzieren, hat er die perfekte ausrede

    deshalb würde ich mir für eine „ehrenamtliche“ tätigkeit eine ganz deutliche trennung vom staat wünschen – damit fiele aber auch jede form der -indirekten – bezahlung durch den staat (rente/steuern/auslagen) weg

  10. Schon im Jahr 1995 hat ein Frauenverband zusammen mit 12 anderen Verbänden mit der Aktion „Macht unsichtbare Arbeit sichtbar“ einen gewaltigen Grundstein gelegt, wie man die ehrenamtliche Arbeit dokumentiert und die Daten erhebt. Dieses Pojekt war übrigens auschlaggebend für die Nachweisaktionen der Bundesländer.
    Ich arbeite, wie ich in einem meiner Kommentare schrieb, sei 1994 zu der Thematik und habe 18 Jahre lang Seminare dazu angeboten und Hauptamtliche beraten. Und genau da liegt der „faule Hund“ begraben. Hauptamtliche, die dafür zuständig sind, eine Anerkennung der ehrenamliche Arbeit zu forcieren, blockieren das und geben Informationen nicht weiter. Ehrenamtlich Tätige sind sehr wohl willens, ihre Arbeit zu dokumentieren und klar zu beschreiben. Dass im Ehrenamt Schlüsselqualifikationen erworben werden, ist unumstritten. Aber auch das ist für manche Hauptamtliche unmöglich zu dokumentieren. Und genau muss angesagt werden. Vielleicht bringt es etwas, wenn die Verantwortlichen aufhören, bezahlte Stellen durch ehrenamtliche zu ersetzen, damit die Angst bei Hauptamtlichen gemindert wird.
    Übrigens das Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung
    an der Universität Hannover war an diesem Projekt beteiligt.
    Die Anrechnung im Steuer- und Rentenrecht ist keinswegs unmöglich und auch ganz sicher nicht aufwändig. Es ist nur ein vorgeschriebener Grund, es nicht anzuerkennen. Übrgens fast die gleichen Diskussionen gab es einmal um die Rentenpunkte für Kindererziehungsarbeit. Das ist heute total normal.
    Und der Vergleich mit der Tafel ist doch wie Äpfel und Birnen. Solange dieses unsere Land noch Geld für Waffen hat, ist auch Geld für Arme da. Dass in Deutschland Tafeln notwendig sind, ist eh eine Sache zum Schämen. Aber ganz sicher kann man sagen, dass in Zukunft die Altersarmut noch größer sein wird als heute und da sind eine Menge Alte bei, die ihr Leben lang ehrenamtlich gearbeitet haben.
    Gut, wenn man Gründe dagegen finden will, dann findet man die. Ein Brainstorming dazu könnte eventuell augelöst werden, wenn alle Ehrenamtlichen ihre Arbeit mal für einen Monat niederlegen würden.

    1. @Marita und der nonsense namens marktwirtschaft

      Danke erst einmal für die Kommentare, die eine Menge Aspekte und Inhalte gebracht haben. Mir tut sich ein ganz neues Feld zum Nachdenken und Nachlesen und Diskutieren auf.

      Marita schreibt: „Vielleicht bringt es etwas, wenn die Verantwortlichen aufhören, bezahlte Stellen durch ehrenamtliche zu ersetzen, damit die Angst bei Hauptamtlichen gemindert wird.“

      Ich erinnere mich an die Zeit, als plötzlich die 1 Euro-Jobber auf den Arbeitsmarkt „geschwemmt“ wurden und „normale“ Jobs ausübten, wie beispielsweise öffentliche Gebäude streichen.

      Den sogenannten „Hauptamtlichen“ floß der Speichel vor Vorfreude auf die billigen Arbeitskräfte. Sie konnten nicht verstehen, dass ich empört war. Ich bin heute noch empört.

      Die 1-Euro-Jobber waren in der sozialen Hierarchie Parias. Der Dünkel der anderen war ekelhaft.

      Das sogenannte „Ehrenamt“ – man muss den Begriff differenzieren, ich meine damit nicht die klassischen Ehrenämter wie Schöffen – wird von einigen Politikern heutzutage süffisant ausgenutzt, statt mit Sozialarbeitern, wird mit „Ehrenämtlern“ gerechnet.

      Wird ein Schwimmbad geschlossen, müssen es „Ehrenämtler“ weiter führen. Die Stadt ist fein raus. Die Zuschüsse, die sie unter Fanfarenklängen gewährt, sind allemal weniger als die Kosten der öffentlichen Regie.

      Mir bereitet das Unbehagen.

  11. @ Marita

    mein vorheriger kommentar war übrigens nicht als „kritik“ gemeint, sondern sollte (auch) dokumentieren, dass ich Ihren artikel ernst genommen habe …

    zur sache: sie führen aus, dass es möglich wäre, eine ehrenamtliche tätigkeit auf steuer und rente anzurechnen: prima.

    ein wenig skepsis bleibt bei mir: ich hätte keine lust, mir meinen einsatz mit bürokratie zu verderben. ich bin ja nicht ehrenamtlich tätig, aber helfe schon mal, wenn ich es kann. zum beispiel, als mich die bedienung beim chinesen fragte, ob ich mit dem kunden telefonieren könne, für die bestellung … herauskam, dass ich ihr gratis deutsch beigebracht habe. und dann war eines tages das essen umsonst, ohne dass irgendwer darüber auch nur ein wort verloren hätte: hey, das hat aber geschmeckt! (weil es _nicht_ ums geld ging)

    das beispiel „tafel“ diente dazu, zu illustrieren, wie sich unser reicher staat einen scheiss um arme kümmert. da kommen die ehrenamtlichen ja wie gerufen …

    in dem moment, wo der staat die ehrenamtlichen bezahlte, hätte er das perfekte alibi für seine untätigkeit,

    dieses problem wartet noch auf auflösung

  12. @ der nonsense namens marktwirtschaft
    ich habe das keineswegs als Kritik gesehen. Eher auch für mich in meiner Arbeit zu der Thematik als Input. Übrigens arbeite ich auch ehrenamtlich,ich dokumentiere es schon für mich, evaluiere meine Arbeit auch regelmäßig, aber ich würde auch keine Ansprüche stellen. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich das Glück haben werde, eine eigene Altersversorgung zu haben. Ach ja und was ich vergass. Dieses Dokumentieren sollte wie das Ehrenamt auch freiwillig sein.
    Die Untätigkeit des Staates wartet in der Tat noch auf eine Lösung. Ob wir das je erleben, ist fraglich.

    @ Zoom
    Du schreibst das richtig. Der Ein-Euro-Job kam ja wie gerufen für Kommunen, die nicht an ihren Pfründen rütteln und überlegen wollten, wie sie ihr Problem „Finanzen und Menschen, die arbeiten“ lösen konnten. Ich bin auch empört. Wie nennt man das auch? „Ein-Euro-Sklave“? denn anders ist das nichts. Ich glaube, wenn sie ablehnen, wird ihnen das bisschen HartzIV auch noch gekürzt. Ich habe es mal mit „Die Würde des Menschen ist antastbar“ betitelt. Auch das hat man mir noch nicht vergessen. Das gleiche gilt jetzt für die Flüchtlinge. Anstatt sie in Arbeit zu bringen, lässt man sie Friedhöfe krauten. Und jetzt werde ich ganz ausfallend: dafür hat man dann ein paar Ehrenamtliche, die das beaufsichtigen. Wie gesagt, es ist soviel da zu tun, dass es mich schon seit 1994 beschäftigt. In Projekten, in Seminaren, in Beratungen.

  13. @ Marita und zoom

    „Ein-Euro-Sklave“

    am anfang habe ich gefragt: „wie wärs denn damit, arbeit einfach gar nicht mehr zu bezahlen?“

    „Ein Euro“ ist keine „bezahlung“, sondern eine demütigung. gemeint war aber: weg mit der sklaverei der lohnarbeit! dazu:

    „Slavery was never abolished, it was only extended to include all the colors.“

    http://www.lettersofnote.com/2012/10/people-simply-empty-out.html

  14. Frage: Sollte der „ehrenamtliche“ Busfahrer auch aus eigener Tasche tanken, die Knöllchen bezahlen oder sollte er gar den Bus als „Einsatz“ direkt in das Geschäft mit einbringen ? So als „Ich-AG“. Ist ja modern geworden…
    Oder wie eine Freundin von mir immer wieder gerne sagt (aber bereits seit rd. 5 Jahren): „Es kommt der Tag, da musst du Geld mitbringen, um überhaupt eine Arbeit zu bekommen.“ Vielleicht ist er jetzt schon da.

  15. Ok. Gegenfrage: Könnte nicht ein BM einer rd. 4000-Seelen-Gemeinde EHRENAMTLICH sein ? Und wäre er dann noch ein BM ?

  16. @ Nofretete @ Marita @ alle Mitspieler

    Marita Rauchberger in ihrem Kommentar:

    „Die Aussage Arbeit generell nicht mehr zu bezahlen, toppte vor einigen Jahren ein Wirtschaftsprofessor noch, indem er die These vorschlug, dass derjenige, der arbeiten will, zukünftig auch dafür bezahlen soll. Ich gebe allerdings zu, das wir auf dem besten Weg dorthin sind.“

    Nofretete in seinem Kommentar:

    „‘Es kommt der Tag, da musst du Geld mitbringen, um überhaupt eine Arbeit zu bekommen.’ Vielleicht ist er jetzt schon da.“

    Dazu ein wissenschaftlicher Kommentar:

    „Warum ist eigentlich Tütenkleben Arbeit und die Mont Blanc-Besteigung Sport?“

    Mark Twain

    … richtig, weil mit Tütenkleben sofort die stumpfsinnige Zwangsarbeit des Sträflings verbunden wird, wohingegen die Mont Blanc-Besteigung als freiwillige, nicht alltägliche, nicht notwendige und keinen bestimmten (äußeren) Zweck verfolgende Handlung verstanden wird. Wenn trotz (oder wegen?) der großen Anstrengung auch noch Freude – Lust – am Klettern aufkommt, so sind alle Kriterien erfüllt, die ein Spiel zum Spiel machen. Daß aus dem Tütenkleben durchaus Spiel und aus dem Bergsteigen Arbeit werden könnte, ergibt sich als Konsequenz aus diesen Merkmalen.

    Wie nah Arbeit und Spiel beieinander liegen können, beschreibt wiederum Mark Twain sehr anschaulich in der Episode der samstäglichen Strafarbeit Tom Sawyers: Von Tante Polly dazu verurteilt, den Gartenzaun zu tünchen „erschein ihm das Leben traurig, und sein kleines Dasein als Last“. Nachdem der Versuch, sich mit einer Glasmurmel freizukaufen gescheitert ist – Tante Polly vertreibt den schon verführten Jim – hat Tom die rettende Idee: Er macht die Arbeit zum Spiel, zum Schauspiel. Als Ben Rodgers, der „Junge alles Jungen, der sich über alle lustig machen durfte“ in Sicht kommt, vertieft sich Tom völlig in seine Anstreicherei und ignoriert seine Ankunft. Mit dem Auge des Künstlers überschaut er seine Arbeit, macht mit dem Pinsel einen eleganten Strich und begutachtet anschliessend sein Werk. Auf die Frage Bens: „Na, ist das vielleicht keine Arbeit?“ betrachtet Tom erneut seine Malerei und sagt nachlässig: „Na, vielleicht, vielleicht auch nicht, jedenfalls macht es einem gewissen Tom Sawyer Spaß.“ Noch bleibt Ben skeptisch und wendet ein: „Mensch, du willst doch nicht wirklich behaupten, daß dir das da Spaß macht?!“ Worauf Tom erwidert: „Spaß? Warum soll’s denn kein’ Spaß machen? Kannst du vielleicht jeden Tag einen Zaun anstreichen?“ Ben „erscheint die Sache plötzlich in einem anderen Licht“ und schließlich opfert er sogar einen Apfel, nur um auch einmal streichen zu dürfen. Am Ende des Tages ist aus dem „armen Tom ein in Reichtum schwimmender Tom“ geworden: „All die Jungen, die kamen, um ihn zu verhöhnen, blieben, um zu streichen“ (nachdem sie für diesen „Spaß“ bezahlt hatten).

    aus: Andreas Lichte, „Spiel“, Diplomarbeit, HdK Berlin, 1991

  17. @ alle

    Albert Camus forderte die „Abschaffung der Lohnarbeit“, sagt wikipedia – weiß jemand mehr, speziell, wie Camus das begründete?

    Politische Haltung [von Albert Camus, aus wikipedia]

    Camus wandte sich in seinen Reden und Schriften gegen alle autoritären Staatsformen, insbesondere gegen den stalinistischen Sozialismus. Es ist jedoch keineswegs so, dass er Befürworter einer parlamentarischen Demokratie war. Vielmehr vertrat Camus einen Anarchosyndikalismus, bei dem die Produktionsmittel in den Händen der Gewerkschaften liegen. Bereits 1944 wünschte er sich eine „internationalistische Ökonomie, in der die Rohstoffe verstaatlicht werden, der Handel kooperativ organisiert und die kolonialen Absatzmärkte allen zugänglich gemacht werden und das Geld selbst Kollektivstatus erhält.“ Wenig später forderte er die „Vereinigten Staaten der Welt“, die „Abschaffung der Lohnarbeit“ und, „die Gewerkschaften an der Verwaltung des Volkseinkommens zu beteiligen“. 1951 betonte er zusammenfassend: „Meine Sympathien gelten den libertären Formen des Syndikalismus.““

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