Doch Hauptsache, der Rubel rollt… Ein Kommentar zu der Gerichtsentscheidung über das Kükenschreddern des OVG Münster

kuekenschreddern2010525Seit letzter Woche Freitag ist es also offiziell. Durch das Stattgeben einer Klage von zwei Geflügelzüchtern aus NRW bleibt das millionenfache Schreddern bzw. Vergasen von männlichen Küken offiziell legal.

(Ein Gastbeitrag von Raik Häger)

Alleine im Jahre 2015 fielen rund 48 Millionen männliche Küken in Deutschland dieser gängigen Praxis zum Opfer. Doch ist diese überhaupt mit dem Tierschutzgesetz vereinbar? Laut dem OVG Münster anscheinend schon. Die Begründung lautet, dass die Aufzucht der männlichen Küken für die Brütereien unrentabel sei.

Weitergehend würde ich gerne die Frage erörtern, wie dieses Urteil einzuschätzen ist.

Paragraph 17 des Tierschutzgesetzes lautet: „ Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet […]“

Soweit ist diese Vorschrift ein klar formulierter Satz und man könnte auf den ersten Blick durchaus meinen, dass durch den oben zitierten Paragraphen das Kükenschreddern ohne große Diskussion als absolut inkompatibel mit dem Tierschutzgesetz zu verstehen ist.

Das Problem ist jedoch die Formulierung „ohne vernünftigen Grund“. In der Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland sind solche offenen Formulierungen sehr häufig zu finden. Es handelt sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, welche durch die Rechtsprechung definiert und angepasst werden.

Im Falle des Kükenschredderns ist also davon auszugehen, dass das OVG Münster die fehlende Rentabilität der Aufzucht männlicher Küken als vernünftigen Grund zum Töten der Tiere angesehen und somit definiert hat. Juristisch ist hiermit der Sachverhalt klar definiert.

Jedoch würde ich gerne noch einmal den Sachverhalt ethisch betrachten.

Wenn ich einmal hinüber schwenke auf die Grundrechte, die menschliches Leben inne hat, haben wir in Deutschland (und in der EU / UN) glücklicherweise sehr komplexe und klare Vorstellungen darüber definiert, dass das Leben unantastbar ist, jeder Mensch gewisse Freiheiten hat etc.

Solche Rechte sind für Tiere zwar nicht in der Dogmatik und Komplexität zu finden, jedoch definiert der Paragraph 17 das tierische Leben immerhin als schützenswert. Das riesige Problem ist jedoch der unbestimmte Rechtsbegriff.

So lange von der Rechtsprechung ganz klar der Profit in diesem Land ÜBER das Leben von Lebewesen gestellt wird, könnte ich ganz gemein Fragen, ob hier bewusst solche „Hintertüren“ im Gesetz dafür verwendet werden, um gewisse unbequeme Entscheidungen gegenüber den Züchtern zu umgehen. Für mich persönlich ist das Urteil des OVG Münster ein Unding.

Die Tierzucht scheint im Moment mehr und mehr mit „klassisch“ industriellen Strukturen gleichgesetzt zu werden, in der Profit als höchste Maxime gilt. Diese Tendenz beinhaltet jedoch den schwerwiegenden Denkfehler, dass man nicht mit Objekten, wie z.B. Stahl oder Kunststoff arbeitet, sondern mit Lebewesen.

Ich persönlich wünsche mir ein möglichst schnelles Umdenken!

4 Gedanken zu „Doch Hauptsache, der Rubel rollt… Ein Kommentar zu der Gerichtsentscheidung über das Kükenschreddern des OVG Münster“

  1. „Profit“ wird mit „Vernunft“ gleichgesetzt.

    Kapitalismus ist ja so vernünftig.

  2. Kükenscheddern ist schrecklich, industrielle Tierhaltung ist schrecklich, dass der Milchpreis erstmals unter 20 Cent gefallen ist, ist katastrophal und wird Folgen haben. Der Wert der Arbeit wird nicht mehr geschätzt. Vorrangig hat man es mit miesen Spekulanten und Krämerseelen zu tun. Aber wer denkt eigentlich an die Menschen (respektive Arbeitskräfte), die diese Tätigkeiten jeden Tag zu einem Hungerlohn verrichten müssen. In den großen namhaften Schlachtbetrieben dieser Republik arbeiten vorrangig ausländische Arbeitnehmer. (Deren Besitzer schmücken sich gern mal mit Fußballvereinen – das kennt man auch woanders her…). Deutsche wollen diese abartigen Job’s gar nicht mehr machen. Da gibt es zum Beispiel eine Arbeitsplatzbeschreibung, die da lautet: den ganzen Tag den Schweinen in das Auge zu stechen. Eine wirklich sinnerfüllende Tätigkeit. Es braucht nicht viel, um zum Vegetarier zu werden.
    Und wenn die Hähnchenschenkel bei EDEKA 8 Cent kosten, rennen alle hin und glauben noch, sie essen etwas Gesundes und haben ein Schnäppchen gemacht. Aber auf wessen Kosten!

  3. @ Nofretete

    das ist Kapitalismus. „Menschen“ interessieren (fast) so wenig wie Tiere.

Kommentare sind geschlossen.