Die Unschuldsvermutung gilt auch in Bayern

Am 24. Mai 2023 ließ die Generalstaatsanwaltschaft München die Website (im Original „Homepage“) der „Letzten Generation“ sperren. Ein unter dem Wappen der Generalstaatsanwaltschaft dort veröffentlichter Hinweis stufte – mit Ausrufezeichen versehen – die „Letzte Generation“ als „kriminelle Vereinigung“ ein und warnte, dass Spenden an die „Letzte Generation“ ein strafbares Unterstützen dieser „kriminellen Vereinigung“ darstelle. Diese Maßnahme stellt einen eklatanten Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar und schadet dem Ansehen der Generalstaatsanwaltschaft München als rechtsstaatlich handelnder Institution.

(Pressemitteilung Neue Richtervereinigung)

Die Unschuldsvermutung gehört zu den selbstverständlichen und unumstrittenen Grundsätzen des Strafrechts. Jeder hat hiernach bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig zu gelten. Hieraus folgt für die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Behörden, dass niemand einer Straftat als schuldig behandelt werden darf, bevor die Schuld nicht gerichtlich durch rechtskräftige Verurteilung festgestellt wurde. Es steht daher keiner staatlichen Behörde zu, den öffentlichen Eindruck zu erwecken, Betroffene seien strafrechtlich schuldig, solange dies nicht rechtskräftig gerichtlich festgestellt ist. Dies gilt gerade auch für die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften während laufender Verfahren.

Gegen diese Grundsätze hat der heutige, unmissverständlich vorverurteilende Hinweis – den die Behörde mittlerweile wieder entfernt hat – klar verstoßen. Der Vorgang ist umso gravierender, als dass die öffentliche Einstufung als „kriminelle Vereinigung“ alles andere als selbsterklärend und die rechtliche Diskussion (auch unter den Staatsanwaltschaften in Deutschland) von einer Klärung weit entfernt ist. Zudem ereignete sich der Vorgang in einem politisch aufgeheizten Umfeld: der bayerische Ministerpräsident Söder hat öffentlich wiederholt ein „striktes Durchgreifen“ (AZ München, 23. 02. 2023) gegen die „Letzte Generation“ verlangt und die Generalstaatsanwaltschaft München hatte daher als Justizbehörde wenige Monate vor der Landtagswahl allen Anlass, die gebotene mediale Distanz zur überschießenden Kraftmeierei der politischen Akteure zu wahren.

Staatsanwaltschaften sind in Deutschland allen europäischen Mahnungen zum Trotz (und anders als Gerichte) weisungsabhängige Behörden im Geschäftsbereich der Landesregierungen. Sie stehen daher in besonderer Verantwortung, jeden Anschein unzulässiger politischer Beeinflussung oder Beeinflussbarkeit zu vermeiden. Die „Neue Richtervereinigung“ bedauert sehr, dass dies hier nicht gelungen ist – und erneuert aus diesem Anlass ihre Forderung zu einer grundlegenden Reform der Staatsanwaltschaften hin zu echter Unabhängigkeit nach europäischem Verständnis.

PDF der Pressemitteilung:
https://www.neuerichter.de/fileadmin/user_upload/bundesvorstand/pdfs/2023_05_24_NRV_PM_GenStA_Muenchen.pdf

7 Gedanken zu „Die Unschuldsvermutung gilt auch in Bayern“

  1. wir leben in der besten Demokratie der Welt – freier geht’s nicht – unsere Werte lassen Gott erblassen

    1. Statt anonym einen sarkastischen Spruch rauszuhauen, wäre eine argumentative Auseinandersetzung mit dem Text hilfreicher.

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      1. @ zoom, Zitat: „Statt anonym einen sarkastischen Spruch rauszuhauen, wäre eine argumentative Auseinandersetzung mit dem Text hilfreicher.“

        Auch ohne „Expertise“ der „Richtervereinigung“ war mir sofort klar, dass die bayerische Staatsanwaltschaft gegen geltendes Recht verstößt: war das jetzt eine „argumentative Auseinandersetzung“?

        Kann noch ergänzen:

        Die „Letzte Generation“ wollte mich engagieren. Ich habe schweren Herzens abgelehnt.

        Hätte ich „ja“ gesagt, wäre ich dann jetzt ein „politisch Verfolgter“?

        1. „Auch ohne „Expertise“ der „Richtervereinigung“ war mir sofort klar, dass die bayerische Staatsanwaltschaft gegen geltendes Recht verstößt: war das jetzt eine „argumentative Auseinandersetzung“?“

          Damit hast du nur gesagt, wie toll du eigentlich bist.

          1. @ zoom

            Entschuldigung! dass ich die Handlungsweise der bayerischen Staatsanwaltschaft selber juristisch eingeordnet habe – kommt nicht noch mal vor, ich lasse mich in Zukunft vorher erst von „zoom“ beraten.

            „zoom“ hat den zweiten Teil meiner Antwort „überlesen“, diesen:

            „Die „Letzte Generation“ wollte mich engagieren. Ich habe schweren Herzens abgelehnt.

            Hätte ich „ja“ gesagt, wäre ich dann jetzt ein „politisch Verfolgter“?“

          2. „Entschuldigung! dass ich die Handlungsweise der bayerischen Staatsanwaltschaft selber juristisch eingeordnet habe“

            Keine Argumente, keine Einordnung. Nur Selbstherrlichkeit.

  2. „zoom“ hat den zweiten Teil meiner Antwort zum zweiten Mal „überlesen“, diesen:

    „Die „Letzte Generation“ wollte mich engagieren. Ich habe schweren Herzens abgelehnt.

    Hätte ich „ja“ gesagt, wäre ich dann jetzt ein „politisch Verfolgter“?“

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