Die Piraten und ich. Die Rückkehr des politischen Eros.

Berlin ist weit weg. Piraten gibt es in der Winterberger Politik  ebenso wenig wie Grüne, Linke oder die Spaß Partei von Martin Sonneborn. Es wird in naher und mittlerer Zukunft kein Pirat in dieser kreuzbraven Gemeinde im Hochsauerland auf einem Wahlzettel auftauchen.

Das politische Tableau ist übersichtlich sortiert: CDU, SPD und FDP. Vor den Wahlen putzen alle ihre Websites, hängen Plakate auf und versprechen den Wählerinnen und Wählern irgend etwas.

Die Schönste hier im Raume war einst die ge-photoshopte falsche, faule Doktorin Silvana Koch-Mehrin, deren Konterfei der FDP zweistellige Prozentpunkte brachte. Mangels Politik zählte anscheinend: der Silberblick, der geheimnisvolle  Ausschnitt, die Senkung der Hotelsteuer, das blonde Haar und der zusammen kopierte Doktortitel.

Die satteste Partei ist die CDU, die hier sowieso immer gewinnt, sei es wegen Gott, Kirche und der Allmacht der Schützenbrüder oder der Tradition. Mit der CDU kann man außerdem am besten feiern.

Die handzahme Opposition nennt sich SPD. Alle paar Wahljahre tauchen die Genossen aus den Ausschüssen und Gremien auf und versprechen alles anders zu machen, um dann wieder im politischen Alltag zu versinken.

Eine Studie müsste mal abschließend feststellen, aus welchen Gründen es in Winterberg keine Grünen gibt. Einfache Antwort: die will hier eben keiner.

Die erste Erschütterung im politischen Getriebe, gewissermaßen ein Zucken in den Eingeweiden der Politik, habe ich auf dem Höhepunkt von Stuttgart 21 bemerkt. Da machten sich kluge Köpfe aus der CDU Gedanken darüber, welche Schlüsse aus der Verachtung der offiziellen Politik im Musterländle zu ziehen sei, nicht in Winterberg, sondern im Nachbarort, aber immerhin noch im Hochsauerland.

Bei der SPD schliefen derweil Twitter, Website und Facebook weiter vor sich hin.

Die FDP sitzt ja doch nur mit zwei Personen im Rat.

Piraten im Hochsauerland, in Winterberg? Nö!

Aber die Ideen, die diese merkwürdige Partei, die scheinbar nur aus Internet- und Computernerds besteht, vertritt, werden über kurz oder lang auch in das Hochsauerland einsickern.

Die Piraten repräsentieren eine selbstbewusste Strömung in unserer Gesellschaft, bestehend aus Menschen, die die Schnauze voll haben von Mauschel-Politik und absurder Bürokratie.

Die Piraten repräsentieren diejenigen  Bürgerinnen und Bürger  in unserm Lande, die schon lange wissen, dass sie von technisch unbedarften Hanswurstls regiert werden und jetzt das Werkzeug in ihren Händen spüren, die ganze Hinterzimmer-Politik durch offene Prozesse zu ersetzen.

Ich sage „Strömung“, weil ich denke, dass der Erfolg der Piraten in Berlin lediglich die Spitze des Eisbergs einer Entwicklung hin zur Mündigkeit des Bürgers durch Transparenz der politischen Entscheidungsprozesse ist.

Die Hanswurstl Politik ist nicht mehr in der Lage, die Problem unserer Gesellschaft zu lösen, weil sie sich abkapselt und nicht die Ressourcen aller Menschen zu nutzen versteht.

In der von den Piraten propagierten Ideen und der  in ihrer Partei umgesetzte Praxis der „Liquid Democracy“ als Versuch eines wahrhaft demokratischen Diskurses sehe ich ein Stück Zukunft.

Die Politik in unserem Lande hat wieder etwas bekommen, was sie seit Willy Brandt nicht mehr hatte: EROS

6 Gedanken zu „Die Piraten und ich. Die Rückkehr des politischen Eros.“

  1. Chapeau!

    Zum Erfolg der Piraten und zu dieser Berichterstattung.

    Dieser Blickwinkel auf eine neue Politkultur verstärkt mein Unbehagen gegenüber den derzeitigen Entscheidungsprozessen in unserem Land, die häufig über Betroffene hinweg maßgeblich von Lobbyisten geprägt werden.
    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1438438/ZDFzoom-Die-heimlichen-Strippenzieher

    Gleichzeitig keimt aber auch Hoffnung auf, dass gerade die durch das Netz ermöglichte Transparenz nun die politischen Prozesse zunehmend im Sinn der Bevölkerung beeinflusst. Dies könnte ein wichtiger Schritt von unserer „Demokratur“ zur Demokratie werden. Ein Schritt in die richtige Richtung auf einem guten Weg.

    Meine Unterstützung jedenfalls hat er, der Piratenweg!

  2. Da ziehen die Piraten an der FDP vorbei. Dabei hat die FDP doch gerade erst gegen die Parteispende von 1. Mio. € einen reduzierten Steuersatz für Hotelbetreiber durch gesetzt.
    Die Existenz lässt sich angesichts von fast 9% Wählerstimmen nicht mehr leugnen. Wen wundert eine solche Entwicklung, wo doch gerade die CDU mit dem Deal mit den Schweizer Banken klargestellt hat, dass der Versuch die Gemeinschaft der deutschen Steuerzahler zu betrügen nicht strafbar ist. Schlimmstenfalls muss man einen Steuersatz nachzahlen. Dies aber anonym und somit straffrei. Schlechter können andere Politiker auch nicht sein.
    Welchen Namen sich Menschen die Verantwortung empfinden und dafür eintreten sich geben ist Wurscht. Meinend wegen auch die grauen Panther.
    Denke ich an den kürzlich erst vom Netz gegangenen Blog – freie Meinungsäußerungen werden im 21. Jahrhundert mit Angriffen auf die Person geahndet – hoffe ich, dass mit den Piraten und deren Blogs die freie Presse bereichert wird.
    Liebe Piraten, Graue Panther oder wer auch immer, kommt doch bitte auch ins Sauerland. Hier gibt es noch soviel zu entern:
    Heute schreibt die WP zu Kostenentwicklung des Hennedeckels:
    Die Sanierungskosten beliefen sich 2006 nach einem Gutachten für den Steuerzahler auf 256.000 €.
    Weil man am Zustand der Brücke nichts getan hat, müsste der Steuerzahler heute für die Sanierung 465.000 € bezahlen.
    Glücklicherweise gibt es aber das Regionaleprojekt 2013. Zwar kostet der Abbruch des Deckels 750.000 €. Davon aber muss die Stadt Meschede nur ca. 75.000 € berappen.
    Es gibt also von Politikern eingerichtete Strukturen, mit denen die Verdreifachung der Kosten von 2006 für den Steuerzahler aus Sicht der Stadt belohnt wird.
    Augenscheinlich hat das Konstrukt der Regionale beste Chancen für eine Miss-Wahl.
    Ich dachte da an Miss-Wirtschaft.
    Griechenland wir kommen!

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