Die Bildungsmesse didacta 2017 – ein Maßstab für Bildung? Technik sollte der Pädagogik folgen – nicht umgekehrt!

didacta 2017: Besucher im L-Bank Forum (foto: MESSE STUTTGART)

Jedes Jahr besuche ich die Bildungsmesse „didacta“, die vom 14.-18. Februar wieder einmal in Stuttgart stattfand. Immer schaue ich nach den neuesten Trends. 2017 verlief die nach einer Pressemitteilung des Veranstalters „größte Bildungsfachmesse der Welt“ erneut wirtschaftlich sehr erfolgreich.

Der didacta-Verband gibt sich zufrieden: 75.000 qm Ausstellungsfläche, 860 Aussteller aus 47 Ländern, 1.500 Veranstaltungen im überwiegend fortbildenden Rahmenprogramm, 85.000 Besucherinnen und Besucher. Deren Interesse richtete sich laut Veranstalter zunehmend auf digitale Medien: Mit 34 Prozent lag die Nachfrage hier um sieben Prozent höher als im Vorjahr. Doch ob diese offiziellen Zahlen realistisch sind, lässt sich nicht überprüfen.

Der Eindruck vom Gang durch die Messehallen war für mich jedenfalls ein anderer. Die Massen knubbelten sich nicht in der Halle mit der ganzen hochmodernen Computertechnologie. Gedränge gab es vielmehr an den Verlagsständen mit Sonderangeboten in Lehr- und Unterrichtsmaterialien. Etliche Besucher füllten ihre eigens mitgebrachten Rollkoffer systematisch und gezielt mit günstig erworbenen Büchern, Arbeitsheften und anderen konventionellen Arbeitsmitteln. Allerdings hat sich auf Verlagsseite der Trend der letzten Jahre deutlich verstärkt, digitale Medien ergänzend zu den klassischen Schulbüchern und Arbeitsheften anzubieten.

Wer jedoch viel in unterschiedlichen Schulen herumkommt, so wie ich dank meiner Vortragstätigkeit, der weiß, dass es in Deutschland eine Zweiklassengesellschaft gibt: auf der einen Seite gut situierte und modern ausgestattete Schulen, oft mit finanzkräftigen Sponsoren als Partner, auf der anderen Seite vernachlässigt wirkende Brennpunktschulen mit veraltetem Mobiliar und immer noch genutzten Kreidetafeln.

Doch auch an solchen Schulen interessieren sich Lehrkräte für digitale Bildungsangebote, die ihren Arbeitsaufwand in der Unterrichtsvorbereitung verringern können.

So wirbt „meinUnterricht.de“ für sein Konzept, aus derzeit 22.000 Seiten mit Materialien für alle Fächer und Altersstufen von einer ganzen Reihe von Verlagen auswählen zu können. Wer steckt hinter dieser verlockend klingenden Ansage? Der Prospekt verrät es nicht. Auch auf der Website gibt es kein Impressum. In der Rubrik „Hilfe“ schließlich findet sich ein Hinweis auf „K.lab educmedia GmbH“ mit Sitz in Berlin. Auf deren englischsprachiger Website gibt es das gesuchte Impressum – Kundenfreundlichkeit sieht anders aus! Was der volle Service von „meinUnterricht.de“ den Nutzer kostet, kann man zudem nicht erfahren, so lange man nicht angemeldet ist.

Da finde ich das „Netzwerk für Demokratie und Courage“ (NDC; www.netzwerk-courage.de) viel sympathischer. Dieser Verein, mit Sitz in Dresden und bislang in elf Bundesländern vertreten, beschreibt sein Hauptaufgabenfeld mit der „Durchführung von Projekttagen an Schulen und Ausbildungseinrichtungen“. Dieses unentgeltliche Angebot wird von ehrenamtlich tätigen jungen Leuten realisiert, die nach einem festen und evaluierten Konzept ausgebildet sind. Sie bieten ab Klassenstufe 5 Themen an wie „Alle sind anders… – und ich auch?“ oder „Superwoman trifft auf Barbie und Ken“ u.a.m.

Von den ganzen Verbänden und Initiativen, die früher stets auf der Bildungsmesse zu treffen waren, sind heute nur noch wenige vor Ort. Zum einen sind die Kosten für sie zu hoch, zum anderen ist die Zahl ehrenamtlich mithelfender Unterstützer rückläufig. Für kleine Initiativen ist es nicht leicht, Auf- und Abbau sowie fünf Tage mit zwei Personen am Stand zu bewältigen.

Immerhin – der ADHS Deutschland e.V. war vertreten, sogar mit seiner Geschäftsführerin, Dr. Myriam Bea. Sie überreichte mir die neue Postkarte des Verbandes mit dem Motiv eines bunten ADHS-Zebras inmitten des Mottos: „Wir sind anders, doch höchst sympathisch!“ Drumherum finden sich zahllose Eigenschaftswörter, die auf ADHS-Menschen, aber auch auf jeden anderen zutreffen können. Ein wunderbares Bild und beste Werbung für die Idee der Inklusion!

Eigentlich hätte ich erwartet, dass gerade dieses Thema, die Inklusion, auf der didacta 2017 eine stärkere Rolle spielen würde. Doch nicht einmal in den zahlreichen vorab verschickten Pressemitteilungen des Veranstalters kommt es vor.

Die Messe repräsentiert ganz offensichtlich nicht, was die Menschen bewegt, sondern lediglich, was den Umsatz der Bildungsindustrie ausmacht.

Es wird immer wichtiger, sich der Tatsache bewusst zu werden, dass Bildung weniger von Materialien abhängt als von den Menschen, die sie vermitteln. Insofern lässt sogar die sehr konservative Kultusministerin Baden-Württembergs, Dr. Susanne Eisenmann, aufhorchen, wenn sie in ihrer Eröffnungsansprache vor einer Überbewertung digitaler Medien warnt: „… bei aller Begeisterung sollte die Technik der Pädagogik folgen – nicht umgekehrt!“ Und sie setzt auf die Erziehungspartnerschaft von Schule und Elternhaus: „Die Schule allein wird es nicht schaffen, den Kindern beizubringen, dass digitale Endgeräte einen Ausschaltknopf haben.“

Aber wer erst bringt es dem pädagogischen Fachpublikum bei, dass eine „Bildungsmesse“ nicht den Maßstab für Bildung setzt?

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Dipl.-Päd. Detlef Träbert ist Ehrenvorsitzender der Aktion Humane Schule e.V. Er arbeitet als Autor und Vortragsreferent im pädagogischen Bereich (www.schulberatungsservice.de).