Das kann ich nicht glauben. Das klingt unmöglich: Der Kreistag als Abstimmungsmaschine?

Ich kann nicht glauben, dass es stimmt, was die Sauerländer Bürgerliste/Freie Wähler (SBL/FW) in ihrem neuesten Blogbeitrag behauptet: Der Landrat ließe bei einer Abstimmung solange neu abstimmen, bis seine CDU-Fraktion kapiert hätte, wie sie abzustimmen hätte und ihm das Abstimmungsergebnis passe.

Leider sind die Kreisstagssitzungen in Meschede so terminiert, dass ich als arbeitender Mensch dort nicht zuschauen kann. Ich würde mir wünschen, dass es einen aufgezeichneten Live-Stream gäbe, der mich die Aussagen der SBL nachprüfen ließe.

Hier der Bericht der SBL/FW. Über Kommentare würde ich mich freuen. Wer war dort? Wer kann bestätigen oder widersprechen?

Wofür hat die CDU-Kreistagsfraktion 28 Mitglieder? Diese Frage konnte man sich heute zu Beginn der Kreistagssitzung stellen.

Es ging zunächst um die Tagesordnung. Auf der stand auch der TOP “Antrag der Windpark Meerhof GmbH auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage (WEA) in Marsberg-Meerhof; hier: Entscheidung über den Widerspruch des Landschaftsbeirates gem. § 69 Landschaftsgesetz NRW (LG)”.

Nachdem der Kreistag Ende 2015 bereits den Widerspruch des Landschaftsbeirats für einige andere Windräder in Meerhof überstimmt hatte, ging es nun um ein weiteres Windrad in Meerhof. Dieser Standort befindet sich außerhalb der Konzentrationszonen der Stadt Marsberg für Windenergieanlagen. Der Landschaftsbeirat hat – so war von Mitgliedern zu erfahren – wegen artenschutzrechtlicher Bedenken Widerspruch gegen diese Windkraftanlage eingelegt. Der kann nur durch einen anderslautenden Beschluss des Kreistags gekippt werden. Näheres über die Inhalte der Beratungen war aber nicht bekannt, denn dieses Thema stand erst am 31.05.2016 auf der Tagesordnung des Landschaftsbeirats (LB). Die Kreisverwaltung hatte aber weder eine Sitzungsvorlage für diesen Tagesordnungspunkt des LB erstellt, noch lag ein Protokoll der Sitzung des LB vor. Dafür hatte die Kreisverwaltung aber bereits vor (!) der Sitzung des LB eine Vorlage für den Kreistag geschrieben, mit dem Beschlussvorschlag, der Kreistag möge den Widerspruch des LB überstimmen…

Die SBL/FW-Fraktion beantragte zu Beginn der Kreistagssitzung, diesen TOP von der Tagesordnung abzusetzen. Begründung: Es sei eine Missachtung der Arbeit des Fachgremiums Landschaftsbeirats, wenn der Kreistag den LB überstimme, ohne dass man sich inhaltlich mit den Bedenken des LB auseinandersetzen könne. Daher solle der Vorsitzende des LB in der nächsten Kreistagssitzung berichten; bis dahin läge sicher auch das Protokoll der Sitzung des LB vom 31.05.2016 vor. Erst dann sei eine inhaltliche Debatte möglich.

Als der Landrat über diesen Vertagungsantrag der SBL/FW abstimmen ließ, gab es Zustimmung aus allen Fraktionen außer von der CDU. Etwa die Hälfte der CDU-Fraktion stimmte dagegen, der Rest enthielt sich offensichtlich. Doch der Landrat behauptete, dass die Mehrheit für Ablehnung gestimmt hätte. Dies traf offensichtlich nicht zu, und auf Verlangen der SBL/FW wurden erneut die Ablehner vom Landrat zum “Hände heben” aufgerufen, zur genauen Auszählung. Jetzt gab es schon mehr Ablehner in der CDU-Fraktion, aber längst noch nicht alle Fraktionsmitglieder. An Ermüdung kann das nicht gelegen haben, denn die Sitzung hat erst kurz vorher begonnen…
Das “Spiel” wurde wiederholt, und als immer noch einige Hände der CDU unten blieben, kam es sogar zur persönlichen namentlichen Aufforderung durch den Landrat, jetzt müsse die Hand nach oben. Schließlich war das Ziel erreicht: Alle Arme der CDU reckten sich in die Höhe, und der Landrat konnte siegessicher feststellen, dass 28 Nein-Stimmen (von 53 anwesenden Kreistagsmitgliedern) zusammen gekommen waren und der Vertagungsantrag somit abgelehnt sei.

Was lernen wir daraus? Die Unabhängigkeit der Mitglieder der CDU-Kreistagsfraktion scheint stark eingeschränkt zu sein. Und die Fraktionsregie klappt nicht immer, aber dann hilft der Vorsitzende des Kreistags nach, bis das Ergebnis “stimmt”. Das kann schon mal einige Minuten dauern… Vielleicht wäre es einfacher, auf dem Platz des Landrats einen Kasten mit 28 Stimmzetteln zu deponieren, die dann passend gezogen werden können?

Über weitere Inhalte und Ergebnisse der heutigen Sitzung des Kreistags berichten wir noch.

4 Gedanken zu „Das kann ich nicht glauben. Das klingt unmöglich: Der Kreistag als Abstimmungsmaschine?“

  1. in meiner abgeordnetentagesstätte hätten alle sofort die hand gehoben

    ( die strafen bei verweigerung kann sich jeder selber vorstellen )

  2. Die Augburgerpuppenkiste lässt grüßen!
    Gespielt wird: Kleiner König Kalle Wirsch!

  3. Ich kann das nur bestätigen, da ich auch in der Sitzung anwesend war. Und es war nicht das erste Mal, dass eine Abstimmungsvorgang „mit Ladehemmung“ stattfand.

    Aber es gibt halt Personengruppen, die verstehen das, was gerade von ihnen gewollt wird, nicht sofort.

    Ich habe früher Kindergruppen geleitet, da kam es häufiger vor, dass nicht alle Kinder sofort verstanden, was ich wollte, und ich nachhelfen musste.

    Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass der Kreistag lernfähig ist. Und das gibt mir ein bisschen Hoffnung.

  4. Und hier der 3. Kommentar eines Kreistagsmitglieds:
    Die besten Chancen für eine Änderung des Abstimmverhaltens bestünden dann, wenn keine Fraktion eine absolute Mehrheit im Kreistag hätte. Mit absoluter Mehrheit kann man alleine entscheiden, egal was die anderen Fraktionen möchten. Das verführt zur „Demokratur“, wie im obigen Beitrag beschrieben…
    Denn die CDU hat bei der letzten Wahl (vor 2 Jahren) 28 von 54 Sitzen errungen und damit derzeit im Kreistag des HSK eine absolute Mehrheit.
    Die nächste Kommunalwahl findet erst im Herbst 2020 statt.
    Der Landtag hat gerade die Wiedereinführung einer Sperrklausel für Kommunalwahlen beschlossen: Anscheinend möchten die „Großen“ verhindern, dass die „Kleinen“ noch in den Kommunalparlamenten sitzen. Sollte diese Sperrklausel nicht vom Landesverfassungsgerichtshof aufgehoben werden (wie bereits 1999 und 2008 in ähnlichen Fällen geschehen), würden die Aussichten, dass künftig eine Fraktion mit absoluter Mehrheit im Kreistag alleine regieren kann, sogar noch ansteigen!

Kommentare sind geschlossen.