Wenn sich Winterberg in Winterberg verliebt …

Winterberg lebt in einer Wortwolke. Werbetafel am Busbahnhof. (foto: zoom)

Winterberg liebt sich. Winterberg ist überwältigt. Auch ich mag viele Seiten des Hochsauerlandes und Winterbergs:

  • Das Filmtheater Winterberg
  • Das Hallenbad
  • Den Bahntrassen-Radweg von Winterberg nach Züschen
  • Fotografieren auf dem Kahlen Asten
  • Wandern

Seit gestern weiß ich wieder, was ich seit zwei Jahrzehnten am Hochsauerland und an Winterberg hasse.

  • Den irren Verkehr auf den schmalen Straßen
  • Die fehlenden Radwege

Gestern sind ein Radfahrer und ein Motorradfahrer am Abzweig meiner Radstrecke von Siedlinghausen nach Olsberg tödlich verunglückt:

https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/65847/4239158

Kurz vor dem Unfall war ich auf meiner Sonntagsradtour unweit der Stelle auf der K 46 vorbei geradelt. Auf der Landstraße 742 war die Hölle los. Autofahrer, Motorradfahrer, Tourenradler, Rennradler. Alle auf der schmalen Straße.

Diese Straße, Nr. 742,  ist auch mein Arbeitsweg. Wenn ich dort morgens und nachmittags im Berufsverkehr mit dem Rad unterwegs bin, habe ich oft Todesangst.  Autofahrer mit Geschwindigkeiten von 130 km/h und mehr. Radfahrer sind kaum mehr als ein Hindernis.

An der Situation, die ich vor sieben Jahren hier im Blog beschrieben hatte, hat sich bis heute nichts geändert.

Begegnung am Stausee zwischen Brunskappel und Siedlinghausen. (archiv: zoom)

Ab und zu verirren sich Familien mit Kindern auf Rädern in diese unwirtliche Umgebung, wahrscheinlich, weil sie glauben, man könne im Hochsauerland gemütlich auf der Straße durch die Täler radeln.

Wenn ich sie sehe, schäme ich mich jedesmal fremd – für Winterberg und das Hochsauerland.

Eigentlich wollte ich heute mit dem Rad zur Arbeit fahren, aber in der Nacht ging mir der doppelt tödliche Unfall bei Brunskappel nicht aus dem Kopf.

Ich empfand einen unendlichen Schrecken und traute mich nur mit dem Auto über die Landstraße.

Absurd.

Wir Radfahrer*innen brauchen Radwege, auch schnelle asphaltierte Wege, um zur Arbeit zu gelangen.

Tödlicher Unfall zwischen Kallenhardt und Nuttlar: Autofahrer vom Baum erschlagen

Nuttlar, Bestwig (ots) Sonntag, 10.03.2019, 15:54 Uhr Auf der Landstraße 776 zwischen Kallenhardt und Nuttlar kam es zu einem tragischen Unfall.

Hier befuhr ein 47jähriger Mann aus Bad Fredeburg mit seiner Beifahrerin die Strecke in Richtung Nuttlar. Auf Grund der Witterung und des Sturmes wurden mehrere Bäume entwurzelt. Einer dieser Bäume begrub das sich in Bewegung befindliche Fahrzeug des 47jährigen unter sich.

Die Beifahrerin konnte das Fahrzeug selbstständig verlassen. Für den Fahrer kam jede Hilfe zu spät. Er konnte nur noch leblos aus dem Fahrzeug geborgen werden. Die Rettung des Unfallopfers gestaltete sich für Polizei und Rettungskräfte schwierig, da während der Maßnahmen weitere Bäume durch den anhaltenden Sturm entwurzelt wurden. Die Strecke bleibt bis auf weiteres, auch nach der Unfallaufnahme gesperrt.

Anmerkung:

Normalerweise veröffentliche ich keine Polizeiberichte, aber dieser Unfall hat mir doch zu denken gegeben. Während ich dies schreibe, tobt der Sturm mit Warnstufe rot immer noch so heftig, dass ich das Haus seit heute Vormittag nicht mehr verlassen habe.

Die kurvenreiche Strecke hinab von der Nuttlarer Höhe ins Tal ist von Bäumen gesäumt. Keine gute Idee, dort entlang zu fahren.

Ja, es hätte auch gut gehen können. Tragisch? Unendlich traurig …

Medebach: Niederländischer Radfahrer bei Verkehrsunfall schwer verletzt

Auch das erlebe ich: mein kleiner Horror auf dem Arbeitsweg (archiv: zoom)
So erlebe ich den Verkehr auf meinen Strecken im HSK. Jeden Tag ein kleiner Horror. Die Landstraße 742 zwischen Steinhelle und Wulmeringhausen (archivfoto: zoom)

Ich habe gerade unten stehende Polizeimeldung gelesen. Dazu drei Vorbemerkungen:

1. Der Pressesprecher der Polizei schreibt: „Hierbei kam es zu einer Kollision mit einem 45jährigen Radfahrer“.

Wenn ich solche Satzkonstrukte ohne echtes Subjekt lese, geht mir die Hutschnur hoch. Der Zusammenstoß ist doch wohl nicht vom Himmel gefallen? Hat die Autofahrerin den Radfahrer beim Abbiegen übersehen? Ist der Radfahrer eine Welle gefahren?

Mit „es kam“ erklärt der Pressesprecher nichts und vernebelt den Hergang. Oder sehe ich das falsch?

2. Ich fahre seit über 20 Jahren auf den Straßen des Hochsauerlandes Rad und bin froh, dass ich noch lebe, denn das Hochsauerland ist zum Straßenradfahren imo überhaupt nicht geeignet: keine oder ungenügende Radwege, aggressiver und respektloser Autoverkehr auf engen Straßen.

3. Gebt den Niederländern ausreichend Geld, damit sie hier im Sauerland Radwege bauen. Die können das nämlich. Wir anscheinend nicht.

Radsportgruppe auf der L742 zwischen Wulmeringshausen und Brunskappel (archivfoto: zoom)

Medebach (ots) – Am Dienstagabend ereignete sich gegen 18:30 Uhr auf der K56 zwischen Glindfeld und Medelon ein Verkehrsunfall, bei dem ein Radfahrer schwer verletzt wurde.

Eine 41jährige Fahrzeugführerin aus Medebach befuhr die K56 aus Richtung Medelon kommend in Richtung Glindfeld. In Höhe eines alten Gehöfts beabsichtigte die Fahrzeugführerin nach links abzubiegen.

Hierbei kam es [sic! zoom] zu einer Kollision mit einem 45jährigen Radfahrer aus den Niederlanden, der seinerseits die K56 in entgegengesetzte Richtung befuhr.

Der Radfahrer wurde bei dem Verkehrsunfall schwer verletzt und mittels Rettungswagen ins Krankenhaus verbracht. Die Fahrbahn war für die Dauer der Unfallaufnahme komplett gesperrt. Am Pkw entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 2000,00 Euro.

POL-HSK: Tödlicher Verkehrsunfall im Bereich „Steinhelle“

Olsberg (ots) – Ein 17-jähriger Jugendlicher ist bei einem schweren Verkehrsunfall am Montagvormittag zwischen Winterberg und Olsberg gestorben.

Ein 18-jähriger Mann erlag später seinen schweren Verletzungen.

Nach ersten Erkenntnissen waren die beiden jungen Männer aus Castrop-Rauxel gegen 10.40 Uhr bei winterlichem Wetter mit dem Auto in Richtung Olsberg unterwegs. Im Bereich der „Steinhelle“ geriet das Auto ins Schleudern und stieß mit einem entgegenkommenden Lkw zusammen.

Der 17-jährige Beifahrer erlag noch vor Ort seinen schweren Verletzungen. Der Fahrer musste mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht werden. Von hier wurde er mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik geflogen. Dort erlag er seinen schweren Verletzungen.

Der 62-jährige Lkw-Fahrer aus dem Kreis Schaumburg wurde bei dem Zusammenstoß leicht verletzt.

Ein PSU-Team kümmerte sich vor Ort um die Bekannten der verunglückten Männer.

Diese waren mit dem Auto vorweg gefahren. Als die Freunde nicht nachkamen, waren sie zum Unfallort zurückgekehrt.

Durch die Staatsanwaltschaft Arnsberg wurde ein Unfallgutachten in Auftrag gegeben. Bis 18 Uhr war die Bundesstraße im Bereich der Unfallstelle in beide Richtungen gesperrt. Hierdurch kam es in Olsberg und Winterberg zu starken Verkehrsstauungen.

Die Sperrung ist nun wieder aufgehoben worden.

Wann sollen JournalistInnen die Herkunft von Tatverdächtigen nennen? Die neue Richtlinie des Presserats verleitet zu Zirkelschlüssen und Framing.

Der oben zitierte Tweet ist mir heute aufgefallen. Er verlinkt auf einen Offenen Brief der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung „Journalismus auf Augenhöhe“ im November 2017 in Darmstadt vom 25. Januar 2018.

Die TagungsteilnehmerInnen setzen sich kritisch mit der neuen Richtlinie 12.1 des Presserats vom 22. März 2017 auseinander. In diesem Teil des Kodex geht es um die Frage, wann JournalistInnen die Herkunft von Tatverdächtigen nennen sollen.

Beim Presserat findet man eine Gegenüberstellung von alt und neu.

Bisherige Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.

Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Neue Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten (Gültig ab 22.03.2017)

In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.

Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Quelle: Presserat (PDF)

Die Kritik im Wortlaut:

„Insbesondere die Formulierung, für die Erwähnung der Zugehörigkeit zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten solle ein „begründetes öffentliches Interesse“ bestehen, erscheint den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern dieses Briefes als Einladung zum Zirkelschluss:

Das öffentliche Interesse wird durch die Medienberichterstattung hergestellt. Ein Narrativ des öffentlichen Diskurses, das einer bestimmten Minderheit ohne Sachbezug Straftaten unterstellt, könnte ein solches öffentliches Interesse begründen und würde dadurch Vorurteile verfestigen.

Zudem stellt sich die Frage, wie man den sehr unscharfen Begriff eines „öffentlichen Interesses“ definiert und wer entscheidet, wann es begründet ist. Mit der neuen schwammigen Formulierung wird den Redaktionen keine Entscheidungshilfe mehr an die Hand gegeben.

Sich an einem begründeten öffentlichen Interesse zu orientieren und diskriminierende Berichterstattung zu vermeiden, ist für seriösen Journalismus selbstverständlich. Der Paragraph könnte in seiner jetzigen Form ersatzlos gestrichen werden.

Wir halten es allerdings für wichtig, dass der Presserat zu dieser gesellschaftlich relevanten Frage Stellung nimmt. Die alte Formulierung der Richtlinie, nach der ein begründeter Sachbezug gefordert war, formulierte eine klare Position

Nach unserer Ansicht bestand kein Anlass, diese Formulierung zu ändern.

Die Neufassung berücksichtigt zu wenig, dass Fakten stets im Kontext sogenannter Frames von Journalistinnen und Journalisten versehen und vom Publikum rezipiert werden.

Vorurteile sind in solchen Frames und Narrativen zwischen den Zeilen enthalten, oft ohne dass deren diskriminierender Gehalt rkennbar ist. Sie werden auf diese Weise reproduziert.“

Quelle: https://www.schader-stiftung.de/fileadmin/downloads/pdf/PDF_dynamische_Contents/Projekte_2017/V_17-22_Journalismus_in_der_Krise/Offener_Brief_zu_Richtlinie_12.1._des_Pressekodex.pdf

Link zur Tagung der Schader-Stiftung: https://www.schader-stiftung.de/themen/kommunikation-und-Kultur/fokus/journalismus/artikel/journalismus-auf-augenhoehe-das-publikum-die-glaubwuerdigkeit-und-die-neuen-kommunikationsstile/

Polizei-HSK: Zusammenstoß zwischen Pkw und Regionalzug am Bahnübergang Steinhelle

Der Bahnübergang der L 742 in Steinhelle, kurz vor der B 480, ist unbeschrankt. (archivfoto: zoom)
Folgende Polizeimeldung von heute Mittag hat mich leider überhaupt nicht überrascht. Seit ich die L742 mit Fahrrad und Auto befahre, wundere ich mich über den unbeschrankten Bahnübergang auf dieser viel befahrenen Straße.

Bis jetzt habe ich selbst Glück gehabt und das blinkende Rotlicht auch bei schlechten Lichtverhältnissen noch wahrgenommen. Allerdings habe ich mich einige Male nach der Querung schon gefragt, ob da etwas geblinkt hat oder ob ich einfach „blind“ und mit Glück durchgefahren bin.

Der Bochumer Autofahrer hatte Glück im Unglück, er hätte tot sein können und mit ihm seine Ehefrau.

Olsberg. (ots) Am Sonntag, 10:15 Uhr, befuhr ein 58-jähriger Pkw-Fahrer aus Bochum mit seiner 56-jährigen Ehefrau die L742 von Brunskappel in Richtung B480. Am unbeschrankten Bahnübergang „Steinhelle“ kam es zu einem Zusammenstoß mit einem Zug der Deutschen Bahn. Der Regionalzug war mit ca. 50 Fahrgästen besetzt in Richtung Winterberg unterwegs. Personen wurden nicht verletzt. Die Höhe des Gesamtschadens beträgt nach ersten Schätzungen ca. 15.000,- Euro. Die Bahnstrecke und die Landstraße blieben für ca. eine Stunde gesperrt.

POL-HSK: Schwerer Verkehrsunfall auf der B 7 bei Brilon

Brilon (ots) – Am frühen Sonntagmorgen kam es auf der Bundesstraße 7 bei Brilon, zwischen der Lederke-Kreuzung und dem Abzweig Mühlenweg, zu einem schweren Verkehrsunfall mit fünf Verletzten.

Ein 18-jähriger Autofahrer aus Brilon geriet um 05:45 Uhr in Fahrtrichtung Marsberg, ausgangs einer Linkskurve auf die Fahrspur des Gegenverkehrs und stieß dort mit einem entgegenkommenden Pkw eines 20-Jährigen aus Olsberg zusammen.

Im weiteren Verlauf fuhr noch eine 49-Jährige aus Brilon, die mit ihrem Pkw ebenfalls in Richtung Marsberg unterwegs war, in die unbeleuchtete Unfallstelle und prallte mit dem stehenden Wagen des 18-Jährigen zusammen.

Der 20-jährige Olsberger wurde in seinem Pkw eingeklemmt und musste von der Feuerwehr befreit werden. Er erlitt lebensgefährliche Verletzungen und wurde mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik geflogen. Sein 20-jähriger Beifahrer und eine weitere 18-jährige Insassin, die beide ebenfalls aus Olsberg stammen, wurden leicht verletzt. Die 49-jährige Autofahrerin aus Brilon wurde leicht und der 18-jährige Unfallverursacher schwer verletzt. Alle Verletzten kamen mit Rettungswagen in umliegende Krankenhäuser.

Bei dem Unfallverursacher wurde Alkoholgeruch festgestellt. Ihm wurde im Krankenhaus eine Blutprobe entnommen und sein Führerschein sichergestellt. An allen beteiligten Fahrzeugen entstand Totalschaden. Der Gesamtsachschaden liegt bei etwa 20.000 Euro. Die Bundesstraße 7 musste für etwa dreieinhalb Stunden voll gesperrt werden.

POL-HSK: Olsberger Radfahrer tödlich verunglückt

Olsberg-Elleringhausen (ots) – Am Samstag, 20.08.2016, 19:20 Uhr, befuhr ein 30-jähriger Radfahrer aus Olsberg nach dem Besuch einer Feierlichkeit den stark abschüssigen Wirtschaftsweg der Gemarkung „Limmeke“ aus Richtung der Straße „Am Limberg“ und stürzte im Verlauf aus bislang ungeklärter Ursache.

Er wurde schwer verletzt von Passanten aufgefunden und nach Erstversorgung mit dem Rettungshubschrauber in das Klinikum Kassel geflogen.

Durch die dortige Polizei wurde mitgeteilt, dass der 30-Jährige am 21.08.2016, 05:02 Uhr, seinen Verletzungen erlegen ist. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurde eine Blutprobe entnommen. Das Fahrrad wurde sichergestellt.

Pfingstgedanken … Neuenrade (Teil 3)

NeuenradeWordle2016051401„Nach gut einer Woche Diskussion“ über meine ersten Anmerkungen zum Vorgang vom vom 26. April hatte ich mich mit diesem Artikel noch einmal zu Wort gemeldet – „Grundsätzliche Überlegungen…“ – nun ja.

(Ein Gastbeitrag von Dr. Werner Jurga)

Jedenfalls ist eine weitere Woche munterer Streit durch das Land die Kommentarspalten gezogen. So sollte es sein! Ich schwieg währenddessen, und auch dies sollte so sein. Hatte ich das Postulat vorangestellt, dass „eine Diskussion über einen Artikel nicht vom Autor dominiert werden sollte“.

Stefan L.´s Verstörung über meinen vermeintlichen „messianischen Eifer“ hat mir die Kraft gegeben, mein Schweigegelübde immerhin bis jetzt nicht leichtfertig gebrochen zu haben. – Obwohl auch der Frömmste ständig allen möglichen Versuchungen ausgesetzt ist, auch und gerade in den Kommentarzeilen hier. Und ich … ein „messianischer Eiferer“ – Man beachte die historische Konnotation! Man denke an die umständehalber zunächst einmal friedlichen christlichen Missionare damals und die nicht ganz so peacigen, suizidalen Jihadisten heute!

So unterschiedlich die Grundauffassungen in der von uns hier diskutierten Frage der Notwehr auch sein mögen: geeint sind die Mitgliedschaften der beiden Religionsverbreitervereine in ihrer hingebungsvollen Opferbereitschaft. Ohne eine kräftige Portion Todesmut läuft in diesem Job gar nichts. Und wir, halbwegs aufgeklärte Menschen, ob nun leidenschaftslos irgendwie an Gott glaubend oder leidenschaftlich für die Nichtexistenz desselbigen werbend, sagen uns doch: „Bekloppt!“

Missionarische Eiferer – die haben sie doch nicht alle! Wir sagen: das sind Beknackte, das sind Bestusste. Wir sagen nicht: das sind „Besessene“. Wir würden ahnen, aus welcher Zeit dieses Wort stammt. Wir würden die Gefahr spüren, die von derart Besessenen ausgeht spüren. Nun gut, das betrifft uns heutzutage nicht mehr so direkt. Wir sind aufgeklärt, die Oma gar hatte uns den Status „gebildet“ attestiert, wir müssen keine Angst mehr haben.

Na sicher ging der Oma der Arsch auf Grundeis, wenn der Opa auf Arbeit war, und sie im Haus Geräusche hörte. Ich hatte meine Oma lieb. Heute, keine fünfzig Jahre später, aber eine andere Zeit: gebildete Menschen, aufgeklärte Leute, im Internet wird der demokratische Dialog gepflegt. Sehr stilvoll. – Ja okay, nicht immer.

Das wird immer schlimmer, dass frustrierte Trolle da die Landschaft – also den Cyberspace, wie wir heute sagen – verpesten! Schlimme Sache, schon klar. Aber „Besessene“? Da wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen. Locker bleiben! Wobei: so richtige Spinner… – gefährlich werden können die schon.

Ich zum Beispiel. Etwa dann, wenn „Notwehr oder Mord?“ gefragt wird. Oder „Opfer oder Täter“. Da könnte ich ganz anders werden! Insofern hat Stefan L. ganz gut daran getan, mich an mein eingangs abgelegtes Schweigegelübde zu erinnern.

Es tut einem Heißsporn wie mir schon ganz gut, von einer innerlich ausgeglichenen Seele wie Stefan L. mal gemahnt zu werden: „Junge, bleib mal locker! Du machst ja all die Leute hier nervös!“ („Irritationen“). Da hat er ja recht, der Stefan. Ja, und er hat auch Recht damit… – peinlich, aber okay, dann gebe ich es halt zu: ich bin Christ. Das hat – auch das stimmt – auch so etwas Missionarisches an sich.

Aber keine Panik, Leute! Im Augenblick passt es zeitlich ganz gut. In unserem Verein – Christenheit, Ihr wisst schon – steht zufälligerweise just dieses Wochenende so ein Hammer Offenbarungserlebnis an. Der Heilige Geist wird erscheinen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Da wäre ich doch blöd, wenn ich mich schon jetzt von Stefan L., dem kleinen Teufel, dazu verführen ließe, ihm mal etwas vorzugeigen, wer hier das Opfer und wer der Täter ist.

Ich werde an Pfingsten zunächst einmal die Heilig-Geist-Erleuchtung tief einwirken lassen, und erst danach dem Auftrag des Herrn folgen und seine frohe Botschaft in dieselbige hinausposaunen. In die ganze Welt, schwerpunktmäßig ins Sauerland, beginnend in seinem Brennpunkt, im zoom.

Die Pfingstbotschaft: „Fürchtet Euch nicht!“ Habt keine Angst, Ihr kleinen Scheißer! Ja Herrgott, ich weiß, dass das Diesseits nicht das Paradies ist! Ja, wir werden alles mal Opfer. Wir alle sind Täter. Erbsünde – schon mal gehört?! Ach ja, ach so: Quatsch! – Alles gehopst wie gesprungen? Alles eine große Soße allgemein-unverbindlicher Unverantwortlichkeit? Nein Leute, nein Stefan L., so meine ich das ja nun auch wieder nicht. Da fühle ich mich missverstanden. Aber Sie wissen ja: mein Schweigegelübde, Ihr Schweigegebot an mich… – es folgen weitere Tage der Frömmigkeit.

Ich wünsche allen frohe Pfingsten und grüße mit dem Wort des Herrn: Lasst auch mal die Philosophen und geht besser einen schwofen!

Werner Jurga

Grundsätzliche Überlegungen nach gut einer Woche Diskussion: Neuenrade. Notwehr oder … ? – (Teil 2)

NotwehrWordle201605077. Mai 2016. Zunächst einmal bitte ich um Verständnis, dass ich mich erst jetzt, nach einer Woche, äußere. Prinzipiell finde ich nämlich, dass die Diskussion über einen Artikel nicht vom Autor dominiert werden sollte.

(Ein Gastbeitrag von Dr. Werner Jurga)

Ja, ich weiß: ich habe bereits einen Kommentar abgegeben – dabei handelte es sich aber eher um eine kurze und entsprechend schnoddrige Bemerkung zum Eröffnungsbeitrag von Meier, von dem ich mich in seiner unbedarften Mischung aus Aggressivität und Naivität wohl provoziert sah. Fortan gelobte ich mir mehr Zurückhaltung. Nun hat mich aber der Webmaster höchstpersönlich gebeten, „zu der Einschätzung Notwehr-Vorsatz vielleicht noch mal etwas zu sagen“.

Damit hatte zoom mich ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt, und zwar aus zwei Gründen. Es handelt sich nämlich, auch wenn mir dies mancher unterstellen mag, keineswegs eine taktisch motivierte, aber letztlich doch konsequenzenlose Selbstdistanzierung, wenn ich voranstelle, dass „die Unschuldsvermutung gilt. Niemandem steht es an, auch mir nicht, öffentlich in die Rolle des Richters schlüpfen.“ Das ist der erste Grund. Ich räume ein, er sieht auf den ersten Blick vorgeschoben aus, weil dann ein ganzer Absatz folgt, der diesem vornehmen Anspruch nicht gerecht zu werden scheint. Er beginnt mit dem deutlich Satz: „Das, was in der Nacht von Montag auf Dienstag im sauerländischen Neuenrade passiert ist, war keine Notwehr…“ und endet mit der Schlussfolgerung, dass „…die Staatsanwaltschaft Hamm wegen Mord ermitteln (müsste)“.

Ich fühle mich ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt, weil hier ja wirklich ein Widerspruch vorliegt. Kein nur scheinbarer Widerspruch, sondern ein echter. Wer nun den Verdacht hegen sollte, ich wolle mich aus dieser misslichen Lage mit einem dialektischen Taschenspielertrick rauswinden, dem kann ich versichern, dass dem nicht so ist. Glaubhaft, wie ich finde. Kann ich doch immerhin darauf verweisen, dass ich mich diesem hier auftretenden Problem schon vor einigen Jahren grundsätzlich, wenn auch in einem anderem Zusammenhang, gewidmet hatte. Der Beitrag trug den Titel „Sex and Drugs and Rock and Roll“ und erschien in der bemerkenswerten Online-Zeitschrift Das Blättchen, die es erfreulicherweise noch heute gibt.

Es geht um die Frage, ob das Gebot der Unschuldsvermutung einem Verbot gleichkommt, Schuld auch nur zu vermuten. Anders gefragt: wen bindet das Gebot der Unschuldsvermutung? Die Staatsanwaltschaften offenbar nicht; sonst käme ja nie eine Anklage zustande. Die Gerichte eigentlich schon… – oder aber gilt für die Strafkammern zu Beginn des Verfahrens ein Neutralitätsgebot, haben sie am Start also überhaupt nichts zu mutmaßen? Juristische Feinsinnigkeiten, um die es hier aber nicht gehen soll. Tatsächlich soll es nämlich nicht um die Justiz gehen, sondern um die Meinungsmacher, um die heutzutage recht ausdifferenzierte Medienlandschaft. Und zum Beispiel auch um die Politiker, die aus anderen, aber doch ähnlichen Motiven heraus danach streben, einen mit Volkes Stimme harmonierenden Ton zu treffen.

Sind also die Meinungsmacher im Grunde eigentlich gar keine, sondern eher im Gegenteil von ökonomischen bzw. wahlpolitischen Zwängen Getriebene, die einer Volksmeinung hinterherhecheln, die sich gleichsam naturwüchsig gebildet hat und stets aufs Neue bildet? Einem „gesunden Menschenverstand“, wie man das beispielsweise bei der AfD so nennt, auf die umständehalber noch die Rede kommen wird. Andererseits werden in öffentlichen Debatten immer wieder „Vorverurteilungen“ beklagt – häufig genug, wie ich finde, zu Recht. Eine Vorverurteilung ist das Gegenteil der gebotenen Unschuldsvermutung, gehört sich also nicht – das wusste und weiß auch heute noch jeder. Vorverurteilungen erfolgen aus den Reihen der Erzieher, um den zu Erziehenden, also dem vermeintlich dummen Volk, das aber andererseits im Grunde mit einem gesunden Menschenverstand ausgestattet ist, ein „sozial wünschenswertes“ Denken und Fühlen anzutrainieren.

So weit, so klar, so einfach. So ließe sich fragen, ob eine Schuldvermutung in jedem Fall in eine Vorverurteilung münden muss. Ich räume ein, dass mein Text vom 29. April zumindest Wege skizziert, wohin der Gedankenfluss münden könnte. Aber deshalb allein muss es nicht so laufen. Ich habe, etwa den konkreten Fall von Neuenrade betreffend, eine Schuldvermutung. Mehr noch: ich bin – auf Basis der nachzulesenden unbestreitbaren Fakten – davon überzeugt, dass der Hauseigentümer, der in besagter Nacht zum Todesschützen wurde, Schuld auf sich geladen hat. Doch diese unbestreitbaren Fakten reichen weder aus, die Situation vollständig zu beleuchten. Und selbst ein von der Kripo vollständig aufgeklärter Fall spricht aus sich heraus noch kein Urteil über das Maß der individuellen Schuld des Täters.

Wir wissen doch nicht, was mit dem Rentner in der Tatnacht los war. Wir wissen schon gar nicht, was mit diesem Mann überhaupt so los ist. Um nochmal auf den Eröffnungsbeitrag von Meier zurückzukommen, auf den ich bislang eher schnoddrig denn ernsthaft eingegangen bin: so wie Meier mir alle möglichen Sinnestrübungen unterstellt, etwa eine Holophobie (krankhaft panische, irrationale Angst vor Schusswaffen), so könnte es doch genauso gut sein, dass der Todesschütze furchtbare Dinge erlebt hatte, die wiederum bei ihm Ängste verursachten, die sich schließlich zu Phobien weiterentwickelt haben – mit der Folge gefährlicher Sinnestrübungen. Muss nicht, könnte aber sein… Wer will da den Richter spielen? So vermessen können eigentlich nur selbsternannte Volkserzieher sein, die den normalen Menschen vorschreiben wollen, wie sie zu fühlen und zu denken haben.

Das ist sowieso klar. Mir jedenfalls ist das schon sehr lange klar. Absolut klar, und es ist gewiss keine Arroganz von mir, wenn ich das so schreibe, was Sie allein schon daran ermessen mögen, dass mir eine Sache in diesem Zusammenhang überhaupt nicht klar war. Mir absolut neu ist, mich regelrecht stark irritiert, sagen wir mal: total verunsichert. Dass nämlich der Volkserzieher-Vorwurf auf mich zielen soll, dass mit den elitären Besserwissern, den ach so erhabenen Richtig- und Wichtigtuern Leute meiner Sorte gemeint sein sollen. So ist zum Beispiel Herrn Meier stark daran gelegen, „dass das Recht zur Notwehr nicht durch moralisierende Weltfremde wie die Ihre…“ Sehen Sie! Das meinte ich. Das macht mich schon leicht nervös. Noch nervöser macht mich, wie Meiers Satz weitergeht, nämlich so: „…oder unfähige Justiz kompromittiert wird.“

Hier sind wir wieder bei dem Punkt, den ich drei Absätze zuvor angesprochen hatte. Es geht um die individuelle Schuld einer einzelnen Person in einer zeitlich erfassbaren und konkret bestimmbaren Situation. Es geht nicht um ein abstraktes Recht, dass auf jeden Fall, also unabhängig etwa von einem genauen Erfassen einer konkreten Person in einer konkreten Situation, zu verteidigen wäre. Weil es nicht „kompromittiert“ werden dürfe. Eine unmenschliche Prinzipienreiterei. Hauptsache ist, dass das Rechtsprinzip nicht durch die „unfähige Justiz kompromittiert wird. Und dass der Staat endlich wieder…“ Sie mögen selbst weiterlesen, wie Meiers Ausführungen weitergehen. Ich verstehe ihn so, dass „moralisierende Weltfremde“ – wie etwa Leute meiner Sorte – „endlich wieder“ ihre Futtfinger vom Staate lassen mögen, damit das Recht zur Notwehr nicht mehr nur auf dem Papier steht, sondern „endlich wieder“ auch in der Wirklichkeit zur Geltung kommt.

Die Frage, ob nun im Einzelfall auch tatsächlich eine Notwehrsituation gegeben war – oder eben auch nicht – führt zum zweiten Grund, warum mich die Bitte des Webmasters, „zu der Einschätzung Notwehr-Vorsatz vielleicht noch mal etwas zu sagen“, auf den falschen Fuß erwischt hatte. Ich bilde mir nämlich ein, diese Sache in dem Absatz, der mit „Das, was in der Nacht von Montag auf Dienstag im sauerländischen Neuenrade passiert ist, war keine Notwehr…“ beginnt und mit der Schlussfolgerung, dass „…die Staatsanwaltschaft Hamm wegen Mord ermitteln (müsste)“, endet, einigermaßen erklärt zu haben. Wenn ich diese Darlegung hier einfach wiederholte, sähe dies, selbst wenn ich einige Wörter ersetzte und hier und da Reihenfolge und Satzbau umstellte, ein bisschen stur aus. Für die Schlauen unter Ihnen, die dahinter kämen, sähe es sogar doof aus. Will man ja auch nicht…

Aber bitte, ich gebe mir äußerste Mühe. Der Rentner hätte, nachdem seine Frau und er von den Geräuschen des Einbruches geweckt worden waren, einfach die Schlafzimmertür abschließen können, ja sollen – und die herbei phantasierte potenzielle Notsituation hätte schon rein theoretisch gar nicht entstehen können. Er hätte zusätzlich noch die 110 anrufen sollen, ja müssen. Weil doppelt gemoppelt bekanntlich besser hält, und weil man ja auch nicht will, dass Sachen wegkommen, die objektiv wertvoll sind, oder auch „nur“ – eben nicht „nur“, sondern noch schlimmer: von persönlich-emotionaler Bedeutung sind. Möglich, dass der Einbrecher davon Wind bekommen hätte und mit der Beute entkommen wäre. Nicht schön, aber immer noch besser, als eine Gefahr für die Frau, für sich selbst oder auch für den Einbrecher heraufzubeschwören. Auch wertvolle oder bedeutende Sachen können niemals so wichtig sein wie Menschen – selbst wenn diese für nicht ganz so wertvoll oder bedeutend gehalten werden.

Selbst wenn wir von der Annahme ausgingen, dass der Hausbesitzer zwar eine Pistole im, aber kein Telefon auf dem Nachttisch gehabt haben sollte, hätte es nie und nimmer zu einem Angriff des Einbrechers kommen können. Das muss man so einer Pistole lassen! Wenn der albanische Junge sich an der Schlafzimmertüre zu schaffen gemacht hätte, hilft eine Knarre einfach und schnell bei der Überwindung eventuell auftretender Sprachbarrieren. Es bräuchte viel Phantasie, auch unter diesen Umständen eine Möglichkeit für das Entstehen einer objektiv vorhandenen Notwehrsituation zu konstruieren. Nein, das ist unmöglich. Wir wissen leider, dass die Pistole in Schuss gewesen ist. Wir wissen, dass nicht der Albaner gewaltbereit zum Neuenrader gegangen ist, sondern dass es umgekehrt war. Wir können davon ausgehen, dass vieles von dem, was wir nicht wissen, die Polizei mittlerweile ermittelt haben dürfte.

War am Tatort das Licht an- oder ausgeschaltet? Hatte der Einbrecher das Messer wirklich in der Hand? Kriminalistischer Kleinkram. Wir kennen die Antworten nicht und bleiben bei dem Grundsatz in dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Die Unschuldsvermutung. Doch von der Schuld, schon zuvor seiner Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein, mag ich den Rentner nicht freisprechen. Wir werden sehen, ob sich ein Richter findet, der dies kann. Oder schon zuvor ein Staatsanwalt zu einem Ergebnis kommt, das nach meiner Rechtsauffassung nicht mit der, wie Meier zurecht formuliert, „vornehmsten Aufgabe (des Staates), nämlich die Gewährleistung der inneren Sicherheit“, zu vereinbaren wäre. Meier kommt aber zu einem anderen Ergebnis als ich, und er wird auch nicht umzustimmen sein. Auch deshalb hatte ich mich zu der erwähnten Schnoddrigkeit hinreißen lassen.

Denn Meier ist der konkrete Ablauf der konkreten Situation letztlich piepeschnurz. Ihm geht es nämlich gar nicht um die Frage, wer wirklich Täter und wer Opfer war. Er kennt ja schon den Tätertypen, und er kennt den Opfertypen. Wir sind schon wieder so weit, dass hier und da mal Elemente aus der in dunkler Zeit entstandenen Tätertypenlehre leicht angedeutet werden dürfen. Allerdings sind wir noch nicht ganz so weit, das dies in aller Offenheit und in aller Konsequenz geschehen könnte. Deshalb werden diese Elemente möglichst nebulös und etwas unverfänglich oder – im Krimijargon formuliert – so zum Anfüttern gereicht. Deshalb werden, um die konkrete Situation, um die es immerhin eigentlich zu gehen hat, zu verschleiern, irgendwelche Geschichten erfunden.

Geschichten über die ballistischen Eigenschaften einer Handfeuerwaffe. Geschichten von Einbrechern, die ihnen unbekannte Zimmer im Dunklen durchwühlen – mit dem Messer in der Hand. Geschichten, auf die man spontan entgegnen möchte: „Jungs, habt Ihr sie eigentlich noch alle auf dem Zaun?!“ Die aber selbstredend, obwohl etwas weit hergeholt, objektiv nicht zu widerlegen sind. Womit sie zunächst einmal auf die gleiche Stufe gestellt wären wie die mit den von mir angeführten Tatsachen. Die sind nämlich ebenfalls objektiv nicht zu widerlegen, weisen aber den Nachteil auf, weniger Fach- und Sachkunde zu verströmen. Auf dieser Basis bzw. von diesem Hochstand aus meint Meier, nach Kräften auf mich ballern zu dürfen. Appetitlich ist das nicht; es tut aber auch nicht weh.

Bedenklicher ist da schon, dass damit der Boden bereitet ist für Menschen wie Paul, der schreibt, dass Menschen wie ich ihn „immer besorgter machen“. Paul, das zeigt auch seine Kontroverse mit Paolo, ist keineswegs ein schlichtes Gemüt wie Meier, sondern in gewisser Weise eine Art Repräsentant einer Gruppe, die sich bedrängt fühlt. Bei einem wie Meier ist nichts zu machen. Der war immer so, der ist so, der wird immer so sein. Die Lage hat sich verändert. Es weht ein anderer gesellschaftlicher Wind.Gleichzeitig und irgendwie im Zusammenhang damit stehend brechen Habenichtse vom Balkan in die schönen Neuenrader Häuser ein. Der Einwand, Einbrüche habe es immer schon gegeben, zieht nicht. Seitdem diese neuen Fremden hier sind, wird mehr eingebrochen. Da braucht man ihm nichts zu erzählen, da greifen seine Reflexe. Sein Wandel ist mit der Pawlowschen Lehre erklärbar. Appetitlich ist das nicht; aber es ist letztlich auch egal.

Bei Paul dagegen geht es um etwas! Er sieht den Rechtsruck in unserer Gesellschaft und „bestätigt“ ihn. Dass er ihn in Anführungszeichen bringt, hat wohl nicht viel zu sagen. Er leugnet ihn nicht, sondern bestätigt ihn. Er ist klug genug, nicht mit dem Zeigefinger auf die Habenichtse zu zeigen. Dies würde ja einen Rechtsruck bei ihm selbst belegen. Was er zwar nicht völlig von der Hand weist. Aber Schuld dran sein mag er auch nicht. Schuld an seinem eventuell zu konstatierenden Sinneswandel müssen andere sein. Die Zigeuner (arme Säue), Araber (Ausgebombte) und Neger (sowieso schon mal) scheiden aus besagtem Grund aus. Paul gehört nämlich mit Sicherheit nicht in die rechte Ecke. Gäbe er aber diesen Fremden die Schuld, na klar, da könnte er ja gleich zu „der AfD und anderen Gruppen“ gehen. Eigentlich geht es dort aber deutlich unter seinem Niveau zu.

Es ist nämlich ziemlich primitiv, diesen Leuten Verantwortung anzudichten, mithin eine Bereitschaft zum Selbstwandel bzw. im Falle des Nichtvorhandenseins eine eigene persönliche Schuldfähigkeit. Das alles hat ja nicht einmal er! Wie sollen denn dann all diese Leute so etwas lernen können? Die sind häufig sehr ungebildet. Paul dagegen ist gebildet und doch für sein Denken und in der Folge vielleicht auch für sein Handeln nicht verantwortlich zu machen. Er wird „gedrängt in eine Ecke“, in die er „mit Sicherheit nicht hingehört“. Er kann sich nicht einmal wehren. Es sei denn, man nennt es wehren, man läuft freiwillig in die Richtung, in die einen andere drängen. Immerhin hört auch so die Drängelei auf. Und das ist schon mal gut. Nicht ganz so gut dagegen ist, dass man sich dann „am Rand wiederfindet“. Und diese Ränder, diese Fanatiker, schaden jeder Gemeinschaft, sagt Paul. Und hier würde ich ihm in diesem Punkt zustimmen.

Allerdings würde ich nicht von „Gemeinschaft“, sondern von „Gesellschaft“ sprechen, weil dem Begriff „Gemeinschaft“ eine Harmonie innewohnt, die sehr wohlig sein kann, die sich aber, wenn sie fanatisch angestrebt wird, als extrem unwohl erweisen kann. Sei´s drum. Es mag sich um eine sprachliche Überempfindlichkeit bei mir handeln und um eitle Koketterie mit derselbigen. Ich wollte es nur einmal erwähnen. Es gefällt mir nämlich auch nicht, dass Paul die Menschengruppe, in die er mich einordnet, als „Gutmenschen“ bezeichnet. Ich verstehe freilich sofort, welche Sorte Zeitgenosse er dabei im Auge hat, und fühle mich da nicht so hundertprozentig angesprochen. Ich verweise an dieser Stelle nur auf den letzten, auf meiner Homepage erschienenen Beitrag mit dem Titel „Es ist gut, dass es Greenpeace gibt“. Unabhängig von der Überzeugungskraft dieser abgrenzungsneurotischen Einlassungen erlaube ich mir zu bezweifeln, dass es sich bei diesem Milieu wirklich um den Gegenpart zu Rechtspopulisten und Rechtsextremisten handelt.

Ich stimme zu, dass dieses elitäre Gehabe mit pädagogischem Anspruch nicht nur ganz schön auf die Nerven gehen kann, sondern dort, wo es sich um nichts anders handelt als um Klassenkampf von oben, auch das gedeihliche Zusammenleben der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gefährlich stört. Und doch mag ich auf den Hinweis nicht verzichten, lieber Paul, dass ich den Kampfbegriff „Gutmensch“ für politisch nicht korrekt halte. Regen Sie sich bitte nicht wieder auf, Paul! Mir liegt es fern, Sie als Nazi zu denunzieren, nur weil Sie einen vermeintlich von den Nazis in die Welt gesetzten Begriff verwenden würden. Solch eine Behauptung wäre ohnehin äußerst umstritten, um nicht zu sagen: falsch. Entweder waren Sie sich dieses Sachverhaltes sicher, Paul, oder aber Sie hatten keinen blassen Schimmer davon. Das spielt überhaupt keine Rolle.

In jedem Fall ist Ihnen klar, dass Sie sich eines Begriffes bedienen, der es immerhin zum „Unwort des Jahres 2015“ gebracht hat. Schließlich ist das ja gerade erstmal ein Vierteljahr her. Bernd Matthies hat aus diesem Anlass die, wie ich finde, sehr differenzierte Abhandlung „Gutmenschen, das sind immer die anderen“ im Tagesspiegel veröffentlicht, die mit dem Satz schließt: „In hohem Maße unappetitlich ist der Begriff aber ohne jeden Zweifel.“ Sie mögen diesen Aufsatz nicht gelesen haben, Paul. Aber Sie wissen, dass dem so ist. Sie machen es und setzen sich damit ganz bewusst dem Verdacht aus, sich schon jetzt in einer Ecke zu befinden, in der Sie ihren Angaben folgend gewiss nicht hingehören. Warum tun Sie das?! Und daran soll ich schuld sein? Warum?

Weil ich so ein böses Wort wie „abgeknallt“ gebrauche? Oder weil ich so gezielt ein neutrales Wort wie „18 jähriger Albaner“ einsetze? Um dann ganz diabolisch mische zu: „Der albanische Junge war völlig überrascht.“ Dabei – so schreiben Sie, Paul! – „war er der Täter und hatte den Einbruch geplant.“ Bitte Paul, Sie sind doch nicht der Dümmsten Einer! Was soll ich Ihnen denn jetzt dazu sagen?! Sie wissen doch selbst, dass Sie hier – wenn auch nicht besonders geschickt – in grob irreführender Weise die Ebene wechseln. Na klar war der Balkanese „der Täter und hatte den Einbruch geplant“. Doch darum geht es hier doch gar nicht. Es geht um Mord und Totschlag. Oder, um zum Ausgangspunkt der ganzen Debatte hier zurückzukommen: es geht um die Frage, ob sich irgendetwas zwingend vom Todesschuss bis zum Einbruch zurückverfolgen lässt, was es erlauben könnte, einen Fall von Notwehr in Erwägung zu ziehen.

Ich bleibe bei meinem Eindruck: es sieht nicht danach aus. Ich sehe es nicht. Und Sie, lieber Paul, sehen es auch nicht. Sonst würden Sie uns doch darauf hinweisen, anstatt zu versuchen, uns mit so einem billigen, ja lächerlichen Taschenspielertrick zu überrumpeln. Sie fühlen sich im Stich gelassen – von den „Gutmenschen“ und wohl gerade auch von mir. Sie bitten mich, „wieder zurückzukehren“ – wenn ich Sie richtig verstehe dorthin, wo „in verantwortungsvoller Weise mit seiner Meinung da dicke Löcher in das Brett gebohrt (werden), auf dem die Fanatisten (?) stehen“. Ja gern, Danke fürs Kompliment! Und wenn Sie mit „Fanatisten“ die Fanatischen oder die Fanatiker meinen sollten, dann sowieso. Und selbst wenn Sie an die Fantasten gedacht haben… – klare Sache: wird gemacht! Ich persönlich wäre zwar der erste, der mir einfiele, wenn ich ein Beispiel für einen guten Menschen nennen sollte…

Aber mit dieser Einschätzung stehe ich leider ziemlich allein. Was irgendwie auch verständlich ist, denn mit mir könnte man so über einiges reden. Ehrlich gesagt: man kann es sogar. Auch und gerade beispielsweise über die Flüchtlingspolitik. Oder allgemeiner:die Integrationspolitik. Und was die Politik bezüglich der Zuwanderer vom Balkan – ob nun aus EU-Staaten oder Noch-nicht-EU-Staaten – betrifft: ja, da gibt es einen ganz erheblichen Beratungsbedarf. Und Handlungsbedarf. Vermutlich würde ich dabei auch für Entscheidungen plädieren, die eher uns einigermaßen Versorgten entgegen kämen, während sie den Interessen der Armen und Schwächsten zuwiderlaufen. Dass sich unter diesen hilfsbedürftigen Fremden notwendigerweise einige Hinterfotzige und Übelmeinende befinden, macht mir die Sache auch nicht angenehmer. Aber dennoch würde es so sein müssen. Auf mich können Sie zählen.

Doch gerade weil das so ist… – Die ganze Angelegenheit ist nicht nur für mich selbst subjektiv nicht so angenehm, sondern birgt darüber hinaus objektiv ein erhebliches Risikopotenzial für die gesamte Gesellschaft in sich. Ihr Gedanke, Paul! – Gerade weil das so ist, greife auch ich auf eine Methode zurück, die in letzter Zeit schwer in Mode gekommen ist. In der internationalen Politik, in der deutschen Politik und letztens sogar bei der AfD – nämlich: eine rote Linie ziehen. Ja, das habe ich auch gemacht. Und, soll ich Ihnen verraten, wohin ich meine rote Linie gezogen habe? Ab wo man mit mir nicht mehr so gut reden, geschweige denn Kirschen essen kann. Beim Recht auf Leben. Da läuft bei mir rein diskursiv nichts mehr. Da ist Ende.

Etwas willkürlich gezogen, mögen Sie einwenden. Stimmt, aber es ist meine Willkür. Nicht nur meine, aber eben auch meine. Und beim Recht auf Leben gibt es nichts zu diskutieren. Jedenfalls nicht mit mir. Darunter fällt natürlich auch, Sie haben es sicher schon geahnt, das Notwehrrecht. Wer mich angreift, muss damit rechnen, dass ich dies in geeigneter und verhältnismäßiger, aber auch notwendiger Weise zu verhindern gedenke. Wer andere – Unschuldige, aber auch Schuldige – angreift, muss damit rechnen, dass ich denen helfen werde. Und dabei den Aspekt der Verhältnismäßigkeit im Zweifel ein wenig geringer gewichte. Und wer meine Allerliebsten, meine Frau und / oder meine Kinder angreift, müsste mit allem rechnen… – leidet aber wohl unter einer chronischen Rechenschwäche. Von wegen Gutmensch. Macho ist angesagt!

Dummerweise kann nicht einmal so ein Prachtkerl wie ich verhindern, dass stets und ständig einige Menschen anderen Menschen ganz böse Dinge antun. Oft noch schlimmere Dinge als Eigentumsdelikte. Sie wissen vielleicht sogar besser als ich, was so alles passiert. Doch selbst ich bekomme, gar nicht mal nur über die Medien, sondern direkt aus meiner Umgebung, für meinen Geschmack mehr als genug mit. Manchmal, nicht ganz so oft, tendenziell immer seltener, jedenfalls hierzulande, und ich erfahre es gottlob nur über die Medien: ja, manchmal töten auch Menschen andere Menschen. Sogar hier. Was soll ich da machen?! Nützt ja alles nichts. Wir brauchen unseren Staat und unsere Justiz. Wir brauchen deren Gewaltandrohung und manchmal gar deren reale Gewalt. Beim Recht auf Leben verläuft definitiv die rote Linie. Ich bin skeptisch, ob Knast die Menschen besser macht. Aber ich bin sicher, dass der Staat das Signal, dass etwaige Ausnahmen vom Tötungsverbot verdammt kleinlich ausgelegt werden, nicht schwächer stellen darf.

Werner Jurga