Bürgermeisters Traumhotel: das Oversum heute in der Immobilienzeitung

Oversum
Teletubby-Land Winterberg. Eine großartig-morbide Atmosphäre. (archiv: zoom)

„So mancher Provinzbürgermeister hätte gerne ein nobles Hotel für seine Stadt“, stellt Peter Maurer in der heutigen Ausgabe der Immobilienzeitung fest. Wenn allerdings seriöse Investoren abwinkten, seien schnell abenteuerliche Konstruktionen und dubiose Investoren im Spiel – und wenn es ganz schlimm käme, werde trotzdem gebaut.

Wenn ein dubioser Investor auf eine unfähige Kommune treffe, seien Chaos am Bau, explodierende Kosten und letztlich eine am Bedarf vorbei gebaute Investitionsruine fast schon programmiert.

Ob Hemer, Bonn, Obersalzberg oder Schweinfurt – die Liste dubioser und gescheiterter Projekte sei lang. Peter Maurer schlägt einen großen Bogen und nimmt sich schließlich auch die Stadt Winterberg vor.

Titelseite der Immobilien Zeitung vom 18. Juni 2014 (foto: zoom)
Titelseite der Immobilien Zeitung vom 18. Juni 2014 (foto: zoom)

An Absurditäten reich sei das Projekt Oversum in Winterberg. Allein der Name zeige hier, dass man sich mit Kleinem nicht zufrieden geben wollte: Er sei eine Verbindung aus dem lateinischen Wort für Ei, Ovum, und Universum. Die Stadt hätte diverse marode städtische Einrichtungen im Rahmen eines PPP-Projekts an einem zentralen Ort zusammenfassen wollen.

Die Idee, das Projekt mit einem „architektonisch markanten Vier-Sterne-plus-Hotel zu verbinden“, soll zwar vom Investor gekommen sein, dieser hätte aber beim Bürgermeister offene Türen eingerannt.

So hätte sich die Stadt gefreut, dass mit dem Projekt der Sommertourismus befördert werden könnte. Dass der Investor nicht den besten Ruf gehabt hätte  und schon andere seiner Projekte gescheitert wären, hätte folglich nicht gestört.

„35 Mio. Euro sollten in das Gesamtprojekt mit 13.500 m² Gebäude- und 17.500 m² Außenfläche investiert werden“, heißt es in dem Artikel und weiter:  “ 4,5 Mio. Euro steuerte die Stadt als Baukostenzuschuss bei, dazu verkaufte sie die Grundstücke für Hotel und Stadthalle für 1 Euro und stellte die übrigen Flächen in Erbpacht für 1 Euro jährlich zur Verfügung.“

Und schließlich, so Maurer,  musste die Stadt offenbar als PPP-Rate einen jährlichen Betrag zwischen 600.000 und 700.000 Euro bezahlen, da gingen die Quellen auseinander.

Im Gegensatz zum WCCB in Bonn, so der Autor, konnte das Projekt in Winterberg fertiggestellt werden, auch wenn es zahlreiche konzeptionelle Mängel aufgewiesen hätte.

Allerdings hätte nur zehn Monate nach der Eröffnung im Mai 2012 erst die Betriebsgesellschaft des in das Projekt integrierten Bades und wenige Wochen später auch die Immobiliengesellschaft Insolvenz beantragen müssen.

Zum April dieses Jahres wäre zwar eine Lösung gefunden worden, bei der die Stadt im Rahmen des Heimfalls die Erbpachtgrundstücke mit den Gebäuden sowie einen 7-Mio.-Euro-Kredit und die Hotelbetriebsgesellschaft, das Hotel und die Stadthalle übernommen hätten.

Es bleibe jedoch offen, wie stark der Betrieb des Bades in Eigenregie die Stadt zusätzlich belasten werde.

Auch hinter der Zukunft des Hotels stünden Fragezeichen. Denn anders als verlautbart, laufe das Hotel, nach Meinung des Autors wenig verwunderlich, offenbar schlecht.

In der Bilanz für 2012 weise die Betriebsgesellschaft einen Fehlbetrag von knapp 670.000 Euro aus. Dies sei, trotz Anlaufphase, viel für ein 77-Zimmer-Haus.

Der Autor konzentriert sich in seinem Artikel bewusst auf das Hotelgeschäft des Oversum-Komplexes. Die Immobilienzeitung ist ein Schwergewicht der Medienbranche und zeichnet sich durch solide Recherche, Faktenkenntnisse und Hintergrundwissen aus.

Die im Artikel genannten Zahlen überraschen uns nicht, die 700.000 Euro PPP-Rate ist eher konservativ geschätzt.

Überrascht sind wir allerdings über die  Aussage zu Wirtschaftlichkeit des Hotels. Wir hatten zwar auch schon in eine ähnliche Richtung spekuliert, aber unsere Überlegungen bislang in keinem anderen Medium wiedergefunden.

Alles deutet darauf hin, dass das Oversum für die Winterberger weiterhin ein Überraschungs-Ei bleiben wird.

9 Gedanken zu „Bürgermeisters Traumhotel: das Oversum heute in der Immobilienzeitung“

  1. @ zoom

    Thx 4 posting!

    Aussagekräftiger und glaubwürdiger Artikel – bitte umgehend als email an
    den Fichtenweg 10 schicken!

  2. @Rüdiger – und an die „Westfalenpost“ ! Unbedingt. Denn, es ist zwar allgemein bekannt, dass ein Journalist vom anderen abschreibt… Aber hier müssten sie sich die Mühe gar nicht machen. Einfach reinheben in das Lokalblatt – die berühmten „Synergie-Effekte“ nutzen… Und Oma Müller am hochsauerländischen Frühstückstisch würde denken „vielleicht war das doch nicht so gut… und schicke ich doch das nächste Mal die Enkel doch zum Wählen“. Würde sie vielleicht denken. Besser wäre jedoch, der Rat würde anfangen zu denken.

  3. @ nofretete

    Letztes Wochenende feierten die Winterberger ihr jährliches Schützenfest, die meisten Aktionen fanden auf dem Festplatz direkt vor dem Oversum statt.
    Natürlich Bürgermeister nebst Stellvertreter und Ratsmitglieder/innen bei Festumzug und Proklamation wie immer an vorderster Front, diesmal allerdings auffallend reserviert und statisch der BM selbst. Es brauchte nicht viel tiefenpsycholgische Begabung, um zu spüren, wie unwohl sich der Mann in der Öffentlichkeit zu fühlen schien. Man hatte den Eindruck, daß er und sein Stellvertreter sich förmlich zwischen und hinter Uniformierten und Hofstaatpaaren versteckten, um vor den Blicken tausender Augen geschützt zu sein.
    Natürlich hat sich das Oversum-Desaster in den letzten Monaten immer mehr zum Gesprächsthema unter den Einheimischen entwickelt (endlich!), und die signifikanten Verluste der CDU bei der Kommunalwahl (Eickler hat es gerade nochmal mit viel Dusel ins Rathaus geschafft) haben dem Grönebacher sicherlich stark zugesetzt.
    War es dem BM gar peinlich, vor so vielen Bürgern (und Steuerzahlern) zu repräsentieren, hatte er vielleicht ein „schlechtes Gewissen“? Oder Angst irgendjemand könne im Rahmen des Festes die Gelegenheit nutzen, ihn auf die Oversum-Thematik anzusprechen?
    Vor dem eigentlichen Umzug waren ja bereits die Protagonisten vor dem Hotel Leiße angetreten, wo die Ehrengäste vom Schützenmajor (oder einem anderen Dienstgrad, ich kenne mich da nicht so aus) offiziell vorgestellt und begrüßt wurden.
    Als „wir begrüßen herzlich den Bürgermeister der Stadt Winterberg, Herrn Werner Eickler…“ durch das Mikro waberte, gab es doch tatsächlich jemanden in der Menge, der dies duch ein unüberhörbares „Buuh“ zu kommentieren wußte. Leider ist das wohl im allgemeinen Enthusiasmus der feiernden Masse untergegangen, obgleich von einem besonders herzlichen Empfang des BM definitv nicht die Rede sein konnte, viele Bürger/innen hielten inne und ließen ihre Hände unten.
    Ein köstliches bonmot am Rande:
    Der Winterberger an sich hat ja traditionell die kreative Gabe, bestimmten Personen besonders treffliche „Spitznamen“ zuzuordnen, diesmal hat es den Bürgermeister erwischt, der nunmehr der „Abreisser“ genannt wird: einfach nur genial, man denke nur an Kurmittelhaus, Eishalle, Schützenhalle, Hallenbad, Freibad oder Bahnhof.
    Der Winterberger Schützenkönig heißt wohl Brinkmann, den Vogel abgeschossen hat allerdings der immer noch amtierende Bürgermeister, der sich diesjährig (zu Recht) sehr unwohl fühlen mußte.

    Noch dies zu Peter Maurer´s Artikel (s.o.):

    „Wenn ein dubioser Investor auf eine unfähige Kommune treffe, seien Chaos am Bau, explodierende Kosten und letztlich eine am Bedarf vorbei gebaute Investitionsruine fast schon programmiert.“
    Diesen Satz muß man sich einfach auf der Zunge zergehen lassen – einfach herrlich!

  4. @Rüdiger

    Der BM wirkt momentan in der Tat recht angeschlagen, aber bei aller berechtigter Kritik an seiner Politik: er allein hätte ein solches Ei nicht legen können.

    Beteiligt waren viele: Die CDU in Winterberg, die Eickler bei seinen Plänen unterstützte; die Winterberger SPD, die als Opposition versagte; die Winterberger Bürger, die zu wenig nachfragten und nachdachten sowie die heimischen Medienvertreter, die sich die Position des Bürgermeisters und seiner CDU in die Feder diktieren ließen.
    Und schließlich wurde diese Fehlentscheidung durch ein politisches Klima in Winterberg begünstigt, in dem Kritik als „Nörgeln“ und „Miesmachen“ diffamiert wurde und gern auch noch wird.

  5. @Rüdiger – diesen Satz finde ich einerseits sehr gut, andererseits sehr vernichtend. Obgleich ich ihn heute mehrfach gelesen, ausgedruckt und unter „das Volk“ gebracht habe.

    Herr Eickler fängt an, mir leid zu tun.
    Und das beim Schützen-Festumzug in der Neuen Mitte (woanders wäre das ein schlichter „Marktplatz mit Rathaus“) war nicht mal Applaus für 53 % Wahlergebnis. Es ist einerseits gut, dass er weitermachen muss – andererseits könnte man um die Gesundheit des noch nicht alten Mannes fürchten…
    Aber so ist das: Wir müssen alle weitermachen. Und lernen, und entwickeln und kämpfen…

  6. @ Johanna

    Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen, vielen Dank für die ergänzende Anmerkung. Aber alle Verantwortlichen und Mitverantwortlichen beim Namen zu nennen, würde den Rahmen sprengen und letztendlich an den Fakten nichts ändern.
    By the way:
    Der BM als Chef des Rates hat es allerdings bis dato versäumt, den
    Bürgern die volle Wahrheit über die Fehlplanung Oversum couragiert und aufrichtig en detail auf den Tisch zu legen.
    Es könnte ja durchaus jemand Verantwortung übernehmen und zurücktreten …
    Und Opposition in Winterberg? “ Wo laufen sie denn … ? „

  7. @nofretete

    „Oma Müller am hochsauerländischen Frühstückstisch“ war in diesem Fall wahlentscheidend. Meine Frage: Kann (wenn überhaupt) nur die Westfalenpost Oma Müllers Wahlentscheidung beeinflussen oder gibt es noch andere Wege?

    @Rüdiger

    Die „volle Wahrheit“ muss auf den Tisch, anders geht es gar nicht. Wenn der Bürgermeister auf dem Schützenfest von „Sparmaßnahmen“ spricht, sollten bei allen Winterbergern die Alarmglocken klingeln.

  8. Die „ewigen Kritiker“ hier sollten aber auch mal auf folgendes im Artikel achten:

    – „Hintergrund war, dass die Stadt diverse marode städtische Einrichtungen (…) an einem zentralen Ort zusammenfassen wollte“. Hallenbad, Kurmittelhaus und Stadthalle waren in der Tat marode und in diesem Zustand keinem Gast mehr zuzumuten.

    – Beförderung des Sommer-Tourismus in der „kältesten Stadt NRWs“. Wie passt das mit den Forderungen nach dem Erhalt eines Freibades in eben dieser Stadt? Die Nostalgie treibt an Tagen wie heute nicht genug Besucher in ein Bad um dieses wirtschaftlich zu betreiben.

    Diese beiden zentralen Punkte und Gründe sollten doch bitte zumindest abeits aller gebotenen Häme erwähnt werden.
    Ich wüsste übrigens gerne, was die Konsequenz wäre, wenn alle Kosten „offengelegt“ würden… großer Streik mit Mistgabeln?

  9. @§reiter

    Der Artikel stammt ja nicht von einem „ewigen Kritiker“. Peter Maurer empfiehlt der finanzstarken Leserschaft der Immobilienzeitung, im Fall einer Insolvenz des Oversum-Hotels lieber die Finger von einem wenig erfolgversprechenden Haus zu lassen.

    „Mistgabeln“ sind ein wenig antiquiert, aber wenn Fehler gemacht wurden, sollten die Handelnden die Verantwortung dafür übernehmen.

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