Besorgte Bürger in Aidenbach. Niederbayerischer Bürgermeister präsentiert die sab AG aus Friedrichshafen als Partner für eine geplante Ferienanlage.

Aidenbach20130427Aidenbach ist ein Markt im niederbayerischen Landkreis Passau, Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Aidenbach und staatlich anerkannter Erholungsort. Der Ort ist bekannt durch die Schlacht von Aidenbach 1706, die den letzten Widerstand der revoltierenden bayerischen Bauern gegen die kaiserlich-habsburgische Besatzung brach.

[Da einige unserer LeserInnen die beiden folgenden Orte verwechselt haben, hier ein Hinweis: Aidenbach (Bayern) ist nicht Adelberg (Baden-Württemberg)]

Im September letzten Jahres präsentierte Aidenbachs Bürgermeister Karl Obermeier den Bürgern der niederbayerischen 3000-Seelen-Gemeinde die sab AG aus Friedrichshafenden als Partner für eine geplante Ferienanlage. Die Firma berate und unterstütze Kommunen bei deren Entwicklung.

Das Interesse der Bürger war laut dem Vilshofener Anzeiger so groß, dass einige Besucher sogar vor dem Sitzungssaal Platz nehmen mussten.

Weiter heißt es in der Zeitung, dass der Vorstandsvorsitzende der sab, Wolfram Wäscher, in seinem Vortrag immer wieder von „gemeinsam“ und „zusammen“ gesprochen habe. Die Finanzierung des 100 Millionen Euro-Projekts sei kein Problem, ebensowenig der Bau.

Aber ohne den Rückhalt in der Bevölkerung, so Wäscher, lasse sich ein solches Projekt nicht umsetzen.

Die Vilshofener Zeitung zitiert Wäscher mit der Forderung: „Sie müssen sich fragen: Wollen sie hier einen Tourismus in dieser Größenordnung?“

Ein Konzept für die Ferienanlage selbst gebe es noch nicht. Erst wenn klar sei, ob die Gemeinde hinter dem Projekt stehe, soll es unter Beteiligung der Bürger entwickelt werden.

Die Stimmung im Saal wäre, so der Bericht, durchweg aufgeschlossen gewesen. Zwar habe es von Seiten der Markträte einige Fragen gegeben, einen grundsätzlichen Widerspruch gegen die Ferienanlage gab es allerdings nicht.

Im neuen Jahr scheint sich der Wind in Niederbayern gedreht zu haben. In einem Bericht der Freien Wähler Aidenbach lesen wir über eine Marktratssitzung vom 14. März 2013:

„TOP 9

Antrag der Fraktion Freie Wähler auf Sachstandsmitteilung Feriendorf Aidenbach

Der raue Wind, der Obermeier hierzu ins Gesicht weht, hat zu mancherlei Änderungen in den Ansichten und Visionen unseres Bürgermeisters geführt. Nach einem Gespräch mit Herrn Jarosch (wer ist Jarosch?) von der Fa. SAB soll sich die Thematisierung des Ferienparks nunmehr auf den Bereich „Bildung und Gesundheit“ beziehen. Die Anlage muss nun mit einer „guten Anbindung zum Marktplatz“ versehen werden, keinesfalls soll es eine geschlossene Ferienanlage werden.

(Hat hier jemand unsere Wühlmaus gelesen?)

Auch will Obermeier seine Visionen auf einen Flächenbedarf von 50 – 60 ha begrenzen und die Bürger von Anfang an beteiligen. Entgegen gesichertem Wissen der Freien Wähler hat er angeblich noch keine Grundstücksverhandlungen geführt. Vom Modell des„PPP“ (PublicPrivatePartnership, öffentlich-private-Partnerschaft) nimmt er nun ebenfalls Abstand, er möchte einen alleinigen privaten Investor für den Ferienpark gewinnen. Hierfür ist allerdings erst einmal ein ordnungsgemäßes Raumordnungsverfahren erforderlich.“

Am 24. April schreibt uns eine Aidenbacher Bürgerin: „Wolfram Wäscher und seine sab sind seit Herbst 2012 auch bei uns im Ort aktiv. Es ist geplant ein Feriendorf mit 300 Appartementhäusern auf wertvollem landwirtschaftlichen Grund zu bauen. Der Bürgermeister (CSU) und seine Marktratsmehrheit sind Feuer und Flamme für dieses Objekt.
Seit einiger Zeit verfolge ich die Entwicklung im Oversum, mit großer Sorge.

Wir sind eine Gemeinde mit ca. 3100 Einwohnern und übriges Geld haben wir nicht – nur eine hohe Pro-Kopf-Verschuldung. Hoffentlich geht das gut!“

Ich habe Folgendes geantwortet:

„Bei einem 100 Millionen Projekt sollten die Bürgerinnen und Bürger eines 3000-Seelen Ortes extrem mißtrauisch und wachsam sein.

“Die Finanzierung des 100 Millionen Euro-Projekts sei kein Problem, ebensowenig der Bau. Aber ohne den Rückhalt in der Bevölkerung lasse sich ein solches Projekt nicht umsetzen” und “Zum Konzept für die Ferienanlage selbst war am Mittwochabend nur wenig zu erfahren ? weil es noch keines gibt. Erst wenn klar ist, ob die Gemeinde hinter dem Projekt steht, soll es entwickelt werden.”

Das liest sich sehr zweischneidig und könnte durchaus als “Katze im Sack” kaufen gelesen bzw. interpretiert werden.

Es scheint ja überhaupt keine Informationen zu geben.

Sind dem Bürgermeister und seinen Ratsmitgliedern die gescheiterten Projekte der sab bekannt?

CSU scheint ja nicht CSU zu sein. Haben Sie mal die Stellungnahme dieses CSU-Lokalpolitikers zur sab und Wolfram Wäscher gelesen? Kennt Ihr Bürgermeister diese Stellungnahme? Lesen -> http://www.csu-portal.de/verband/1470190100/unsere_positionen/1343641365000.htm

In unserer Nachbarschaft, im Sauerland, hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die sich kritisch mit der geplanten Neuansiedlung eines Ferienparks befasst. Ich würde mir deren Website mal anschauen und lesen, was die für Fragen stellen: http://www.amecke21.de/

Viele Informationen*** erhalten Sie über die Website der GALL-Leimen: http://gall-leimen.de/txt_sab4.htm Die wissen wirklich Bescheid.

Versuchen Sie möglichst viele Informationen über das geplante Projekt in ihrem Ort selbst zu bekommen.“

Im Amtsblatt der Gemeinde wird die Position des Bürgermeisters dargestellt. Hier ist insbesondere interessant, dass es sich laut BM Obermeiser nicht um ein PPP bzw. ÖDP Projekt handele (ebda. S. 6/7).

Da fände ich es natürlich interessant zu erfahren, ob denn die Stadt überhaupt keine Verträge, Verpflichtungen und Risiken eingeht? Wenn doch – wie sehen diese aus?

Ich vermute mal, dass es sich trotz aller Beteuerungen des Bürgermeisters um mindestens PPP-ähnliche Vertragsverhältnisse handeln könnte, denn sonst wäre der ganze Firlefanz ja gar nicht nötig gewesen.

Im schlimmsten Fall will der Bürgermeister einfach den Begriff „PPP“ ausradieren, damit das 100-Millionen Projekt des Marktfleckens Aidenbach nicht mit einem zweifelhaften Finanzierungssystem in Verbindung gebracht wird.

Die Frage nach den Verträge, Verpflichtungen und Risiken müssen die Aidenbacher Bürger und nicht zuletzt die Markträte selbst stellen.

*** auch hier bei uns im Blog haben sich seit Jahren viele Artikel, Kommentare und Informationen angesammelt. Einfach mal stöbern. Stichworte: aquasphere, oversum, wäscher, sab usw.

2 Gedanken zu „Besorgte Bürger in Aidenbach. Niederbayerischer Bürgermeister präsentiert die sab AG aus Friedrichshafen als Partner für eine geplante Ferienanlage.“

  1. Nachdem PPP/ÖPP durch das Scheitern vieler Projekte zunehmend kritischer gesehen wird, versuchen die einschlägigen Unternehmen ihren alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Die s.a.b. hat dazu PPP zu PKSP „weiter entwickelt“. Auf der „Historie“-Seite der homepage las sich das so (mittlerweile gelöscht):

    „2007 bis 2010

    wurde das sab-Know-How erfolgreich umgesetzt. Es entstanden Partnerschaften mit der Landeshauptstadt Hannover, mit der dynamischen Stadt Siegburg, sowie mit der Hochburg des Sauerland-Tourismus Winterberg.

    sab Geschäftsführung, Beirat und Netzwerk-Partner investierten seit 2007 ihr Wissen und ihre Kenntnisse in die Weiterentwicklung von PPP. So entstanden Privat Kommunale Synergie Projekte (PKSP).

    PKSP erfassen den tatsächlichen Bedarf an öffentlichen Einrichtungen wie Bädern, Stadthallen, Tourismuszentralen, Festplatzzelten und Parkplatzflächen am ganzen Standort. Es kombiniert diese Flächen und Räume mit privatwirtschaftlichen Gebäuden und Einrichtungen, sodass die Wirtschaftlichkeit des neuen Ganzen ein Optimum erreicht.“

    Was nun konkret der Unterschied ist, wurde nirgends klar gemacht, aber man sollte auf jeden Fall hellhörig werden, wenn solche Kürzel genant werden, selbst wenn versichert wird, dass es etwas ganz anderes als PPP ist.

  2. @rf

    So ganz neu ist das Kürzel ‚PKSP‘ nicht. Schon 2010 verwendete Herr Wäscher die wohl von der SAB kreierte Abkürzung für ‚Privat Kommunale Synergie Projekte‘. In einem Beitrag des ‚Behörden-Spiegels‘ über das Oversum-Projekt schwadronierte der damalige Verhandlungspartner Winterbergs:

    „Die beiden genannten Beispiele (gemeint sind Winterberg sowie ‚eine weitere Gemeinde‘ d.Verf.) machen deutlich, dass Kommunen mit einer visionären Spitze in Verwaltung und Rat gemeinsam mit einem privaten Partner wie s.a.b. in der Lage sind, sich unabhängig von der bundesweiten Konjunkturlage und der Entwicklung der Volkswirtschaft zu stärken und zukunftsfähig zu machen. “

    Den Link zum Werbeartikel im Behörden-Spiegel findet sich in diesem Blog-Beitrag von 2011:
    http://www.schiebener.net/wordpress/?p=13176

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