Winterberg: Schilda* im Helletal?

Ein kleines Stück Wanderweg im Helletal ist gesperrt. (foto: zoom)
„Bitte nicht betreten“ – Ein Stück Wanderweg im Helletal ist gesperrt. Die Begründung ist auf dem Schild zu lesen. (foto: zoom)

Der Helletal-Schluchtenweg vom Orketal über den Bodensee hoch nach Winterberg ist einer der schönsten Wanderwege Winterbergs, doch ein kleines Stück ist seit längerem gesperrt und wird auf anderen Pfaden umgangen.

Die Begründung für die Sperrung ist auf einem Schild der Ferienwelt Winterberg zu lesen:

Die Ferienwelt Winterberg kennt die Schuldigen.
Die Ferienwelt Winterberg kennt die Schuldigen. Zum Vergrößern bitte aufs Bild klicken.

Liebe Wanderer und Naturfreunde,

leider ist unser beliebter Hellental-Steilweg gesperrt. Dieser schöne einzigartige Wanderweg führt entlang eines Felshanges durch einen alten Buchenbestand. Bei so einem alten Buchenbestand besteht immer die Gefahr, dass sogenanntes Totholz herab fällt und Personen gefährden kann.

Aufgrund dessen, dass es in der heutigen Zeit leider eine Unsitte ist bei mittlerweile jedem Anlass Gerichte zu bemühen und zu klagen, ist es der Stadt Winterberg nicht mehr möglich, die Verantwortung der Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen, was leider die Sperrung dieses Weges zur Folge hat.

Wir bitten um Ihr Verständnis

Ihre Ferienwelt Winterberg“

Ich finde die Begründung einfach klasse. Wir müssen den Wanderweg sperren, weil wir befürchten, dass die „Unsitte[…] bei mittlerweile jedem Anlass [die] Gerichte zu bemühen und zu klagen“, auch uns, die Ferienwelt Winterberg, treffen könnte.

Mal abgesehen davon, dass sich hier ein merkwürdiges Rechtsverständnis Bahn bricht, frage ich mich, was mit den weiteren Wanderwegen, die durch alte Buchenbestände oder gar gefährliche Fichtenwälder (Flachwurzler!) führen, geschehen ist oder geschieht? Sind die auch alle gesperrt worden?

Man muss sich sowieso wundern, dass sich das Totholz lediglich auf dieser höchstens ein paar hundert Meter langen Strecke auf die Wander wirft.

Es müsste doch für die Stadt ein Leichtes sein, einfach, wie es auch woanders im Wald geschieht, das Totholz zu entfernen.

Könnte der wahre Grund für die Sperrung der Strecke ein ganz anderer sein? Ich erinnere mich daran, dass vor Jahren, als ich noch regelmäßig den Schluchtenweg hinauf joggte, eine Brücke über eine Nebenschlucht führte. Diese Brücke ist nun seit X Jahren kaputt.

Selbst, wenn man nicht vom Totholz erschlagen würde, die Schlucht kann der Wanderer an der verrottenden Brücke sowieso nicht überqueren. Vielleicht sind also doch nicht die Buchen und die unsittlich klagenden Wandersleut‘ Schuld an der Sperrung des Wanderwegs, sondern die fehlende Querung der Schlucht. Wie viel kostete denn eine Reparatur bzw. der Neubau der Brücke?

Selbst ohne Totholzabwurf und sittenlose Wanderer keine Chance auf's weiterkommen (archivfoto: peter lecht)
Selbst ohne Totholzabwurf und sittenlose Wanderer keine Chance auf’s Weiterkommen (archivfoto: peter lecht)

* Den Bezug zu Schilda kann man hier finden oder auch nicht: https://de.wikipedia.org/wiki/Schildb%C3%BCrger

3 Gedanken zu „Winterberg: Schilda* im Helletal?“

  1. Interessante Argumentation der „Ferienwelt Winterberg“. Bisher ist mir kein Fall bekannt geworden, in dem ein Wanderer die Stadt verklagt hat, weil ihm Totholz auf den Kopf gefallen ist. Das sieht sehr nach einer vorgeschobenen Begründung aus – in dem stets forsch anklagenden Ton, den die Obrigkeit in Ostwestfalen so liebt.

    1. Es gibt schon rechtliche Bestimmungen (siehe unten). Mir drängt sich aber der Verdacht auf, dass es nicht ums Totholz geht, sondern um die Reparatur der Brücke. Es könnte natürlich sein, dass der Weg derart gefährlich ist, dass auch eine Reparatur der Brücke ihn nicht entschärfte. Desungeachtet finde ich diese pomadige Art, andere Menschen zu charakterisieren bemerkenswert: „Unsitte bei jedem Anlass die Gerichte zu bemühen“. Man beachte auch den Begriff „bemühen“.

      Zitat aus Wikipedia Totholz:

      In öffentlichen Grünanlagen, vor allem an Straßen, und in privaten Gärten wird Totholz meist entfernt, weil es als „hässlich“ angesehen wird, oder die „Verkehrssicherungspflicht“ es vorschreibt. Gerichte erkennen durch herabfallende Äste Geschädigten meistens einen Schadensersatzanspruch gegen den Besitzer eines Baumes zu. Von der legalen Möglichkeit, sich von dieser Pflicht auf Erholungsflächen zu befreien (durch entsprechende Schilder: „Betreten/Befahren auf eigene Gefahr“), machen Gartenämter und Privatleute meist keinen Gebrauch, um mögliche Rechtsstreite zu vermeiden.

      Eine solche „formularmäßige Freizeichnung“ ist nicht möglich, wenn ein Baum oder Äste auf einen Verkehrsweg stürzen. Gerichte erkennen eine „formularmäßige Freizeichnung“ von der Haftung durch solche Schilder nicht an. Gefahrenbereiche können nur dadurch entschärft werden, indem die Gefährdung beseitigt wird oder der Bereich für den öffentlichen Verkehr wirksam gesperrt wird. § 58 BNatSchG beschränkt diese Haftungspflicht der Eigentümer gegenüber Erholungssuchenden „auf Wegen der offenen Flur und ungenutzten Grundstücken“: Die Erholungsnutzung geschieht hier auf eigene Gefahr. Ebenso zeichnet sich ab, dass Astabbrüche oder Baumsturz im Bestandswald als „waldtypische“ Gefahren anzusehen sind, für die der Verkehrsträger nicht haftet (ähnlich dem Fall „Steinschlag auf Hochgebirgspfaden“).

  2. Eine Bekannte von mir sitzt – nachdem sie von einem schweren Ast bei einer Radtour getroffen wurde – im Rollstuhl.

    Und wenn ich dann so lese…

    Aufgrund dessen, dass es in der heutigen Zeit leider eine Unsitte ist bei mittlerweile jedem Anlass Gerichte zu bemühen und zu klagen, ….

    … hab ich reichlich Wut auf die Formulierung.

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