Winterberg: Anonyme Bürgerbefragung 2012 – hier meine Antworten.

buergerbefragung2012Vor mir auf dem Schreibtisch liegt die Bürgerbefragung 2012 der Stadt Winterberg. Ausgedruckt sind es abzüglich Deckblatt und Gewinnspiel 13 DIN-A-4-Seiten mit insgesamt 67 Fragen.

Zum Ziel des Fragebogens heißt es auf der Website der Stadt Winterberg: „Um die Menschen weiter zu sensibilisieren und insbesondere ihre Bedürfnisse und Meinungen vor dem Hintergrund des demographischen Wandels abzufragen, haben die Demographie-Arbeitskreise eine Bürgerbefragung initiiert. Die Arbeitskreise bestehen aus Bürgern, die dort ehrenamtlich tätig sind und sich für die Zukunft unserer Stadt einsetzen. Beteiligen auch Sie sich und machen Sie mit bei der Online-Umfrage!Bis Mitte November 2012 haben Sie Gelegenheit hierzu.“

Anonymität leicht zu entschlüsseln
Selbstverständlich würden die Angaben streng vertraulich behandelt und anonym ausgewertet.

Der Fragebogen ist in Zusammenarbeit mit dem privatwirtschaftlichen Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) in Köln entwickelt worden.

Ich behaupte, dass maximal zwei bis zehn Antworten ausreichen würden, um mich oder andere eindeutig zu identifizieren. Bei einer Einwohnerzahl von ungefähr 13.000 wird sich der Rücklauf in engen Grenzen halten, zumal die Zielsetzung des Fragebogens nicht klar sind.

Ketzerisch gefragt: Was bringt der Fragebogen über das hinaus, was ich auch heute schon wissen kann.

Zweite ketzerische Frage: Was kostet es, diese „Bürgerbefragung 2012“ durchzuführen? Wie ist die Kosten-Nutzen Relation?

Ich beantworte den Fragebogen weder anonym, noch in seiner Gänze, sondern jetzt und hier und sinngemäß und versuche mit dem Wichtigsten zu beginnen.

Im Alter werde ich alles versuchen, um aus Winterberg wegzuziehen, da ich mir nicht vorstellen kann, als älterer Mensch mit Vergnügen die Berge hoch- und runter zu schnaufen. Ich stelle es mir als Qual vor.

Die öffentlichen Verkehrsmittel sind für mich unattraktiv: entweder fahren die Busse nicht, wenn man sie bräuchte, oder sie sind zu teuer oder in den Kernzeiten (Schulbusse!) überfüllt.

Da ich gerne Rad fahre: die Situation für RadfahrerInnen, die dieses Fortbewegungsmittel im Alltag benutzen wollen ist katastrophal. Inzwischen habe ich auf meiner Strecke zur Arbeit zwischen Siedlinghausen und Olsberg immer öfter Todesängste. Der Schwerkraftverkehr hat die L 742/L 740 entdeckt um die Autobahnen Richtung Frankfurt und zurück abzukürzen.

Die Materialien des Steinbruchs in Silbach werden statt über die Bahnlinie, die dort direkt vorbei führt, auf der schmalen Landstraße transportiert.

Frage 48: Welche Erfahrungen habe Sie mit dem Bahnhof Winterberg gemacht?

Warum werden hier nicht die Bahnhöfe Silbach und Siedlinghausen aufgeführt? Das größte Lob muss ich dem Schalterpersonal des Bahnhofs Winterberg ausstellen. Die dortigen Mitarbeiter haben seit 15 Jahren alle meine Fragen und Probleme zu vollster Zufriedenheit lösen können. Über das Bahnhofsgebäude sage ich mal nichts.

Seit ich hier wohne, habe ich mich über das mangelhafte Schulangebot im Hochsauerland geärgert. Dieser Ärger hat sich mit der Einführung von G8 am Gymnasium Winterberg noch verstärkt. Hinzu kommt die völlige Zersplitterung der Schulstandorte, die auf keinen Fall zu den euphemistisch prognostizierten Synergieeffekten geführt hat. Das Winterberger Schulsystem ist ein Grund, nicht nach Winterberg zu ziehen, wenn man schulpflichtige Kinder hat.

Bei der Frage 28: Welche schulischen Angebote für ihr Kind sind Ihnen  wichtig, wird (leider)  folgerichtig weder die Sekundarschule, noch die Gesamtschule genannt.

Die kinderärztliche Versorgung in Winterberg fehlt.

Die Stadt Winterberg hat keine öffentliche Bücherei. Das ist ein Symptom. Kultur und Bildung werden hier klein geschrieben.

Die große Ausnahme ist für mich die Musikschule des Hochsauerlandkreises, die mit ihrem Angebot ein echter überdörflicher, die Städte und Gemeinden verbindender, kultureller Knüller ist.

Es gibt kaum attraktive Arbeitsplätze für gut ausgebildete Frauen. Im touristisch geprägten Winterberg überwiegen Niedriglohn-Arbeitsplätze in Gastronomie- und Hotelgewerbe. Frauen, die sich weiter entwickeln wollen, verlassen deswegen Winterberg.

Was mir gefällt: Laufen im Wald, Schwimmen im Freibad Siedlinghausen, im Hallenbad Olsberg teilweise auch im Oversum in Winterberg.

Das Kino in Winterberg.

Die Bücherhalle Olsberg.

Der durchgehende Zug von Siedlinghausen nach Dortmund.

Die ruhigen Nächte und die gute Luft.

Die niedrigen Miet- und Hauspreise.

10 Gedanken zu „Winterberg: Anonyme Bürgerbefragung 2012 – hier meine Antworten.“

  1. Also, dieser Artikel ist gut, weil so wahr! Ich musste einige Male schmunzeln ob der Richtigkeit der Anmerkungen. Tatsächlich war mir noch gar nicht aufgefallen, dass Winterberg nicht mal die Einrichtung einer öffentlichen Bücherei als für nötig befindet. Es stimmt, Winterberg „arbeitet“ daran, seine Attraktivität zu erhöhen, aber alles für die Touristen-Ströme, hat man den Eindruck. Ich wohne erst seit ein paar Wochen in Winterberg. Und, was gab es als „Begrüssungsgeschenk“? gelbe Säcke…..

  2. Angesichts des demografischen Wandels, dem sich verringernden Anteil an Personen im erwerbsfähigen Alter und der Verknappung des „Arbeitskräfteangebots“ (nicht meine Formulierung; klingt ein bisschen stark nach Ware) trafen sich in Meschede ganz wichtige Leute. Vom Bürgermeister über den Leiter der Fachhochschule bis zu Leuten aus der Wirtschaft waren viele Menschen vertreten und haben über Lösungsansätze zu der Entwicklung diskutiert. Nach dem was mir bekannt wurde, waren die in dem Artikel benannten Negativgründe kein Thema und somit außerhalb jeder Agenda (wie man heute so sagt).
    Man beschränkt sich auf viel zu kleine Ansätze, die man dem Problem entgegen bringt, in der Hoffnung das ein nichtganzheitlicher Ansatz ausreicht.
    Wer heute immer noch versucht eine Region gut zu reden, aber Bildungsnachteile für seine Kinder als untergeordnetes Kriterium ansieht, wird bei jungen Familien nicht sehr erfolgreich sein.
    Aber vielleicht geht es doch nur um die Herstellung eines ausreichenden „Arbeitskräfteangebots“ und weniger um Menschen mit Familie.

  3. Die Infrastruktur ist ein Problem. Aber auch ein bisschen mehr Offenheit und Aufgeschlossenheit vieler Einwohner könnte die Region attraktiver machen.

    Wenn ein Winterberger Ortsteil sein 700-jähriges Dorfjubiläum als ‚Historische Fronleichnamsprozession‘ feiert, dann signalisiert er sehr deutlich, wer mitfeiern darf und wer nicht.

  4. @Zwischenruf:

    Liest sich so, als wenn Du Siedlinghausen meintest:

    http://www.700-jahre.de/

    Nun gut – die Prozession ist ein Punkt, aber die Geschichte des Ortes muss doch noch aus anderen Ereignissen bestehen!?

    Weiterhin fällt mir auf: Die Historie auf der Website ist recht löchrig. So scheint die Gemeinde die Jahre 1933-1945 komplett ausgeblendet zu haben.

    Sollte mensch nicht machen …

  5. @Petra Böcher:

    Willkommen in Winterberg. Es gibt hier auch wirklich schöne Dinge. Ist ja nicht alles schlecht.

    Zu den Gelben Säcken(Wertstoffabfall) muss ich etwas loswerden:

    Als ich ins Sauerland umgetopft wurde, war einer meiner ersten Erfahrungen: Das mit den Gelben Säcken klappt ja wunderbar 😉

  6. Vor knapp einem Jahr fand die Umfrage statt, rund 1000 WinterbergerInnen haben geantwortet. Die Auswertung liegt nun vor. Bis allerdings die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt über das Ergebnis informiert werden, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

    Denn die Stadt erklärt:
    „Am 11.07.2013 hat der Institutsleiter Dr. Engels erste Ergebnisse der Befragung in einem Workshop für die Arbeitskreismitglieder, Lenkungsgruppenmitglieder und Ratsmitglieder präsentiert. Der ausführliche Abschlussbericht wird Ende August fertig sein und dann allen Arbeitskreismitgliedern zugeleitet. Vor Veröffentlichung des Berichts für alle Bürgerinnen und Bürger werden sich die Arbeitskreise exklusiv mit dem Bericht beschäftigen. Jeder ist weiterhin aufgerufen, sich in einem der fünf Arbeitskreise zu beteiligen.“
    http://www.rathaus-winterberg.de/Leben/Demographie/Befragung-gab-Buergern-die-Moeglichkeit-ihre-Heimat-aktiv-mitzugestalten

    Na, dann beratet mal schön, ihr Ratsmitglieder, Lenkungsgruppenmitglieder und Arbeitskreismitglieder. Es wäre interessant zu erfahren, wann der gemeine Bürger, die normale Bürgerin über das Ergebnis der Befragung informiert wird.

  7. Es gibt Neues von der Bürgerbefragung zu berichten, nein, nicht die Ergebnisse. Aber unter den Bürgern, die sich vor einem Jahr befragen ließen, wurden VIP-Tickets für die Bob- und Skeleton WM in Winterberg verlost, so berichtet die WP.

    Wörtlich heißt es: „Bürgermeister Werner Eickler dankte allen Teilnehmern für die Beteiligung an dieser für die Zukunftsgestaltung der Stadt Winterberg mit seinen Dörfern so wichtigen Bürgerbefragung.“
    http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-winterberg-medebach-und-hallenberg/vip-tickets-fuer-die-bob-und-skeleton-wm-in-winterberg-id8556087.html

    So wichtig war die Bürgerbefragung. Aber wo bleiben die Ergebnisse? Herr Eickler, versuchen Sie’s doch mal mit Transparenz. Was kann bei so einer kleinen Studie und ihren Ergebnissen schon schief gehen? Trauen Sie sich und Ihren Winterbergern endlich mal ein wenig mehr zu.

  8. @Johanna:
    Wenn es die Preise vor der Preisgabe der Ergebnisse gibt, bedeutet dies nichts Gutes.

    Meine Vermutung: wir werden niemals die komplette Auswertung zu sehen bekommen, wenn wir überhaupt eine Auswertung bekommen.

    Viel Geld für Nichts.

    BTW: im November jährt sich die Umfrage, tja … und was sollte das jetzt? Was hat’s gekostet?

    Ich wage mal eine steile These: die ganzen Bertelsmann/Arvato-Schulungen (Kosten?) haben die Politiker in diese Arbeitskreis-Sause getrieben. Von Profis abgezockt?

  9. Die Winterberger müssen aufpassen, dass ihnen nicht ihre letzten Bürger weggestorben oder weggezogen sind, bevor die Zukunftsstudie veröffentlicht wird.

    Das Rathaus berichtet zwar heute vollmundig, „Vorläufiger Bericht der Bürgerbefragung liegt vor“, aber damit ist keinesfalls die Veröffentlichung gemeint.

    Es gab und gibt zahllose Ausschuss-, Arbeitskreis- und Ratssitzungen, Aussprachen, Zwischen- und Abschlussberichte, Pressemitteilungen und nicht zu vergessen die Verwaltungsvorlagen.

    Nach einer momentanen „Zwischenphase“ wird der dann „endgültige Abschlussbericht (…) Anfang des neuen Jahres durch eine öffentliche Verwaltungsvorlage dem Rat und damit allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht.“
    http://www.rathaus-winterberg.de/Rathaus-Aktuelles/Vorlaeufiger-Bericht-der-Buergerbefragung-liegt-vor

    (Der Text steht, mit leichten Änderungen, auch in der WP. http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-winterberg-medebach-und-hallenberg/die-zukunft-fuer-winterberg-und-seine-doerfer-id8598631.html?)

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