Von Wahlkämpfern, reichen Frauen und Peco: Marion bei den Mexis, Teil 23

Dieser Artikel ist der 23. Teil einer persönlichen Serie über das Leben in Mexico und Mexico-City. Heute berichtet unsere Autorin über den Wahlkampf in Mexico, Lehrer, Epileptiker und reiche Frauen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.

Hola a todos!

schmierig
Und bei diesem schmierig grinsenden Mann wird es bald keine Lehrerverträge mehr geben. Dafür aber umso mehr Privatisierungen. (fotos: koerdt)

Wahlkampf

Der PRI-Präsidentschaftskandidat Peña Nieto verspricht auf seinen Wahlplakaten Medizin für alle. Und keine Schulgebühren. Beide Versprechen stehen wohl im eklatanten Widerspruch zur Wirklichkeit.

Wenn er Präsident werde, hat er verkündet, werde er sämtliche Lehrerverträge aufkündigen. Seine Begründung: Viele Lehrkräfte seien für den Schuldienst überhaupt nicht qualifiziert. Dem kann man nicht direkt widersprechen.

Auf dem Lande werden Lehrerstellen wohl gerne vom Vater an den Sohn vererbt oder es wird einfach jemand vor die Klasse gestellt, der sich dafür bereit erklärt hat. Die Befürchtung aber ist: Peña Nieto will das Bildungswesen komplett privatisieren. Wie das ohne Gebühren gehen soll, ist mir schleierhaft.

Die Sache mit Paco

Und Medizin für alle? Die gibt es -jedenfalls in den Städten- bereits in gewisser Weise schon heute. Zum Beispiel bietet das „Centro Medico“ in der Innenstadt Epileptikern jeden Samstag eine kostenlose Beratung und Behandlung an. Warum ich das nun weiß, hat einen Hintergrund:

Unser informeller Hausmeister und Parkplatzeinweiser Paco ist Epileptiker. Das hat in der Vergangenheit öfter mal dazu geführt, dass er auf der Straße zusammengeklappt ist. Nach einem Anfall ist er dann auch nach Hause gefahren. Nicht so in der letzten Woche. Bis zum frühen Nachmittag hatte er-laut Salvatore, der unten in unserem Haus ein Geschäft für Küchengeräte und-zubehör hat- bereits drei Anfälle gehabt.

Nun lag er wieder auf dem Bürgersteig und Salvatore wurde langsam sauer. Denn ein umgekippter, winselnder Mann vor dem Laden ist ja nicht gerade geschäftsfördernd. Den ersten Anfall hätte er wohl schon morgens in der Metro gehabt. Jedenfalls hatte Paco dort seinen Rucksack verloren, in dem seine Medikamente waren. Ob er ihn vergessen hatte oder ob er ihm geklaut wurde, konnte Paco nicht mit Gewissheit sagen.

Nun lag er wieder dort und als wieder bei Bewusstsein war, redeten wir auf ihn ein, nach Hause zu fahren. Doch Paco fuhr nicht und bekam kurz darauf den nächsten Anfall. Nun wurde ein Krankenwagen gerufen. Doch Paco wehrte sich. Er wollte auf keinen Fall ins Krankenhaus. Verwirrt irrte er über den Bürgersteig, stürzte wieder. Die Sanitäter rückten wieder ab.

Die Mitarbeiter im Geschäft und wir alle aus dem Haus waren ratlos. Was nun? Paco war offensichtlich verletzt und verwirrt. Ein Geschäftsmitarbeiter setzte ihn in seinen Wagen und dort schlief Paco sofort ein. Gegen Abend sah ich wie Paco seine Sachen zusammenräumte und ich war froh, dass er nun endlich nach Hause fahren würde. Doch dann hörte ich einen ohrenbetäubenden Knall unten im Hausflur. Als ich nachschaute, lag dort Paco in seinem Blut.

Wieder wurde ein Krankenwagen gerufen. Wieder weigerte sich Paco, der mittlerweile wieder bei Bewusstsein war, mitzufahren. Wir Hausbewohner versuchten ihn zu beruhigen und zu überreden, sich in ärztliche Behandlung zu geben. Unsere Nachbarin, die „Drogenbaronin“, hatte ein Epilepsie-Medikament aus der Apotheke geholt. Ein Sanitäter wollte ihm das geben. Paco wehrte sich. Die Sanitäter rückten unverrichteter Dinge ab.

Hätten sie ihn gezwungen mitzukommen, wäre das als Entführung ausgelegt worden. Paco schlief auf einem Stuhl im Flur ein. Er sah schrecklich aus: eingepinkelt, die Klamotten verschmutzt, Blut im Gesicht, verschrammt, total verschwitzt. Wir waren ratlos. Letztendlich riefen wir ein Taxi, denn Paco war wieder bei Bewusstsein und konnte uns seine Adresse nennen.

Dann hörten weder die Leute im Geschäft noch wir im Haus etwas von Paco. Zwischenzeitlich beschlich mich das ungute Gefühl, dass der Taxifahrer Paco einfach ausgesetzt und mit seinem Geld abgehauen ist. Doch gestern stand er auf einmal wieder auf der Straße, als sei nichts gewesen. Als ich auf ihn zugehen wollte, spürte ich, er weicht mir aus und grüßte lediglich.

josefina
Die Dritte im Bunde ist Josefina (der Nachname wird im allgemeinen Sprachgebrauch, besonders von Frauen, unterschlagen). Dieses Plakat will uns weismachen, dass sie Worte hat. Welche? Keine Ahnung.

Die Sorgen reicher Mütter

Entschieden dagegen bin ich, dass Deutschland die Kosten für das mexikanische Gesundheitssystem übernehme. Wie ich auf diesen Unsinn komme? Vor eineinhalb Wochen war ich zu einem Essen eingeladen worden. Dort saßen auch Mütter, deren Kinder aufs Colegio Alemán gehen. Merke wohl, mexikanische Mütter. Und ich rutschte in ein Gespräch über die anstehenden Wahlen.

praesident
Falls dieser freundlich lächelnde Mann Präsident wird, wird es eine Auswanderungswelle der Reichen geben. Schließlich sei er Kommunist, so die Ansicht einer mexikanischen Schicht. Damit lässt sich wohl heute kein Staat mehr machen – außer in Kuba und Nordkorea.

Die Frauen waren sich einig: Alles ist korrupt in diesem Land. Und eine Frau wusste auch schon, was passieren wird, wenn der linke Präsidentschaftskandidat López Obrador die Wahlen gewänne. Dann würden ihr Mann und sie das Land verlassen. Und sie seien bestimmt nicht die einzigen. Auch eine Lösung.

Doch wenn die Reichen das Land verlassen, wer soll dann die Bekämpfung des Drogenhandels bezahlen? Denn das erkannten die Frauen als drängendes Problem. Auch hier hatte eine Frau die Lösung: Das könnten ja dann die Deutschen bezahlen. Allgemeines Gelächter – nur ich stand kurz vor einem Wutanfall.

Da kann ich tatsächlich nur EU-Kommissionspräsident Barroso zustimmen. Er hatte an diesem Montag beim G-20-Treffen in Los Cabos gesagt, dass sie sich von niemanden Lektionen erteilen lassen. Damit hatte er zwar nicht direkt die Mexikaner angesprochen. Aber wenn ich hier die eine oder andere Bemerkung aufschnappe, denke ich auch manchmal, eure Meinung ist bestimmt nicht meine Meinung.

Ich hoffe euch allen geht es gut!

Muchos saludos,
Marion