Ein kurzer Tag in Kassel und warum ich nicht mehr zu Thalia gehen werde.

Die Haltestelle am Rathaus in Kassel. Ich mag die Straßenbahnen sehr. (foto: zoom)

Ein Tag, an dem ich das Sauerland verlasse und irgendwohin fahre, bringt meine ganze Ordnung durcheinander. Heute war es Kassel, und da ist mir erneut und schmerzhaft einiges an der deutschen Kultur aufgefallen.

Ich hole etwas weiter aus und spreche über die Toilettenkultur. Alle müssen pinkeln, aber nur wenige reden darüber.

Auf dem ganzen Weg nach Kassel, besonders an der Autobahn, gab es keine öffentliche Toilette. An genau zwei Rastplätzen hätte ich gegen Gebühr das Wasser abschlagen (Thomas Mann) können.

An den Parkplätzen sind die Umzäunungen inzwischen so nah an den Parkstreifen gerückt, dass man/frau nicht mehr „hinter die Büsche“ kann. Ist ja auch ekelhaft und verwerflich, aber Toiletten sind dort im Gegenzug nicht vorhanden.

Exkurs: In den USA hatte ich diese Probleme nie. Jedes Geschäft, jede Raststätte, jeder öffentliche Ort hatte eine Toilette, deren Benutzung kostenlos war. Die Sauberkeit war im Vergleich zu deutschen Klos außerirdisch gut.

In jedem Geschäft, in JEDEM!!! Geschäft konnte man höflich fragen: „Excuse me, may I use your restrooms?“ und voila, kein Problem, geräumig und sauber.

Ich gebe zu, dass ich etwas gehetzt in Kassel eintraf. Mein zweites Ziel war die Thalia Buchhandlung in der Innenstadt. Café im ersten Stock. Viele Bücher und anderes Zeug.

Auf die Bücher konnte ich mich nicht konzentrieren, weil …,  ihr wisst jetzt schon. Also suchte ich die Toilette (Restrooms). Alle Türen die zum „Örtchen“ hätten führen können, waren durch Alarmriegel gesichert.

Toilette? Null!

Ich habe dann den Hipster hinter dem Tresen des Cafés gefragt: „Entschuldigung, gibt es hier eine Kundentoilette?“

„Nur für die Kunden des Cafés!“, war die Antwort. „Ich darf Sie als normaler Thalia-Kunde da nicht hinein lassen.“

Keine Kundentoilette, und die Bücher, die ich suchte, hatten sie nicht vorrätig. Soviel konnte ich noch mit zusammengekniffenen Knien herausfinden.

Dann bin ich raus aus „Thalia Kassel“, und ich verspreche NIE mehr dort einzukaufen.

Wie ich das Pinkelproblem gelöst habe -und ich habe es gelöst- geht niemanden etwas an.

Die Bücher werde ich in Siedlinghausen bei Kräling1000 bestellen.

Manchmal fühle ich mich wie ein kleiner Spießer oder wer hat hier ein Problem? Fußgänger, Hund oder HundhalterIn?

Hundkot auf geschottertem Fußstieg am Allenberg. (foto: zoom)
Hundkot auf geschottertem Fußstieg am Allenberg. (foto: zoom)

Manchmal fühle ich mich wie ein Spießer, immer dann jedenfalls, wenn ich beinahe in einen dieser gigantischen Haufen von Hundexkrementen getreten wäre.

Heute habe ich Glück gehabt. Der Hundkot-Haufen war auf dem 250 qm hell-geschotterten Fußstieg am Allenberg nicht zu übersehen.

Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass die Verkotung des menschlichen Lebensraums in der Stadt viel weiter fortgeschritten ist.

Vielleicht war der Hundehalter im Moment der Aufnahme nur kurz nach Hause geeilt, um Plastikbeutel und Schaufel zu holen.

Vor drei Jahre hatten wir uns hier im Blog schon einmal Gedanken zum Thema gemacht:

„Nach der Reise: Hundekot in Stadt und Land – “Der Mensch ist das Tier, das hinter Türen scheißt”“

Das Pinkeln wird auch immer teurer.

Eingang zur Toilette im Dortmunder Hauptbahnhof. (fotos: zoom)
Eingang zur Toilette im Dortmunder Hauptbahnhof. (fotos: zoom)

Das Pinkeln wird auch immer teurer.  Zu den preismäßigen Top-Locations zählt für mich der Dortmunder Hauptbahnhof. Einen Euro kostet das Betreten der Toilettenanlage, wobei als Goodie ein Verzehrbon von 50 Cent miterworben wird.

Kennengelernt habe ich das Prinzip auf den bundesdeutschen Autobahnen mit 50 Cent Pinkelgeld inklusive 50 Cent Verzehrbon, einzutauschen bei den Raststätten, die von „Sanifair“ betrieben werden.

Irgendwie fand ich das noch fair, da ich für die 50 Cent  raus 50 Cent für den Kaffee oben rein wieder zurück bekam, auch wenn der Kaffee 2,80€ kostete. Es blieb die Illusion des Nullsummenspiels und die Realität eines gut gepflegten Pissoirs (na, ja … man kann da auch die großen Geschäfte zum gleichen Preis).

dortmundhbfklo02So hatte ich mich mit der Zeit an die fehlende Untertasse auf dem wackligen Tischlein im Gang vor der Herren- und Damentoilette gewöhnt und meinen Frieden mit „Sanifair“ geschlossen.

Dann, eines Tages, musste ich an der Schranke 70 Cent bezahlen und bekam lediglich den 50 Cent Verzehrgutschein zurück, obwohl ich doch für 70 gepinkelt hatte. Irgendwie war ich ein bisschen angepisst. Außerdem war der Kaffee für oben wieder rein auch ein bisschen teurer geworden.

Dortmund heute war dann mein Highlight: Für 100 Cent Pinkeln und mit dem 50 Cent Verzehrbon zum Shoppen gehen.

Noch kenne ich ein Plätzchen, wo man in Dortmund relaxt das Wasser abschlagen kann. Noch – bis zu dem Tag, an dem auch diese letzte Domäne der Freiheit eines deutschen Mannes den kapitalistischen Verwertungsprinzipien unterworfen sein wird.

Nach der Reise: Hundekot in Stadt und Land – „Der Mensch ist das Tier, das hinter Türen scheißt“

Klare Symbolik: Der Kampf gegen Hundekot in Düsseldorf
Klare Symbolik: Der Kampf gegen Hundekot in Düsseldorf

Das Problem sind nicht die Hunde, sondern die Herrchen und Frauchen. Während es in einigen anderen zivilisierten Ländern (z.B. England) durchaus üblich ist, die Exkremente des treuen Weggefährten in Plastiksäckchen aufzulesen, lassen wir Deutschen unsere Lieblinge meist auf alles scheissen was grünt und blüht.

Bis zu meiner kleinen Sommerreise hatte ich die Verkotung unserer Lebensräume für ein städtisches Phänomen gehalten.

Meine These: Die Urbanität eines Wohngebiets ist direkt proportional zur Verkotung der unversiegelten Flächen.

Diese genannte Form der Urbanisierung hat aber anscheinend auch den ländlichen Raum Deutschlands erfasst. Verwundert hat mich hier die wesentlich differenziertere und sprachlich elaboriertere Symbolik der ruralen Anti-Kot-Beschilderung:

An den Ufern der Lahn
An den Ufern der Lahn wird argumentiert

Unsere eigenen, der Menschen, Toilettenanlagen sind an Orten, wo sie nicht im Fünfminutentakt gesäubert werden, in kürzester Zeit genau so vollgesch… und mit Urinpfützen umgeben, wie das kleine, begrenzte Stückchen Erde um den armen Stadtbaum.

Ich weiß nicht, wie es andere Länder, beispielsweise Dänemark oder Schweden, bewerkstelligen, ihre Klos sauber zu halten, aber sie schaffen es.

Ich frage mich, was ein Schwede über uns Deutsche denkt, nachdem er das Toilettenhäuschen auf einem deutschen Autobahnparkplatz besucht hat.

„Der Mensch ist das Tier, das hinter Türen scheißt“, sagte Burton (in: Bernward Vesper, Die Reise, Jossa 1977, S. 13)