Bildung nur noch gegen Cash?!

Als ich heute morgen mit dem Auto Richtung Dinslaken

Die Neustraße in Dinslaken am Sonntag
Die Neustraße in Dinslaken am Sonntag

donnerte, begeisterte mich ab 11.05 auf WDR5 ein gut gemachtes Feature:

„In Düsseldorf erteilt ein Unternehmen Englisch-Unterricht per Telefon und Internet. Deren Lehrkräfte sitzen in den USA, in Kanada und im Billiglohnland Philippinen. In Bad Honnef kaufen deutsche Finanzinvestoren eine private Fachhochschule. Sie vermarktet weltweit Studiengänge für Hotel-, Luftverkehrs- und Eventmanagement. Von Gelsenkirchen aus steuert die Schülerhilfe GmbH rund 1.100 private Nachhilfe-Schulen. Die Nachhilfe ist als Franchise-System organisiert, wie bei McDonald’s oder den Kamps-Bäckereien. Auch in Nordrhein-Westfalen sind private Bildungsanbieter auf dem Vormarsch. Ihr Ziel: Rendite. Ihr Kalkül: Das öffentliche Bildungswesen ist unterfinanziert und wird den Anforderungen der Zukunft nicht gerecht. Also beste Aussichten für kommerzielle Anbieter. Gibt es hochwertige Bildung bald nur noch gegen Cash? Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden? Das fragen wir Investoren und Wissenschaftler. Wir besuchen private Bildungseinrichtungen und sprechen mit Studierenden, Schülern und Eltern…“

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Antolin schlägt zu!

Ich hatte es bereits geahnt. Antolin entwickelt sich zum Lesekontrollprogramm mit Zensurengebung. Ein Gerücht besagt, dass an einer Winterberger Schule die Lehrerinnen und Lehrer die von ihren schutzbefohlenen Schülerinnen und Schülern bei Antolin erreichten Punkte mit in die Zensur einfließen lassen. Glücklich die Gören, deren Eltern sich an ihre selbst gelesenen Kinderbücher noch erinnern und dieses Wissen dann fleißig in Antolin einhacken. Pech für die Brut, deren Erzeuger und Betreuer schon in der eigenen Kindheit ihre Zeit vor der Glotze abgehangen haben, statt Erich Kästner zu lesen.

Schluss mit der Dressurschule!?

Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Psychatrischen Klinik der Universität Göttingen, hat der SZ ein spannendes Interview gegeben. Ein Auszug:

SZ Wissen: Wie sieht dann die ideale Schule aus?

Hüther: Sie muss individuell auf die Kinder eingehen und ihre Begeisterung wecken, oder besser: die Begeisterung erhalten. Jedes Kind kommt mit Entdeckerfreude und Gestaltungslust auf die Welt, und es ist kein Naturgesetz, dass es irgendwann die Lust am Lernen verliert. Eine gute Schule erkennt man daran, dass die Kinder morgens gern hingehen und traurig sind, wenn die Ferien beginnen.

SZ Wissen: Früher wurde niemand gefragt, ob ihm das Lernen Spaß macht.

Hüther: „Schule muss wehtun!“ Mit dieser Haltung werde ich immer wieder bei meinen Vorträgen konfrontiert. Da kommt dann zum Beispiel ein Mann auf mich zu und sagt: „Ich hab das auch alles erlitten und bin trotzdem Professor geworden.“ Ich erwidere dann meistens: „Wer weiß, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie Spaß gehabt hätten?“ Dann werden die Leute oft sehr nachdenklich.

Kein Geld – geringe Bildungschancen

Mainzer Soziologen weisen in einer Studie den Einfluß sozialer Herkunft auf den Bildungsweg unserer Kinder nach. Arme Kinder werden selbst bei gleicher Leistung benachteiligt.

Das kann doch nicht sein 😉 Mein Gegenbeweis: Die meisten Lehrerinnen und Lehrer, die ich kenne, richten sich streng nach objektiven Leistungskriterien. Woher ich das weiß? Das sagen die Lehrerinnen und Lehrer selbst, und das, was Lehrerinnen und Lehrer sagen, stimmt!

Ganztag, aber keine ganze Schule

Die meisten sogenannten Ganztagsschulen sind nichts anderes als Halbtagsschulen mit anschließender Hortbetreuung. Um echte Ganztagsschulen zu schaffen fehlt es fast überall an Räumen und Personal. Allein die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer müsste um 30 Prozent erhöht werden. Solange dies nicht geschieht, werkeln Eltern, Sportvereine, 400 Euro Kräfte u. a am Nachmittag an unseren Schulen herum. „Ganzer Tag, halbe Kraft„, titelte gestern die Süddeutsche Zeitung.

Hamburg – wo sind deine Lehrer?

Haben wir denn nun Lehrermangel oder nicht? Den Schülern kann gar nicht genug ausfallen, die Eltern sehen die ausgefallen Stunden etwas kritischer. Ganze Epochen werden im Geschichtsunterricht ausgelassen. In12 Jahren zum Abi, da muß man „rennen“, da muß der Lehrer sich entscheiden, fällt das Römische Reich weg oder die Pest? Keine Zeit um nachzuholen. Geschichte kann man nach lesen, aber Mathe, Physik, etc. das muß man erst einmal verstehen.

Wie war das noch einmal? Der gleiche Stoff in 12 Jahren statt in 13 Jahren, in größeren Klassen, ohne entsprechende Bücher, denn die gibt es ja noch nicht = dann lernen die Kinder mehr und sind besser auf den europäischen Arbeitsmarkt vorbereitet. Und mit weniger Lehrern oder doch nicht?

Aus dem Hamburger Abendblatt:

GEW: In Hamburg droht ein dramatischer Lehrermangel

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht auf Hamburgs Schulen dramatische personelle Engpässe zukommen. Nach Einschätzung von GEW-Chef Klaus Bullan sei die Stadt nicht ausreichend auf die anstehende massive Pensionierungswelle der kommenden Jahre vorbereitet. Demnach würden bis zum Jahr 2014 genau 35 Prozent aller Lehrkräfte, das sind rund 5500 Lehrerinnen und Lehrer, in den Ruhestand gehen. „Kein Bereich des öffentlichen Dienstes kommt auch nur annähernd auf eine solche Quote“, so Bullan. Jede vierte Lehrkraft scheide wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig aus – eine Quote, die nur noch von den Beschäftigten des Strafvollzugs übertroffen werde.

Alleine um diejenigen zu ersetzen, die in den Ruhestand gehen, brauche Hamburg laut Bullan mindestens 1000 neue Lehrerstellen pro Jahr – im Laufe der kommenden sechs Jahre. „Die Behörde hat nun die Aufgabe, die konkrete Zahl und den Finanzierungsaufwand zu berechnen und Lösungen zu finden“, sagte Bullan. Darüber hinaus kritisierte Bullan scharf, dass es in Hamburg weder Altersermäßigung noch Altersteilzeitregelungen für beamtete Lehrkräfte gebe. „Heute haben die Lehrer auf den letzten Metern ihres anstrengenden Berufslebens keine Aussicht mehr auf Entlastung“, so Bullan, „das muss sich dringend ändern.“

Schulbehörden-Sprecherin Annegret Witt-Bartel sprach von „nicht belastbaren Zahlen“ der GEW. Die durch Pensionierungen frei werdenden Stellen würden nachbesetzt, über die darüber hinaus benötigten Stellen würden zurzeit „differenzierte Berechnungen“ angestellt werden.

Einen Tag später:

Senatorin: Hamburg hat genug Lehrer

224 500 Jungen und Mädchen werden im neuen Schuljahr in den 394 staatlichen Schulen unterrichtet. Das ist ein Plus von 0,4 Prozent.

Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) rechnet in den kommenden Jahren trotz steigender Pensionierungsraten nicht mit einem Lehrermangel in Hamburg. „Wir werden den Bedarf decken können“, sagte Goetsch. Derzeit gebe es 2165 Bewerber für die 271 Referendariatsplätze.

Allerdings seien unter den Interessenten auch Hochschulabgänger, die sich in mehreren Bundesländern gleichzeitig beworben hätten.

Goetsch sieht den Standortfaktor als entscheidenden Grund für die günstige Lage. „Hamburg ist attraktiv. Außerdem bildet die Universität weit über den Hamburger Bedarf aus“, sagte die Senatorin. Bis zum Jahr 2012 werden laut Goetsch 2620 der 15 496 Lehrer (Stand Dezember 2007) pensioniert. Allein in diesem Jahr werden 604 Lehrkräfte neu eingestellt. Mehr als 100 Stellen kommen zusätzlich an die Schulen, um unter anderem Unterricht in kleineren Klassen zu ermöglichen. „Die Lehrer sind da. Die Stellen sind da. Das Geld ist da“, lautete Goetschs fröhliche Botschaft zu Beginn des Schuljahres am Donnerstag.

Die Senatorin räumte ein, dass es einen Mangel an Nachwuchspädagogen in einzelnen Fächern – Musik und Naturwissenschaften – gebe. „Dieses Problem existiert bundesweit. Hier helfen nur gezielte Werbemaßnahmen bei Abiturienten, um das Lehramt in diesen Fächern attraktiver zu machen“, sagte Goetsch, die selbst Biologie und Chemie unterrichtete.

Hamburg – deine Schüler

Ausser Hafen, Schiffe und die große weite Welt gibt es hier in Hamburg: Die schwarz-grüne Koalition.

Dinges-Dierig: Ihr Name rief bei den betroffenen Versuchskaninchen (landläufig als auch unter der Bezeichnung Schüler bekannt) Wut, Empörung, Protest hervor. Hoch geschraubt sind die Hoffnungen, dass die Experimente aufhören. Immerhin ist doch jetzt die GAL mit an der Macht und die waren mit an der vordersten Front: für Mitbestimmung von Eltern z.B. bei der Auswahl der Schulen, gegen die Schließung der Schulen, für mehr Lehrer, kleinere Klassen. Und nun?

Auszüge aus der TAZ vom 3. September 2009:

Hamburg schafft das Elite-Gymnasium

Um die neue Stadtteilschule stark zu machen, soll es Pläne der Hamburger Bildungsbehörde geben, den Anteil der Gymnasiasten zu reduzieren. Dafür müsste aber künftig schon am Ende der Grundschule kräftig ausgesiebt werden

Wer wird Primarschule, wer Stadtteilschule, wer Gymnasium? Ende September beginnen im schwarz-grün regierten Hamburg die „regionalen Schulkonferenzen“, die über die künftige Schulstruktur vor Ort beraten sollen. Zentrale Neuerung ist die sechsjährige Grundschule. Wie aus Lehrerkreisen zu hören ist, hat der zentrale Planungsstab in der Behörde eine Zielvorstellung formuliert: Um die Stadtteilschule, an der in 13 Jahren auch das Abitur abgelegt werden kann, stark zu machen, sollen nach der 6. Klasse 70 Prozent eines Jahrgangs dorthin wechseln und nur 30 Prozent aufs Gymnasium.

Diese Aufteilung wurde bislang in der Bildungsszene nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Zurzeit gehen in Hamburg nach der Grundschule 50 Prozent der Schüler aufs Gymnasium und die andere Hälfte auf Gesamt-, Haupt- oder Realschulen. Künftig sollen diese beiden Schulformen zur Stadtteilschule verschmelzen und neben dem Gymnasium die zweite Säule des Schulsystems bilden.

In der Debatte um dieses Modell, auf das sich CDU und SPD vor anderthalb Jahren in einer Enquête-Kommission zur Schulstruktur einigten, war die Rede davon, dass es eine Aufteilung von 60 zu 40 geben müsse, damit „die Stadtteilschule eine Chance hat“, wie es Kommissionsmitglied Reiner Lehberger formulierte. Eine richtige Quote wollten im Vorwahlkampf aber weder die frühere CDU-Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig noch die ebenfalls von diesem Modell begeisterte SPD einführen. „Politik sollte keine Prozente vorgeben, sondern über Attraktivität der neuen Schulform überzeugen“, sagte die SPD-Politikerin Britta Ernst im taz-Interview. Und Senatorin Dinges-Dierig sagte, es könnte sein, dass Eltern den 13-jährigen Bildungsgang zum Abitur attraktiver fänden, „so dass wir hier eine Verschiebung von 50 zu 50 auf 60 zu 40 erreichen“.

Nun ist alles anders. Es gibt die Aufteilung erst nach Klasse 6 und dabei keine Berücksichtigung des Elternwillens mehr. Wenn jetzt die Schulbehörde in die konkrete Entwicklungsplanung einsteigt, wird auch über Kapazitäten gesprochen. Wenn am 22. September die ersten Stadtteilkonferenzen tagen, bekommen sie von der Behörde bis dato noch unbekannte Eckpunkte an die Hand. „Der Buschfunk sagt, dass 30 zu 70 in der Behörde diskutiert wird. Ich glaube, dass es darum einen Machtkampf gibt“, sagt eine Schulleiterin, die ihren Namen nicht nennen will. Es sei vor allem die Fraktion der Gymnasiums-Schulräte, die auf eine kleine Gymnasiasten-Zahl drängt. Denn im künftigen Schulmodell, das haben Grüne und CDU im April in den Koalitionsgesprächen vereinbart, sollen die Gymnasien von Klasse 7 bis 10 alle Schüler behalten. „Nun legt man die Quote derer zu Grunde, die in Klasse 10 ankommen, und sagt, das seien besagte 30 Prozent.“ Die Selektion würde einfach vorweggenommen.

„So ein Modell wäre eine Katastrophe“, sagt eine Gesamtschulleiterin. „Wenn das Gymnasium klein ist, sagt ein Drittel der Hamburger Schüler: ,Ich habe einen Orden bekommen.‘ Die Eltern, deren Kinder nicht dabei sind, werden stinksauer sein.“

Die Sprecherin der Volksinitiative „Schule für alle“, Sabine Boeddinghaus (SPD), sieht sich in ihrer Kritik am Zwei-Säulen-Modell bestätigt: „Um das zu schaffen, muss man das Gymnasium viel elitärer machen“, sagt sie. „Auf der Strecke bleiben die Eltern, die Kinder, die Pädagogik und die Nerven.“ Andere aus der Gesamtschulszene haben durchaus Verständnis für dieses Vorgehen. Muss doch verhindert werden, dass die Stadtteilschule, in der auf die inzwischen aufgelöste Hauptschule eingeht, zur Restschule wird. „Wenn schon nicht Schule für alle, dann wenigstens für fast alle Schüler“, sagt ein anderer Schulleiter.Die Sprecherin der Bildungsbehörde, Annegret Witt-Barthel, bestätigt, dass es eine Diskussion um die Aufteilung gibt. „Ja, es wird über einen Schlüssel diskutiert. Das ist aber auch schon zu Zeiten der Enquête-Kommission der Fall gewesen“, sagt sie zur taz. „Aber es gibt noch keine Festlegung.“ So einen Schlüssel könne es aber auch nur als Richtwert geben. Witt-Barthel: „Er kann nicht stichgenau sein, das würde an der Beurteilung des einzelnen Schülers vorbeigehen.“

SCHWARZ-GRÜNE BILDUNGSPLÄNE

Die Koalition aus CDU und Grünen hat sich in Hamburg auf eine weitreichende Schulreform verständigt. Die Kinder werden ab 2010 nicht mehr nach Klasse 4 in Schulformen getrennt, sondern erst nach Klasse 6. Im Anschluss entscheidet die Klassenkonferenz, ob ein Kind auf das Gymnasium oder die Stadtteilschule kommt. In beiden Schulen ist das Abitur möglich – einmal nach zwölf und einmal nach 13 Jahren. Ziel der Reform ist es laut Schulsenatorin Christa Goetsch, mehr Kindern zu höheren Bildungsabschlüssen zu verhelfen. Die Umsetzung der Reform soll von September bis Mai in 22 professionell moderierten Bildungskonferenzen in den Stadtteilen geplant werden, an denen neben Lehrern, Eltern, Schülern und Schulen auch Kitas und Bezirksvertreter teilnehmen. Auf Grundlage ihrer Empfehlungen will dann die Behörde entscheiden, welche Schulform wo angeboten wird. Parallel laufen in Hamburg eine Volksinitiative zum Erhalt der Gymnasien und ein Volksbegehren für eine „Schule für alle“.

Die Schule hat begonnen

Die Hälfte der Deutschen halte das Schulsystem für ungerecht, behauptet nicht nur der Spiegel. Die Bildungsdiskussion ist allerdings kompliziert, weil als mächtiger „Spieler“ die Bertelsmann Stiftung ihre wirtschaftlichen Interessen nicht ungeschickt in dieser unübersichtlichen Gemengelage vertritt.

Sommertheater

Die Einschläge kommen für Schulministerin Sommer immer näher: Schon seit längerem werden die wichtigen bildungspolitischen Entscheidungen nicht mehr in ihrem Ministerium, sondern von einem Team um MP Rüttgers getroffen. Jetzt wird ihr Pressesprecher herausgeworfen und die traditionelle Pressekonferenz vor Schuljahresbeginn abgesagt. Die Medien, hier zum Beispiel der WDR, kommentieren die verspätet vorgestellte Schulstatistik mit großem Argwohn.