LobbyControl: Nüßlein, Amthor, Spahn – Union muss Konsequenzen ziehen

Berlin. Angesichts der neuen Lobbyskandale um den CSU-Politiker Georg Nüßlein sowie die Beteiligung des Gesundheitsministers Spahn an einem fragwürdigen Spenden-Dinner fordert LobbyControl eine umfassende Verschärfung der Lobby- und Transparenzregeln. Die Union produziere einen Lobbyskandal nach dem nächsten und blockiere zugleich notwendige Schritte für mehr Transparenz und klare Regeln beim Lobbyismus, so die Organisation.

(Pressemitteilung LobbyControl)

„Nach dem Skandal um den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor hat die große Koalition angekündigt, endlich ein Lobbyregister einzuführen, doch die Union steht auf der Bremse und lehnt umfassende Transparenz ab“, sagt Imke Dierßen, politische Geschäftsführerin von LobbyControl. „Die neuerlichen Skandale zeigen klar: Wir brauchen eine umfassende Reform der Regeln, das fängt beim Lobbyregister an. CDU und CSU müssen unter Beweis stellen, dass sie fragwürdige Lobbygeschäfte nicht dulden. Der erste Schritt dazu muss jetzt sein, den Widerstand gegen ein auch die Ministerien umfassendes Lobbyregister aufzugeben.“

Das Lobbyregister-Gesetz muss aus Sicht von LobbyControl zudem um weitere Regeln ergänzt werden: „Die Fälle Nüßlein und Amthor unterstreichen, dass auch die Regeln für Abgeordnete verschärft werden müssen. Eines muss glasklar sein: Abgeordnete dürfen ihre Stellung nicht für private Vorteile nutzen, und bezahlte Lobbyarbeit gegenüber Ministerien des Bundes und der Länder muss ihnen untersagt sein“, fordert Dierßen.

Abgeordnete dürfen keine Lobbyisten sein

Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft München Ermittlungen gegen Nüßlein wegen des Anfangsverdachts auf Abgeordnetenbestechung und Steuerhinterziehung aufgenommen hat. Nüßlein steht im Verdacht, gegen Provision Kontakte zu verschiedenen Ministerien im Auftrag eines Herstellers von Gesichtsmasken vermittelt zu haben.

„Es ist gut, dass die Staatsanwaltschaft den schwerwiegenden Vorwürfen nachgeht. Es gilt die Unschuldsvermutung, doch der Fall zeigt bereits jetzt, dass die Regeln für Abgeordnete dennoch deutlich verschärft werden müssen“, sagt Dierßen. LobbyControl fordert, dass Bundestagsabgeordnete, die neben ihrem Mandat als Berater tätig sind, Angaben zu ihren Klienten machen müssen.

„Es kann nicht sein, dass Abgeordnete nebenher Kunden entgeltlich beraten und niemand erfährt, wer diese Kunden sind, wofür das Geld fließt und ob die Beratung sich mit der politischen Arbeit überschneidet. Das muss der Gesetzgeber ändern“, so Dierßen.

Außerdem müsse laut LobbyControl transparenter werden, wenn Abgeordnete an Unternehmen beteiligt sind und welche Einkünfte sie aus solchen Beteiligungen erhalten. Bislang müssen Abgeordnete solche Beteiligungen nur ab einer Schwelle von mehr als 25 Prozent der stimmberechtigten Anteile offenlegen. „Das öffnet Verschleierung von wirtschaftlichen Interessen Tür und Tor“, sagt Imke Dierßen.

„Die Regeln für Abgeordnete müssen umfassend neu geordnet, klarer gefasst und vereinfacht werden. Werden die Regeln verletzt, müssen die Sanktionen deutlich verschärft werden. Fälle wie Amthor oder Nüßlein beschädigen das Ansehen des gesamten Parlaments, das muss künftig verhindert werden.“

Zugang zum Minister gegen Parteispenden

Die Teilnahme von Gesundheitsminister Jens Spahn an einem von einer Lobbyagentur organisierten Unternehmens-Dinner im vergangenen Oktober wirft zudem ein Schlaglicht auf die unzureichenden Regeln im Bereich der Parteienfinanzierung. Die Veranstaltung wurde organisiert von der Agentur Wolffberg des früheren sächsischen CDU-Staatssekretärs Peter Zimmermann. Laut Medienberichten wurden die Teilnehmer des „Salon Brückenkopf“ von Zimmermann dazu aufgefordert, jeweils 9.999 Euro an Spahns Kreisverband im Münsterland zu spenden. Laut Spahns Büro sind dort im Nachgang des Dinners die Spenden auch eingegangen.

„Der Zugang zu amtierenden Regierungsmitgliedern kann doch nicht wie auf dem Marktplatz verkauft werden, das ist aus unserer Sicht ein Unding“, sagt Imke Dierßen. „Es ist schon sehr auffällig, dass die Spenden haarscharf unterhalb der Veröffentlichungsschwelle liegen, die Spenden sollten also bewusst aus der Öffentlichkeit herausgehalten werden.“

LobbyControl fordert gemeinsam mit anderen Transparenzorganisationen eine Absenkung der Veröffentlichungsschwelle von 10.000 auf 2.000 Euro. „Die Regeln für Parteispenden sollten zudem eindeutig festhalten, dass für den Zugang zu Amtsträgern keine Zuwendungen fließen dürfen“, fordert Dierßen.

Hintergrund

Das Lobbyregister-Gesetz steckt nach wie vor in den Verhandlungen zwischen Union und SPD fest. Um welche Streitpunkte es zuletzt ging, haben wir hier zusammengefasst.

PRESSEMITTEILUNG: LobbyControl begrüßt SPD-Vorstoß zu mehr Lobbytransparenz

In unserem BriefkastenBerlin. (pressemitteilung) Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Gesetzentwurf für mehr Transparenz beim Lobbyismus und dem Parteiensponsoring vorgestellt und angekündigt, ihn noch vor der Bundestagswahl durchsetzen zu wollen.

Die Transparenzinitiative LobbyControl kommentiert:

„LobbyControl begrüßt den SPD-Vorstoß zu mehr Lobbytransparenz ausdrücklich. Der Schritt ist überfällig. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, wer wie politische Entscheidungen beeinflusst“, sagt Imke Dierßen, Geschäftsführerin von LobbyControl.

LobbyControl fordert seit Jahren ein verpflichtendes Lobbyregister. Dazu hat die Initiative Anfang Februar gemeinsam mit Abgeordnetenwatch einen Gesetzentwurf vorgestellt. „Es ist gut, dass die SPD nun mit einem eigenen Gesetzentwurf nachlegt“, so Dierßen. „Wir begrüßen außerdem den Willen der SPD, auch für das Parteisponsoring Transparenz zu schaffen. Der Vorschlag bleibt jedoch weit hinter unseren Erwartungen zurück und ist auch keine adäquate Antwort auf den Rent-a-Sozi-Skandal.“

„Wir werden nun genau beobachten, wie Ernst es die SPD mit ihrer Ankündigung meint, das Gesetz noch vor der Bundestagswahl auf den Weg zu bringen. Der Ball liegt nun aber vor allem bei der Union. Sie hat durch ihre Blockadehaltung bei den Themen Lobbyregister und Parteiensponsoring Intransparenz und Politikverdrossenheit jahrelang befördert“, sagt Imke Dierßen.

Hintergrund:

Um Schwung in die Debatte um mehr Lobbytransparenz zu bringen, hatten LobbyControl und Abgeordnetenwatch im Januar einen Gesetzentwurf für ein verpflichtendes Lobbyregister vorgestellt. Durch das Gesetz würden erstmals klare Regeln für Lobbyistinnen und Lobbyisten aufgestellt. Dazu gehören eine unabhängige Kontrollbehörde, Sanktionen bei Verstößen, sowie ein legislativer Fußabdruck, der nachvollziehbar macht, wer Einfluss auf Gesetzentwürfe genommen hat.

Mehr zu unserem Gesetzentwurf finden Sie hier: https://www.lobbycontrol.de/2017/02/durchblick-fuer-die-demokratie-gesetzentwurf-fuer-lobbyregister-vorgestellt/

Mehr Informationen zum Rent-a-Sozi-Skandal bei der SPD finden Sie hier: https://www.lobbycontrol.de/2016/11/parteienfinanzierung-braucht-klare-regeln/

LobbyControl hatte dazu auch ein Eckpunktepapier zu Sponsoring und Wahlkampffinanzierung veröffentlicht.

+++Lobby-Hausausweise vor Gericht – LobbyControl fordert grundlegende Reform // Morgen mündliche Verhandlung im Verwaltungsgericht Berlin+++

Pressemeldung der Organisation Lobbycontrol. (foto: lobbycontrol)
Pressemeldung der Organisation LobbyControl. (symbolfoto: lobbycontrol)

Berlin/Köln, 17. Juni 2015. (pm_lobbycontrol) Am morgigen Donnerstag wird vor dem Verwaltungsgericht Berlin die Frage verhandelt, ob offengelegt werden muss, welche Lobbyisten im Besitz von Hausausweisen für den Bundestag sind. Geklagt hatte die Initiative abgeordnetenwatch.de.

LobbyControl begrüßt die Klage und fordert den Bundestag auf, die Debatte um die Hausausweise zu nutzen, um endlich grundlegend mehr Transparenz im Lobbyismus zu schaffen.

Timo Lange von LobbyControl: „Die Geheimniskrämerei muss ein Ende haben. Wir als Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, wer in wessen Auftrag in Berlin politische Entscheidungen beeinflussen will. Die Debatte um die Hausausweise sollte konstruktiv genutzt werden, um bei der Lobbytransparenz grundsätzlich voranzukommen. Wir brauchen ein verpflichtendes Lobbyregister für alle Lobbyisten, ob mit oder ohne Hausausweis. Andere Länder machen vor, wie ein umfassendes und verpflichtendes Register für Lobbyisten funktionieren kann.“

LobbyControl fordert seit Langem ein verpflichtendes Lobbyregister. Denn in die bisherige Verbändeliste des Bundestags müssen sich Unternehmen, Lobbyagenturen und Anwaltskanzleien nicht eintragen, wenn sie Lobbyarbeit in Berlin machen. Sie könnten es selbst dann nicht, wenn sie wollten. Die Eintragung ist nur für Verbände möglich, obwohl es heute sehr viel mehr Lobbyakteure gibt, wie Unternehmen, Lobbyagenturen oder Anwaltskanzleien. „Die Verbändeliste ist nicht mehr zeitgemäß und sollte durch ein Register ersetzt werden, das alle Lobbyakteure erfasst. Damit würde man sich auch die aktuelle Debatte um Hausausweise ersparen“, so Lange.

Doch noch hakt es dabei vor allem am Widerstand aus der Union. „Im Grunde haben wir eine Mehrheit im Bundestag für ein verpflichtendes Lobbyregister. Sowohl die Opposition als auch die SPD haben sich in dieser Legislaturperiode dafür ausgesprochen. Warum die Union hier immer noch mauert, ist kaum noch nachvollziehbar. Schließlich sprechen sich inzwischen auch viele Lobbyisten und Lobbyistenverbände für ein Lobbyregister aus“, so Lange.

Während die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (degepol) ein solches Register schon seit Längerem befürwortet, hat sich kürzlich auch die Deutsche Public-Relations Gesellschaft (DPRG) der Forderung angeschlossen. Letztere hatte bisher auf freiwillige Selbstregulierung gesetzt. „Wenn sogar Lobbyisten mehr Transparenz wollen, wenn die Zivilgesellschaft mehr Transparenz will, wenn es Vorbilder in anderen Ländern gibt, dann sollten die Parteien endlich reagieren“, fordert Lange.

Hintergrund: Weitere Informationen zum Lobbyregister und der Vergabepraxis bei den Hausausweisen finden Sie im Lobbyreport 2013 (S.10-14): https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Lobbyreport2013.pdf