Hinter den Zahlen der Stadt Winterberg: Was bedeutet der Einbruch bei den Einnahmen vom Jahr 2014 zum Jahr 2015?

Schreenshot der Seite 100 oben: die Überschriften.
Screenshot der Seite 100 oben: die Überschriften.

Als ich vorgestern die Einnahmestatistik[1] der Stadt Winterberg genauer angeschaut habe, fiel mir sofort der Einbruch bei den Einnahmen vom Jahr 2014 im Vergleich zu 2015 auf: -32,4%, in absoluten Zahlen von 23.398.152 € auf 15.818.366 €. Die Differenz beträgt 7.579.786 €.

Spontan habe ich gedacht, dass der Stadt Winterberg aber eine Menge Steuern bzw. Subventionen entgangen sein müssten,  aber die in der Statistik angegebenen Positionen (siehe Tabelle: Steuern) erklären diese Differenz nicht.

Der Gewerbesteuerumlagerückgang ist viel zu gering um die 7 Millionen Euro erklären zu können. Auch addieren sich die Steuern nicht auf den in der Kopfzeile angegebenen Gesamtbetrag. Es muss also etwas fehlen.

Ein aufälliger Rückgang der Einnahmen von 2014 zu 2015.
Ein auffälliger Rückgang der Einnahmen von 2014 zu 2015.

Wir haben dann mal nachgefragt, und dabei gelernt, dass Einnahmen erst einmal nichts über die dahinter stehenden wirtschaftlichen Vorgänge aussagen. Vor allen Dingen, können wir nicht den Fehlschluss ziehen, dass weniger Einnahmen in der Bilanz schlecht und mehr Einnahmen gut sind.

Wie das?

Schauen wir uns die von IT.NRW auf unsere Nachfrage hin ergänzten Daten an.

Da haben wir den Schuldigen für den Einbruch der Einnahmen: ein Kredit über 7 Millionen Euro.
Da haben wir den Schuldigen für den Einbruch der Einnahmen: ein Kredit über 7,8 Millionen Euro.

Im Jahr 2014 hat die Stadt Winterberg einen Kredit (s. o. Position 692) über ca.  7,8 Millionen Euro aufgenommen. Dieser Kredit geht bei der Bilanzierung als Einnahme auf die andere Seite der Kontenführung. Verbindlichkeiten vulgo Schulden führen zu Erhöhung der Einnahme.

Alles klar? Sonst noch mal so: Wenn Sie bei der Bank einen Kredit von 10.000 Euro aufnehmen, also Schulden machen, um sich ein Auto zu kaufen, dann tauchen diese 10.000 nicht nur als Schulden auf, sondern auch als Guthaben auf ihrem Girokonto.

Oder wie es IT.NRW uns gegenüber erklärt:

In der vierteljährlichen Kassenstatistik werden Kreditaufnahmen als Einnahmen verbucht, auf der anderen Seite der Bilanz werden die Aufwendungen für die Abzahlung der Kredite als Ausgaben verbucht. Dies erscheint auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz sinnvoll, aber nachdem die Kommunen in NRW nunmehr alle ihre Buchführungsmethode von Kameralistik auf Doppik umgestellt haben, ist diese Art der Buchung unbedingt erforderlich.

Die Frage, die jetzt noch bleibt:

Sie haben sich mit Hilfe der 10.000 Euro ein Auto gekauft. Was hat die Stadt Winterberg mit den 7,8 Millionen Euro gemacht?

Die Vermutung liegt nahe, dass die Kreditaufnahme mit dem „Heimfall“ des Oversums zu tun hat. Um diese Mutmaßung zu erhärten, reicht allerdings das vorliegende Zahlenmaterial von IT.NRW noch nicht aus.

Wir müssten die Ausgabenseite kennen – also für Ihr Auto oder für Winterbergs Oversum.

Lernen kann man auf jeden Fall, dass 7,8 Milionen Einnahmen für eine Gemeinde nicht automatisch etwas Gutes bedeuten. Es könnten beispielsweise böse Schulden sein, oder aber auch gute Steuereinnahmen.

[1] siehe auch den gestrigen Beitrag IT.NRW: Einnahmen der NRW-Kommunen im ersten Halbjahr 2015 um 4,8 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Absicherung von Krediten: Winterberger Skiliftbetreiber wollen Hüttengrundstücke von der Stadt kaufen.

Möppis Hütte am Poppenberg 2012 (archiv): zoom)
Möppis Hütte am Poppenberg 2012 (archiv:  zoom)

Die Winterberger Skiliftbetreiber wollen die von der Stadt gepachteten(?) Grundstücke, auf denen ihre Skihütten stehen, kaufen. Dies geht aus den Unterlagen zur Haupt- und Finanzausschusssitzung vom 4. Februar 2014 hervor (siehe Ratsinformationssystem).

Insgesamt  31 Betriebe, für die zur Zeit ein Kaufgesamtkonzept verhandelt wird,  stehen auf einer Liste, welche dem Ausschuss Anfang Februar vorgelegt wurde.

In einem Papier von November 2013 hieß es zu den Hintergründen des Verkaufs:

„Vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen bei der Besicherung von Investitionskrediten kann sich der Rat einen Verkauf von städtischen Grundstücken in Skigebieten grundsätzlich vorstellen.“

In einem Sammelschreiben von sieben Skiliftbetreibern vom 29. Januar 2014 wird beantragt „die Immobilien zum Zweck der Besicherung und Absicherung künftiger Investitionen -in Abhängigkeit vom Kaufpreis- zu erwerben.“

Die Stadt verhandelt also derzeit wohl a) über den Verkaufspreis und b) über die Gesamtmodalitäten des Verkaufs. Wo liegt das Problem?

Die städtischen Grundstücke können von den Skiliftbetreibern nicht in Verhandlungen zur Kreditaufnahme in die Verhandlungen mit den Banken eingebracht werden. Kredite sind für die großen Investitionen der Vergangenheit getätigt worden und werden aller Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nötig.

Gelangen die Grundstücke in Besitz der Skiliftbetreiber, werden sie zur Gewerbeflächen und können zur Absicherung von Krediten herangezogen werden.

Damit haben die Grundstücke einen potentiellen Wert, der höher ist als der derzeitige Verkehrswert als städtische Fläche.

Würde die Stadt jetzt sagen „Liebe Skiliftbesitzer, Ihr habt soviel für Winterberg getan, dass wir euch die Flächen zu dem niedrigen Preis verkaufen“, machte sie sich versteckter Subventionen schuldig, weil ja in der Differenz zwischen niedrigem Wert als Pachtfläche und dem höheren Wert als Gewerbefläche ein geldwerter Vorteil steckt.

Das ist gesetzlich nicht so einfach, denn dann könnten andere Gewerbe in Winterberg gleichfalls Subventionen verlangen. Außerdem würde die Stadt, das „Eigentum“ der Bürgerinnen und Bürger, nämlich die städtischen Flächen, unter Wert „verscherbeln“ und gewissermaßen die Differenz verschenken.

Weiterhin könnte man annehmen, dass die Skiliftbetreiber durch die in der Vergangenheit getätigten hohen Investitionen ihren jetzigen finanziellen Rahmen eingeschränkt haben. Sie bräuchten in diesem Fall weitere Kredite, um ihre Spielräume wieder zu erweitern. Diese Kredite gibt es von Banken gemeinhin nur, wenn es etwas zu besichern gibt, nämlich in diesem Fall die noch zu erwerbenden Grundstücke.

Noch ein Punkt könnte wichtig sein. Es ist anzunehmen, dass nicht alle Betriebe in gleichem Maße Investitionskredite aufgenommen haben, bzw. aufnehmen werden. Diese Betriebe würden trotzdem auf Gleichbehandlung pochen.

Ein Gesamtkonzept muss also her. Dies wird unter Federführung der Tourismus- und Wirtschaft GmbH (Michael Beckmann) verhandelt und erarbeitet („runder Tisch“).

Das weitere Verfahren wird laut Beschlussvorlage vom 4. Februar*** folgendermaßen sein (Hervorhebungen von mir):

„Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Ausführungen dieser Verwaltungsvorlage zur Kenntnis und verweist die Angelegenheit zur weiteren Vorberatung an die Ratsfraktionen. Anschließend soll in einer der nächsten Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses eine Grundsatzentscheidung im öffentlichen Teil getroffen werden. Im nicht-öffentlichen Teil sollen anschließend die konkreten Verkaufsmodalitäten und Rahmenbedingungen festgelegt werden.“

*** sämtliche Angaben, Protokolle, Grundstückspläne usw., sind den Unterlagen zur Sitzung am 4. Februar zu entnehmen, die im Ratsinformationssystem einzusehen bzw. herunterzuladen sind.