Spurensuche: Familie Löwenstein aus Assinghausen

Jettchen Löwenstein im Gedenkbuch der Stadt Düsseldorf

Das sogenannte „Judenhaus“ in Assinghausen um 1936 (Foto: Dr. Karl Weiken)

Im gedenkbuch-duesseldorf.de wird an eine gebürtige Assinghauserin erinnert. Jettchen (Henriette) Löwenstein hieß sie. Als Geburtsdatum ist der 21. August 1889 angegeben. Vermutlich wohnte sie in ihren jungen Jahren in Assinghausen im „Judenhaus“ an der Schirmecke.

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Ein Stolperstein, der Winterberg und Hamburg verbindet: Ludwig Levy

Ein Stolperstein für Ludwig Levy in Hamburg-Eppendorf (foto: zoom)

Eigentlich wollte ich im hohen Norden lediglich die Familie besuchen und ein wenig Rad fahren, aber dann fragte mich eine Leserin, die den familiären Hintergrund der Familie Levy für das Hamburger Stolperstein-Projekt erforscht und dabei auf meine Website gestoßen war, nach dem Todestag von Julius Winterberger.

Der Grabstein von Julius Winterberger steht auf dem Jüdischen Friedhof in Winterberg und ist hier im Blog abgebildet, aber wegen der Sonnenblendungen nur schwer zu entziffern. Auf dem größeren Original des Bildes konnte ich die Zahlen besser lesen.

Die Schriften sind teilweise nicht sicher zu entziffern. (archivfoto: zoom)

Julius Winterberger wurde am 11. Februar 1880 geboren und ist am 13. Februar 1935 gestorben. Diese Daten bestätigen, dass er der Bruder von Ida Winterberger ist.

Ida Winterberger aus Winterberg – hier kommt die eigentliche Verbindung Winterberg/Hamburg – war als Ida Levy geb. Winterberger mit Ludwig Levy verheiratet. Sie wird im Oktober einen eigenen Stolperstein in der Haynstraße in Hamburg-Eppendorf erhalten; ich vermute, unterhalb des Stolpersteins für ihren Ehemann (siehe Foto oben).

Zwischenstopp am Eppendorfer Moor (foto: zoom)

Für mich waren diese Daten und Zusammenhänge neu. Am letzten Tag unseres Aufenthalts im Norden von Hamburg habe ich mich von der Familie losgerissen und bin die Tarpenbek hinunter, am Flughafen entlang und durch das Eppendorfer Moor zur Haynstraße geradelt, um den Stolperstein zu fotografieren. Vielleicht ist es ja der Beginn weiterer historischer Fäden zwischen den jüdischen Familien in Winterberg und Hamburg.

„Erinnern vor Ort“- Jugendgeschichtsprojekt im Sauerland-Museum

„Vergessene Schicksale: Jüdische Familien im Hochsauerlandkreis“

Das Sauerland-Museum in Arnsberg (Foto: Brigida Gonzalez)

Unter dem Titel „Vergessene Schicksale: Jüdische Familien im Hochsauerlandkreis“ bereitet das Sauerland-Museum gemeinsam mit interessierten Jugendlichen ab 14 Jahren eine historische Ausstellung im Veranstaltungssaal des Sauerland-Museums vor, die im Februar 2024 präsentiert wird. Dieses Projekt ist in Kooperation mit dem Anne Frank Zentrum, Berlin, entstanden.

(Pressemitteilung HSK)

Zur Zeit werden über die Schulen im Hochsauerlandkreis engagierte Schülerinnen und Schüler gesucht. Die Jugendlichen können sich aber auch direkt beim Museum zu dem Projekt anmelden.

Bei regelmäßigen Treffen im Museum und auch online erarbeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Kleingruppen die Geschichte von selbst recherchierten jüdischen Schicksalen aus der Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung. Die Schüler erlernen den Umgang mit historischen Quellen und probieren sich an wissenschaftlicher Forschungsarbeit aus.

Das Ergebnis ist eine selbst gestaltete Ausstellung mit biografischen Inhalten und persönlichen Objekten von jüdischen Familien, die vom Holocaust betroffen waren.

Das Projekt beginnt im September. Konkrete Termine erfahren die Teilnehmer per Mail. Der Anmeldeschluss ist der 31.07.2023. Anmeldungen können telefonisch unter 02931/94-4607 erfolgen oder per Mail an nelja.luehrs(at)hochsauerlandkreis.de

Hochsauerland: Assinghausen und die Geschichte der Familie Löwenstein

Das sogenannte „Judenhaus“ in Assinghausen um 1930 (Foto: Dr. Karl Weiken)

Dorfgeschichte Perspektive I

Zur Jahrtausendwende veröffentlichte „Der Arbeitskreis Dorfgeschichte“ aus Assinghausen eine Fleißarbeit. Die rund 850 Seiten starke, bebilderte, fest gebundene Geschichtsaufarbeitung mit dem Titel „Assinghausen im Freien Grund“ erschien pünktlich zum großen Festakt anlässlich der Ersterwähnung des Ortes vor 700 Jahren. Eine wichtige und wertvolle Arbeit.

Menschen, Ortsansichten, Kirche und Kapelle, Wohnhäuser, Besitzverhältnisse, Festberichte und -bilder, Persönlichkeiten wie der Heimatdichter Friedrich Wilhelm Grimme und der Maler Joseph Guntermann, etliche Pastoren, Lehrer und Schützenkönige, aber auch Schülerinnen und Schüler und noch viel, viel mehr fanden Erwähnung und Platz in „Geschichte & Geschichten“.

Den Anspruch auf Vollständigkeit und absolute Korrektheit haben die fleißigen Forscher und Autoren vermutlich nicht für sich reklamiert. Wie auch? Dann hätten weder Ausdauer noch Zeit und erst recht nicht die 850 bedruckten Seiten ja bei weitem nicht gereicht. Trotzdem schade! Manches aus der Geschichte des kleinen Ortes bleibt wahrscheinlich weiter im Dunkeln.

Dorfgeschichte Perspektive II

Selbstverständlich kann ich überhaupt nicht beurteilen, welche Geschichtsbausteine in der Dorfchronik fehlen und welche womöglich einseitig oder falsch dargestellt sind. Schließlich liegt das liegt ja auch im Auge des Betrachters. Mögen mir die Assinghauser Geschichtsforscherinnen und -forscher einen Kritikpunkt nachsehen. Vielleicht wissen sie beim nächsten Punkt schon was ich meine?

Seite 233/234, Haus Nr. 38 „Judenhaus“ …

… Der Anfang von der Geschichte des „Judenhauses“ ist mit der Angabe „1792 – 1809 Falck Maier oder Falkmeyer“ gemacht. Jedoch es fehlt das Ende.

Zwar geht es mit den Angaben mehrerer Daten und Namen der Bewohner bis einschließlich 1914 weiter. Doch mit dem ersten Kriegsjahr des WK I reißt die Geschichte abrupt ab, abgesehen von dem Foto des Hauses auf Seite 234. Das Bild ist auf „um 1930“ datiert.

Andere Quellen

Dank Google und Co. erfuhr ich, was die Dorfchronik verschweigt. Was ich im Internet gelesen habe und jeder nachlesen kann, ist eine vorwiegend traurige Geschichte mit einem unglücklichen Ende.

Knüpfen wir an das Jahr 1914 an. Die damaligen Hausbewohner des „Judenhauses“ in Assinghausen waren Hermann Löwenstein, seine Frau Hannchen geb. Weidenstein und ihre vier Kinder Julius, Selma, Siegfried und Berta. 1915 wurde noch Tochter Emma geboren. Sehr wahrscheinlich lebte zu dieser Zeit im „Judenhaus“auch noch Lina Löwenstein, eine unverheiratete Schwester des Familienvaters. Hermann Löwenstein verdiente den Lebensunterhalt mit Viehhandel und einer Metzgerei. Er und seine Kinder müssen es dann bald sehr schwer gehabt haben. Hannchen starb im Februar 1919. Das älteste Kind war mit 13 Jahren Halbwaise, das jüngste mit 3 Jahren.

Was geschah in den 1930er und 1940er Jahren?

In Assinghausen geschah das was überall in Deutschland „einfach so passierte“. „Sieg Heil“, die Nazis übernahmen das Regiment.

9./10. November 1938: Reichskristallnacht.

Zwischenbemerkung:

Meine Großmutter erzählte mir vor vielen Jahren, auch das „Judenhaus“ in Assinghausen wäre in der Reichsprogromnacht demoliert worden. Die Löwensteins seien nette Leute gewesen. Jeder hätte bei ihnen „anschreiben“ dürfen.

Hermann Löwenstein um 1933 (Foto: Dr. Karl Weiken)

Judenhass

Februar 1939: Deportation von Siegfried Löwenstein (Vernichtungslager Auschwitz)

Juni 1939: Tod von Hermann Löwenstein in Assinghausen

Vermutlich 1939: Deportation von Lina Löwenstein

Lina Löwenstein um 1933 (Foto: Dr. Karl Weiken)

Januar 1942: Deportation von Julius Löwenstein (KZ Riga)

?: Deportation von Selma Rosenstein geb. Löwenstein (ab Kassel ins Ghetto von Riga)

?: Deportation von Berta Goldschmidt geb. Löwenstein (von Frankfurt a.M. nach Auschwitz)

?: Deportation von Emma Klein geb. Löwenstein (Vernichtungslager Auschwitz)

„Judenhaus“

1939: Nach dem Tod von Hermann Löwenstein und der Deportation seines Schwester Lina wurde das Haus an die Familie Tüllmann verkauft.

Tüllmanns Haus, genannt „Kleinecordts“, lag in unmittelbarer Nachbarschaft des „Judenhauses“. (Unweigerlich kommt mir der Gedanke, was der neue Besitzer, vermutlich war es August Tüllmann, wohl für das „Judenhaus“, sein Inventar und das Grundstück bezahlt haben mag.)

1953: Das „Judenhaus“ brennt ab.

2015: An der Grimmestraße in Assinghausen werden zum Gedenken an die Familie Löwenstein „Stolpersteine“ verlegt.

Was ist von Familie Löwenstein geblieben?

Ist es mehr als die Erinnerungsfetzen der letzten Zeitzeugen, die „Stolpersteine“ und drei Fotos?

Hat wenigstens ein Mitglied der Familie Löwenstein aus Assinghausen Deportation und Krieg überlebt? Es wurde erzählt, einer der Söhne hätte nach dem Krieg in Bigge gelebt? Ob das stimmt? Ich weiß es nicht!

Gegen das Vergessen

Hier noch die Links zu meinen „anderen“ Quellen:

http://www.olsberg-live.de/Portal:_Juden_im_ehemaligen_Amt_Bigge

https://www.assinghausen-live.de/2015/stolpersteine-an-der-grimmestrasse-verlegt/

https://www.schiebener.net/wordpress/der-juedische-friedhof-in-olsberg-bigge-ein-anfang/

Die Dorfchronik „Assinghausen im Freien Grund“ ist meines Wissens leider nicht online.

PS: Die Fotos sind aus den 1930er Jahren von Dr. Karl Weiken in Assinghausen aufgenommen worden.

Verbrechen an den jüdischen Mitbürgern: Winterberg will sich anscheinend seiner historischen Verantwortung stellen

Das Projekt Stolpersteine
Das Projekt Stolpersteine (muster website demnig)

Heute Nachmittag lag das Mitteilungsblatt der Stadt Winterberg vom 24. Juli 2015 in unserem Briefkasten.  Abgedruckt ist dort die „Niederschrift über die 6. Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Dienstag, 16. Juni 2015“.

In sperrigem Gremiendeutsch lese ich hoch erfreut auf Seite 39:

Ein Ausschussmitglied der CDU fragt an, ob seine Anregung aus der Ausschusssitzung am 03.02.2015 zur Errichtung von Stolpersteinen in Gedenken an die Juden im Stadtgebiet Winterberg bereits verwaltungsseitig aufgegriffen sei. Da dies bisher noch nicht geschehen ist, wird aus der Diskussion festgehalten, dass
• eine Auseinandersetzung mit diesem Thema wichtig sei,
• es nicht unbedingt Stolpersteine sein müssten
• und ggf. eine Alternative gefunden werden könne, um der respektvoll der Opfer der NS-Zeit zu gedenken
Das Thema soll in einer der nächsten Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses ausführlicher behandelt werden.
Werner Eickler, Bürgermeister

Abgesehen davon, dass das Protokoll keinerlei inhaltliche Argumente enthält, ist allein die Tatsache, dass sich die Stadt Winterberg anscheinend der Geschichte der Verbrechen an den jüdischen Mitbürgern stellen will, bemerkenswert.

Bürger und die Stadt selbst haben, wenn man den spärlichen Aufarbeitungen folgt, vor über 75 Jahren von der Vertreibung und Ermordung der Winterberger Juden profitiert (siehe hier im Blog).

Winterberg wird gut daran tun, seine Geschichte historisch(!) aufzuarbeiten und das nicht nur als Verwaltungsakt. Es ist verfrüht zu sagen, dass „es nicht unbedingt Stolpersteine sein müssten. Aus welchem Grund sollte „ggf. eine Alternative gefunden werden“?

Vielleicht hülfe es, sich an der Arbeit der Stadt Olsberg zu orientieren und sich beim dortigen Arbeitskreis Stolpersteine zu informieren.