Die Welt, in der ich leben möchte … meine kleine Küchenphilosophie, kurz zusammengerührt.

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

Die Menschen, die vor dem Terror fliehen, sind nicht die Verursacher des Terrors, sondern dessen Opfer.

Seit ich gestern den Fernseher eingeschaltet habe, um die zweite Halbzeit des Fußball-Länderspiels zwischen Frankreich und Deutschland zu sehen, versuche ich eine Balance zwischen Emotionen und Verstand zu finden.

Irgendwann zwischendurch habe ich mir überlegt, welche Werte oder Lebenssmaximen ich ohne Spickzettel für mich als Wertekanon einigermaßen unfallfrei aufzählen würde, wenn mich jemand unverhofft im Schwimmbad, an der Kasse im Supermarkt oder auf der Arbeit anspräche: „Ey, du Schlaumeier, wonach lebst du eigentlich? Sag, mal?“

Ohne Buch und Internet fiele mir ein:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.
aus den Grundrechten des Grundgesetzes

Unverzichtbar:

Liberté, Égalité, Fraternité – ich würde heute noch Schwesterlichkeit oder Mitmenschlichkeit ergänzen.

Dazu:

Life, Liberty and the pursuit of Happiness

On Top die beiden Klassiker:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/buch/-3505/1

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorischer_Imperativ

Der IS versucht unsere Gesellschaft zu destabilisieren, und er kennt anscheinend genau die Hebel, an denen er ansetzen muss: Antisemitismus, Antiamerikanismus, Rassismus, Verunsicherung und Spaltung.

„Der Islamische Staat begründete das Attentat auf das Konzert im Bataclan mit der Formulierung, dass man diese Veranstaltung als eine „perverse Feier“ betrachte. Das Theater mit jüdischen Eigentümern wurde bereits früher massiv bedroht.“

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Terroranschl%C3%A4ge_vom_13._November_2015_in_Paris

Wenn Politiker die Flüchtlingsströme mit den Attentaten verknüpfen, legen sie eine Lunte an das rechtsradikale Pulverfass in unserer Gesellschaft. Sie spielen den Nazis in die Hände.

Verunsicherung, Rechtspopulismus und schwankende Politiker – eine schlechte Mischung.

Unsere Eliten geben momentan kein gutes Bild ab.

Jetzt schwappen gerade aus dem Nebenzimmer Berichte aus Frankreich herüber.

Es geht um Außenpolitik. Ich bin dann mal weg.

Obama: „This is an attack on all of humanity and the universal values that we share.“

Präsident Obama hat heute Nacht ein gutes Statement abgegeben. Ich belasse es bis auf Weiteres dabei, die Rede hier zu verlinken.

5:45 P.M. EST

THE PRESIDENT:  Good evening, everybody.  I just want to make a few brief comments about the attacks across Paris tonight.  Once again, we’ve seen an outrageous attempt to terrorize innocent civilians.  This is an attack not just on Paris, it’s an attack not just on the people of France, but this is an attack on all of humanity and the universal values that we share.

We stand prepared and ready to provide whatever assistance that the government and the people of France need to respond.  France is our oldest ally.  The French people have stood shoulder to shoulder with the United States time and again.  And we want to be very clear that we stand together with them in the fight against terrorism and extremism.

Paris itself represents the timeless values of human progress.  Those who think that they can terrorize the people of France or the values that they stand for are wrong.  The American people draw strength from the French people’s commitment to life, liberty, the pursuit of happiness.  We are reminded in this time of tragedy that the bonds of liberté and égalité and fraternité are not only values that the French people care so deeply about, but they are values that we share.  And those values are going to endure far beyond any act of terrorism or the hateful vision of those who perpetrated the crimes this evening.

We’re going to do whatever it takes to work with the French people and with nations around the world to bring these terrorists to justice, and to go after any terrorist networks that go after our people.

We don’t yet know all the details of what has happened.  We have been in contact with French officials to communicate our deepest condolences to the families of those who have been killed, to offer our prayers and thoughts to those who have been wounded.  We have offered our full support to them.  The situation is still unfolding.  I’ve chosen not to call President Hollande at this time, because my expectation is that he’s very busy at the moment.  I actually, by coincidence, was talking to him earlier today in preparation for the G20 meeting.  But I am confident that I’ll be in direct communications with him in the next few days, and we’ll be coordinating in any ways that they think are helpful in the investigation of what’s happened.

This is a heartbreaking situation.  And obviously those of us here in the United States know what it’s like.  We’ve gone through these kinds of episodes ourselves.  And whenever these kinds of attacks happened, we’ve always been able to count on the French people to stand with us.  They have been an extraordinary counterterrorism partner, and we intend to be there with them in that same fashion.

I’m sure that in the days ahead we’ll learn more about exactly what happened, and my teams will make sure that we are in communication with the press to provide you accurate information.  I don’t want to speculate at this point in terms of who was responsible for this.  It appears that there may still be live activity and dangers that are taking place as we speak.  And so until we know from French officials that the situation is under control, and we have for more information about it, I don’t want to speculate.

Thank you very much.

Quelle: https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2015/11/13/statement-president-situation-paris

„Ich bin voller Hass – und das liebe ich“ Ein Buch zum Thema

ich-bin-voller-hass
Eichborn Verlag, Berlin 2009

Eric Harris (18) und Dylan Klebold (17) richteten am 20. April 1999 in der Columbine High School in Littleton, Colorado ein Blutbad an. Sie töteten 12 Schüler und einen Lehrer. Anschließend erschossen sie sich selbst. Sie wählten den Jahrestag von Hitlers Geburtstag.

Die Amerikanische Justiz hat Dokumente wie Videoaufnahmen, Schulaufsätze, Einträge im Internet und Tagebuchaufzeichnungen der Mörder sowie die Vernehmungsprotokolle zugänglich gemacht.

Joachim Gaertner hat diese Dokumente ausgewertet, übersetzt und sie in dem Dokumentarischen Roman Ich bin voller Hass – und das liebe ich. Aus den Original-Dokumenten zum Massaker an der Columbine Highschool verarbeitet.

Die Dokumente zeichnen ein Bild von zwei widersprüchlichen, von Gewalt, Waffen und Mord faszinierten jungen Männern, selber ausgegrenzt und gleichzeitig rassistisch. Erschreckend sind die immer wieder formulierten Tötungsfantasien und im Gegensatz dazu die „politisch korrekten“ und meist gut bis sehr gut benoteten Aufsätze und Essays.

Im ersten Auszug beschreibt Eric Harris sein mangelndes Selbstbewusstsein, seine Unsicherheit gegenüber Frauen und gleichzeitig seine Bewunderung für den Nationalsozialistischen Staat. Im zweiten hier abgedruckten Text problematisiert der Sheriff von Jefferson County die widersprüchliche Rolle von Medien und Polizei.

Eric Harris, Journal, 17.11.1998, (S. 143)

Ich habe immer gehasst, wie ich aussehe. Ich mache mich über Leute lustig, die aussehen wie ich, manchmal ohne drüber nachzudenken, manchmal nur, um mich selbst schlecht zu machen. Daher kommt ein großer Teil meines Hasses, dass ich praktisch kein Selbstbewusstsein habe, speziell was Mädchen und Aussehen und so was betrifft.
HASS! Ich bin voller Hass – und das liebe ich!!
ICH HASSE MENSCHEN, und sie hätten besser Angst vor mir, wenn sie wissen, was gut für sie ist. Yo, ich hasse, und ich nehme an, ich will dass sie es wissen. Ja, ich bin ein Rassist, und ich habe nichts dagegen. Nigger und scheiß Latinos sind selber schuld, aber ich bin auch sehr rassistisch gegenüber White-Trash-Scheiße. Sie verdienen den Hass.
Übrigens kann ich nicht genug kriegen von der Swastika, der SS und dem Eisernen Kreuz. Hitler und seine Jungs haben ein paar Mal Scheiße gebaut, und das hat sie den Krieg gekostet, aber ich liebe, woran sie glaubten und wer sie waren, was sie taten und was sie wollten.
Weißt du was – vielleicht muss ich einfach mal flachgelegt werden.

Ted Mink, Sheriff Jefferson County, Interview, 18.10.2006 (S. 174)

Die Medien und wir, die Polizei, haben Eric Harris und Dylan Klebold so berühmt gemacht. Wir haben sie zu Stars gemacht. Und das war das, was sie immer wollten. Sie haben es sogar selbst in den Videos gesagt. Sie wussten genau, dass sie berühmt werden würden. Und was passiert? Die Medien und wir haben sie berühmt gemacht.

Der Autor fragt in seinem Nachwort, ob es sinnvoll ist, „solche Täter-Dokumente“ zu veröffentlichen, sieht jedoch darin die Voraussetzung, um „im Gestrüpp dieser Texte (…) nach Alternativen, nach Möglichkeiten zu suchen“.

In diesem Sinne ein empfehlenswertes Buch zu einem leider wieder sehr aktuellen Thema.

Anders B., der moderne Timothy McVeigh?

Norwegisches Idyll
Norwegisches Idyll (archiv: chris)

In seinem hier verlinkten Artikel weist Werner Jurga auf die Parallelen zwischen Oslo 2011 und Oklahoma City 1993 hin. In beiden Fällen morden männliche Staatsbürger mit rechtsextremer Gesinnung aus Hass.

Der Osloer Tatverdächtige Anders B., so berichtet die ARD, habe „nationalistische Gesinnung sowie eine ‚antiislamische‘ Haltung offenbart. Der Verdächtige habe Postings auf einer Webseite für christliche Fundamentalisten veröffentlicht”.

Timothy McVeigh, der das Regierungsgebäude in Oklahoma City zerstörte und dabei 168 Menschen tötete, wurde später dafür hingerichtet.  Er sympathisierte ebenfalls mit rechtsextremen und antisemitischen Positionen (Der 9. September stand noch bevor, eine antiislamische Haltung spielte eine noch geringe Rolle).

Dazu kamen bei McVeigh die eher US-typischen Ingredienzien wie Begeisterung für Waffen und  Kriegserfahrung. Laut BBC hat ihn sein Einsatz im Irakkrieg 1992 gelehrt, seine Gefühle auszuschalten. Als wichtiger Katalysator für seinen Hass erwies sich sein zunehmender Hass gegen die US-Regierung.

Ihn prägte die Belagerung und anschließende Zerstörung des Geländes der Protestantischen Sekte Branch Davidians in Waco durch das FBI.  Bei dem Sturm auf das Gelände starben 76 Menschen. McVeigh war voller Hass und wollte Rache.

Anders B., der mutmaßliche Attentäter von Oslo, ist die moderne, europäische Variante von Timothy McVeigh. Er fühlt sich  von Einwanderern und dem Islam bedroht. Die WELT am Sonntag hat seine Interneteinträge ausgewertet: Anders B. will einen christlichen, national geprägten Staat. “ Der entscheidende Kampf sei nicht mehr Kapitalismus gegen Kommunismus, sondern Internationalismus gegen Nationalismus,“ so die Einschätzung des mutmaßlichen Mörders.

Wie tödlich die Verquickung von übersteigertem Nationalismus, Intoleranz und fundamentalistischer religiöser Orientierung sein kann, haben beide Attentate gezeigt.