Sozialbericht NRW 2012: auch im Sauerland öffnet sich die Schere zwischen arm und reich.

Hochsauerlandkreis. (O. Kasuppke) Nachdem die Zeitung mit den grossen vier Buchstaben vor einigen Tagen schon prophezeite, dass ein grosser Teil der hier Lesenden (und auch nicht Lesenden) im Alter mit einer Rente auf dem Niveau der Grundsicherung (sprich dem heutigen “Hartz IV”) auskommen müsse, kann der interessierte baldige Pensionär und auch jeder andere jetzt weitere Infos zur allgemeinen Armuts-/Reichtumslage bekommen.

(Der Artikel ist zuerst unter dem Titel „Na, geht’s?“ im Sauerland-Blog erschienen)

Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales unseres Bundeslandes veröffentlichte den “Sozialbericht NRW 2012″ (<hier klicken>) der mit “Armuts- und Reichtumsbericht” untertitelt ist. (Es gibt auch eine Kurzfassung davon – <hier klicken> – ).

Und, ohne Marx, Engels oder Kaines im Rücken zu haben, hier ein paar Punkte aus diesem Bericht, die einen doch nachdenklich werden lassen müssten:

Schere zwischen Haushalten mit höherem und niedrigem Einkommen weiter auseinandergegangen
Während bei den 20 % der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen von 2003 bis 2008 nominale Einkommensverluste zu verzeichnen waren, zeigen sich bei den 20 % der Haushalte mit dem höchsten Einkommen überdurchschnittliche Steigerungen beim ausgabefähigen monatlichen Einkommen. Insgesamt ist somit die Schere zwischen Haushalten mit höherem und niedrigem Einkommen weiter auseinandergegangen.

Am unteren Rand der Einkommensverteilung besteht so gut wie kein Spielraum zur Vermögensbildung. Im obersten Dezil wurden dagegen im Mittel 1.564 Euro im Monat für die Vermögensbildung aufgewendet.

Die Armutsrisikoquote lag 2011 in Nordrhein-Westfalen bei 15,8 %. Der Anteil derer, die von relativer Einkommensarmut betroffen sind, ist damit im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (2010: 14,7 %). Im Jahr 2011 lag die Armutsrisikoquote

  • von Erwerbslosen bei 58,7 % (2010 bei 51,7 %),
  • von Alleinerziehenden13) und ihren Kindern bei 41,7 % (2010 bei 37,6 %),
  • von Personen aus Haushalten von Geringqualifizierten14) bei 39,0 % (2010 bei 36,2 %)
  • von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit bei 36,6 % (2010 bei 34,4 %).

Die Armutsrisikoquote von Kindern und Jugendlichen im Alter von unter 18 Jahren und von jungen Erwachsenen ist überdurchschnittlich gestiegen. Im Jahr 2011 lebte mehr als jede/r fünfte Minderjährige (2011: 21,6 %; 2010: 19,9 %) und knapp jede vierte Person im Alter von 18 bis unter 25 Jahren (2011: 24,5 %; 2010: 22,5 %) in einem einkommensarmen Haushalt.

Die Zahl der beantragten Verbraucherinsolvenzen ist im 1. Quartal 2012 erneut gestiegen. Eine beantragte Verbraucherinsolvenz ist ein hartes Indiz für das Vorliegen einer Überschuldungssituation. 2011 wurden insgesamt 25.322 Verbraucherinsolvenzverfahren beantragt. Das waren 3,8 % weniger als im Vorjahr (2010: 26.329). Im ersten Quartal 2012 lag die Zahl der Verbraucherinsolvenzen mit 6.662 Fällen wieder um 2,3 % über dem Ergebnis des ersten Quartals 2011 (damals: 6.512 Fälle).

Diese nüchternen Zahlen zeigen an, dass die Schere zwischen den einzelnen Einkommensgruppen der Bevölkerung immer weiter auseinander geht. Die “Mittelschicht” wird immer kleiner und die Unterschiede immer krasser.

Hier im Sauerland will das allerdings so richtig keiner wahr haben. “Uns geht’s gut!“, ist die geforderte Standartantwort auf die Frage “Na, geht’s?” für den persönlichen sozialen Weiterbestand in den sauerländer Sozialgefügen.

Bei einigen Zahlen könnte frau auch denken, dass das fast immer der Realität entspricht. Denn die Zahl der Empfänger von “Mindestsicherungsleistungen” ist mit unter 7% im Sauerland eine der geringsten in NRW. Das Brutto-Inlands-Produkt pro Sauerländer/-in ist mit 25.000 – 30.000 Euro im Mittelfeld, und die Beschäftigungsquote mit über 53% am oberen Ende und die Zahl der Arbeitssuchenden mit unter 6% am unteren Ende der Skala zu finden.

Doch wie ist das mit der “Schere”?

In der “Schuldnerquote” ist das Sauerland nur noch Mittelmaß. Dieses kann mit Bezug auf die vorherigen Zahlen dahingehend gedeutet werden, dass hier in der in den mittleren und unteren Einkommensschichten eine vermehrte Nutzung von Krediten zur Absicherung des aktuellen Lebensstandarts benutzt wird. Dieses ist jedoch eine Zeitbombe.

Dieses kann auch an der sogenannten “SGB-II Quote” gesehen werden. Diese gibt an, wieviele Personen prozentual in einem Haushalt leben, der ALG-II oder andere soziale Leistungen bezieht. Hier ist das Sauerland, trotz der “guten Basiswerte” nur noch im hinteren Mittelfeld zu finden. Gerade im Bereich der Minderjährigen ist hier eine deutliche Abweichung. Das heisst, dass, gemessen an den anderen Indikatoren, deutlich mehr Kinder in Haushalten leben, die z.B. Hartz-IV beziehen. Und bei den Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss ist das Sauerland in der Spitzengruppe zu finden.

Wieder ein Indiz dafür, dass die Schere auch im Sauerland weiter aufgeht.

So wird sich wohl auch das Sauerland daran gewöhnen müssen, dass beispielsweise die Warenkörbe in Brilon und Olsberg und die Tafel in Meschede eine lebensnotwendige Einrichtung für immer mehr Menschen im Sauerland werden. Und die oft zur Schau getragene “positive Gemütsstarre” der Sauerländer sollte nicht zur Barriere eines zu ändernden sozialen Denkens werden. Vielleicht probiert es der ein oder andere am kommenden Wochenende ja schon einmal aus und hört bei der Antwort auf die Frage “Na, geht’s?“, einmal genau hin.

Ein Gedanke zu „Sozialbericht NRW 2012: auch im Sauerland öffnet sich die Schere zwischen arm und reich.“

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