Sekundarschule: „Hast Du gelesen, was der Bürgermeister heute geschrieben hat?“ – Eine kleine Medienkritik

WP/WR in Meschede. (archiv: zoom)
WP/WR in Meschede. (archiv: zoom)

„Also, was der Bürgermeister da heute Morgen geschrieben hat …“. Es war nur ein Halbsatz, ins Gespräch eingestreut. Es geht um den Journalismus. Es geht um einen Artikel von vielen. Es geht um die Glaubwürdigkeit des Lokaljournalismus.

Das Thema des Artikels in der Westfalenpost war die Errichtung einer Sekundarschule in Olsberg. Aber das Thema ist eigentlich egal. Die Überschrift lautete am 24. Februar:  „Jetzt steht es fest: Olsberg bekommt Sekundarschule“.

Es hätte auch jede andere Überschrift sein können. Die Autorin schätze ich sehr und ich lese ihre Artikel immer mit viel Aufmerksamkeit. Sie kann schreiben. Dasselbe trifft auf andere Autoren der Westfalenpost zu.

Ich unterhielt mich mit ein paar Bekannten über die Schulpolitik im Hochsauerlandkreis, als einer von ihnen sagte: „Also, was der Bürgermeister da heute Morgen geschrieben hat, ist … .“

Ich war erstaunt, denn zufälligerweise hatte ich an jenem Tag die Westfalenpost von vorne bis hinten gelesen und an keiner Stelle, in keinem Artikel hatte der Bürgermeister irgendetwas  geschrieben.

Ich habe dann irgendwann begriffen, dass nicht irgendeine offizielle Bürgermeistermitteilung in irgendeinem Bürgermeistermitteilungsblatt erschienen war, sondern ein Artikel der von mir geschätzten Autorin, in welchem der Bürgermeister ausführlich zu Wort kam.

Die Meinung des Bürgermeisters war quasi direkt durch die Feder der Autorin in den Artikel geflossen. Andere Meinungen kamen nicht vor. Der Runde schien klar zu sein: „Den Artikel hat der Bürgermeister geschrieben.“

Ist das für einen Lokal-Journalisten der GAU oder einfach der Alltag? Müssen die Aussagen der Politiker durch Schein-Journalismus veredelt und den Namen einer Zeitungsredakteurin geadelt werden?

Wäre es nicht ein Leichtes gewesen auch andere Personen, Parteien, Standpunkte zu sammeln und in den Artikel einfließen zu lassen?

Für mich hat sich an jenem Tag vor etwas mehr als einer Woche das ganze Elend des hiesigen Lokaljournalismus in dieser einen Aussage, in diesem Halbsatz gezeigt:

„Also, was der Bürgermeister da heute Morgen geschrieben hat, ist … .“

Die Leserinnen und Leser sind ja nicht blöd.

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