Sauerlandkurier schlachtet Kritiker und diffamiert Diskussion über sexistisches Plakat

Am 12. Oktober 2014 erschien im Sauerlandkurier ein Artikel des Chefredakteurs des anzeigenfinanzierten Blattes unter dem Titel: “Streit um Satire – Erregter Bad Fredeburger schaltet sogar Alice Schwarzer ein”.

In dem als Artikel verkleideten Kommentar findet sich der Stein des Anstoßes: das Plakat zur Walpurgisparty Arpe. Die Darstellung: eine weitgehend unbekleideten Frau, die sich am Hexenbesen rekelt, Teufelshörner trägt und dem Betrachter aggressiv die gespaltene Zunge entgegen streckt. Sie sieht zudem ziemlich verschlammt aus, halt so wie sich Männer Frauen vorstellen, die gerade aus der Hölle kommen.

Unter dem Plakat steht: „Dieses Plakat erregte den Unmut eines selbsternannten Bürgerreporters – er schaltete Alice Schwarzer und den Werberat ein.“

Das Plakat zur Walpurgisnacht in Arpe ist das eine: Es ist frauenfeindlich und damit für Karnevalsgesellschaften im Sauerland nichts Ungewöhnliches. Ebenfalls nicht ungewöhnlich ist die fehlende Sensibilität für sexistische Darstellungen.

So werden im Artikel die Organisatoren der Feier mit den Worten zitiert: „Wir haben inzwischen auch mit vielen Frauen über das Thema gesprochen, keine einzige hat sich durch die bildliche Darstellung auf dem Plakat diskriminiert gefühlt.“ – Diese Bemerkung sagt vermutlich mehr über die Mentalität in Arpe als über den frauenfeindlichen Charakter des Plakats aus.

Doch nun kommt der Chefredakteur des Sauerlandkurier Thorsten-Eric Sendler zum Zuge: Einen „erregter Bad Fredeburger“ habe das „von einem Fachmann“ entworfene Plakat „auf die Barrikaden“ gebracht.

Der „selbsternannte Bürgerreporter“ (hat der Mann sich wirklich als „Bürgerreporter“ bezeichnet, oder legt Sendler ihm dies in den Mund, um ihn zu diskreditieren?) habe, so Sendler, „seit geraumer Zeit nimmermüde mit seinen Texten zu allen möglichen Themen die Leserbriefspalten der Zeitungen“ gefüllt.

Der „Bürgerreporter“ habe, neben „diversen Zeitungen und Zeitschriften“ (explizit genannt wird hier keine einzige) auch Alice Schwarzer und der Werberat kontaktiert und einen „Feldzug“ geführt.

Nachdem die Karnevalsgesellschaften Arpe erklärte, sie werde das Plakat „des lieben Frieden willens“ nicht weiter verwenden, werde der Werberat den Vorgang nicht weiter untersuchen.

Der Bad Fredeburger kritisiert, so die Aussage Sendlers, dass die Hexenverfolgung durch das Plakat verharmlost werde und er habe einen Vergleich zur Judenverfolgung gezogen.

Hier nun schrien die Karnevalisten auf, die Kritik sei eine„absolute Frechheit“ und „geschmacklos“. Man werde in die rechte Ecke gesteckt und der Verein prüfe „ob er den sogenannten Bürgerreporter auf Schadensersatz und Rufschädigung verklagen kann“.

Sendler ergreift in seinem Kommentar eindeutig Partei. Er lässt den Karnevalisten breiten Raum, um ihr Plakat erneut zu rechtfertigen ( „eindeutig … von der der Geschichte losgelöste, zeitgemäße Interpretation des Hexenthemas“), um ihr eigenartiges Frauenbild, ihr merkwürdiges Geschichtesverständnis („…jedem klar denkenden Menschen muss eigentlich bewusst sein, dass das mit den Hexenverbrennungen in früheren Jahrhunderten nicht das Geringste zu tun hat.“) und ihren interessanten Satirebegriff darzulegen („Satire ist in der heutigen Zeit fast überall als Darstellungsform anzutreffen. Wer abends über die Privatkanäle zappt oder Magazine durchblättert, wird zuhauf fündig“). Ich vermute, die Karnevalisten verwechseln Satire mit Pornografie – und der Chefredakteur spielt mit.

Dem Journalisten des Sauerlandkuriers ist vorzuwerfen:

1. Er hebt eine sexistische und frauenfeindliche Darstellung in sein Blatt und verbreitet sie kritiklos.
2. Er macht die Angelegenheit der Karnevalsgesellschaften Arpe zu seiner eigenen Sache, indem er vermeintlich neutral die dort vertretenen Positionen abdruckt.
3. Er diffamiert kritische Zeitgenossen, indem er sie nicht als Personen, Menschen, Bürger, sondern wiederholt als „sogenannten Bürgerreporter“ bezeichnet. Er stellt deren Kritik als emotional motiviert, grundlos, unvernünftig, frech und geschmacklos dar.
4. Er versucht mit diesem Artikel jede Kritik und jeden Auseinandersetzung über ein durchaus zu kritisierendes Plakat auszuschalten.
5. Der Kritiker in Bad Fredeburg, von dem anzunehmen ist, dass er vor Ort bekannt ist, wird persönlich angegriffen, er wird an den Pranger gestellt. Der Streit um ein Karnevalsplakat wird zu einer persönlichen Abrechnung. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern um die Person. Fraglich, ob eine derartige Auslegung der Pressefreiheit presserechtlich gedeckt ist.

*** In einem am selben Tag in Der Westen erschienen Artikel zum selben Thema wird der Fredeburger namentlich genannt, die Zeitung hat ihn befragt und seine Argumente ebenso genannt wie die Position des Karnevalisten. Es geht also offenbar auch ganz anders. ***

Ein Gedanke zu „Sauerlandkurier schlachtet Kritiker und diffamiert Diskussion über sexistisches Plakat“

  1. @Johanna

    Habe mir jetzt sowohl den Sauerlandkurier-Artikel als auch den Beitrag auf DerWesten durchgelesen.

    Bei DerWesten ist die Berichterstattung völlig in Ordnung. Durch den Link auf http://buergerredaktion.de/ -der Website des Kritikers- kann man dessen Motivation nachvollziehen, auch wenn man das Konzept, so wie beispielsweise ich selbst, nicht teilt.

    Ich kann nicht verstehen, was den Chefredakteur des Sauerlandkurier antreibt, einen derartig diffamierenden Artikel zu schreiben, bei dem im Gegensatz zum Artikel bei DerWesten viele Aussagen unbelegt bleiben.

    Was ist ein „sogenannte[r] Bürgerreporter“? Der Chef eines Reklameblättchens sollte sich mit derart abschätzigen Bemerkungen nicht zu sehr aus dem Fenster hängen.

    Wie er darüber hinaus dazu kommt, eine sexistische Darstellung, deren Zweck nichts anderes als Aufmerksamkeitserregung ist, als Satire zu bezeichnen, entzieht sich meinem Verständnis.

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