Rette sich, wer Mann! Nur noch jede vierte Lehrkraft an allgemeinbildenden Schulen in NRW ist männlich. Was bedeutet die Feminisierung des Lehrerberufs?

Männeranteil am Lehrpersonal in NRW. (grafik: it.nrw)
Männeranteil am Lehrpersonal in NRW. (grafik: it.nrw)

Düsseldorf (IT.NRW). Von den 154 010 hauptamtlichen bzw. hauptberuflichen Lehrkräften an den allgemeinbildenden Schulen (ohne zweiten Bildungsweg) in Nordrhein-Westfalen waren im Schuljahr 2015/16 mehr als ein Viertel Männer.

Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als amtliche Statistikstelle des Landes anlässlich des Weltmännertages (3. November 2016) mitteilt, ist der Anteil der männlichen Lehrkräfte gegenüber dem Schuljahr 2005/06 von 32,9 Prozent um fünf Prozentpunkte auf 27,9 Prozent gesunken.

Bei der Unterrichtung der jüngsten Schüler waren die Männeranteile am niedrigsten: Der Lehreranteil an Grundschulen hat sich von 10,9 Prozent (2005/06) auf 8,7 Prozent (2015/16) verringert. Den höchsten Männeranteil gab es 2015/16 in NRW mit 41,2 Prozent an Gymnasien. Hier war der Rückgang der männlichen Lehrkräfte mit zehn Prozentpunkten am höchsten; vor zehn Jahren hatte diese Quote noch bei über 50 Prozent gelegen.

Wie die Grafik zeigt, waren männliche Lehrer im letzten Schuljahr auch an allen anderen Regelschulformen auf dem Rückzug. An Hauptschulen sank die Männerquote z. B. binnen zehn Jahren von 39,8 auf 32,9 Prozent. Die innerhalb der letzten fünf Schuljahre neu hinzugekommenen PRIMUS-Schulen (17,3 Prozent), Gemeinschafts- (28,2 Prozent) und Sekundarschulen (29,6 Prozent) wiesen im Vergleich zu den anderen Schulformen eher niedrige Männeranteile auf.

Soweit die Pressemitteilung. Was aber bedeutet der sinkende Männeranteil für den Lehrerberuf?

Soziologinnen und Soziologen beobachten diese „Verweiblichung“ von Berufen schon seit vielen Jahren sehr genau. Sebastian Möller Dreischer zitiert in einem Aufsatz 2002 Angelika Wetterer:

„Die Feminisierung von Berufs- und Arbeitsfeldern geht stets einher mit einer Statusminderung, deren Vermännlichung ist stets verbunden mit Statusgewinn oder zumindest einer Statuskonsolidierung“ (Wetterer 1995: 208).

Die Feminisierung eines Berufsbereiches hat darüber hinaus zur Folge, dass sich zunehmend mehr Männer von diesem Bereich abwenden oder sich prestigeträchtigeren Bereichen innerhalb dieses Berufsfeldes zuwenden.

Folgen hiervon sind, dass sich die Geschlechterdisparitäten verstärken und die Konstruktion der Vergeschlechtlichung des Berufes „im
Ergebnis verschwindet, weil jedenfalls ex post der Effekt von Vergeschlechtlichungsprozessen mit schöner Regelmäßigkeit als deren Voraussetzung erscheint“.

Ich deute dies so, dass das Ansehen des Lehrerberufs sehr stark gesunken ist. Der Beruf hat an Attraktivität verloren. Männer suchen ihr berufliches Heil, ihre Karriere mehr und mehr in anderen Arbeitsfeldern.

Die Frage nach den Gründen für den Statusverlust des Lehrerberufs muss ich an dieser Stelle offenlassen, da mir belastbare Quellen und Belege fehlen.

Nach diesem kleinen Exkurs in die Geschlechter- und Arbeitsfeldsoziologie will ich noch einen Blick auf die Entwicklung in und um Winterberg werfen.

Fliehen auch hier die Männer aus den Schulen des öffentlichen Bildungssystems?

Collage aus dem IT.NRW Statistik-PDF: zoom
Collage aus dem IT.NRW Statistik-PDF: zoom

Man muss nicht lange suchen, um zu sehen, dass sich innerhalb von nur zehn Jahren der Männeranteil an den Schulen in den ausgesuchten Städten des HSK tlw. dramatisch verringert hat. Selbst die alte Männerhochburg „Gymnasium“ ist geschliffen: Um einen Batzen von fast 17% ist der Männeranteil in Winterberg gesunken, 13% in Brilon, im HSK um etwas mehr als 12%.

Vorsicht bei der Prozentrechnung: Der Männeranteil in Winterberg ist von 67,6 auf 50,9 Prozent gesunken. Dies bedeutet, bitte nachrechnen, er ist um fast 25% gesunken.

Den traditionell geringsten Männeranteil haben und hatten die Grundschulen. Hier hat sich in zehn Jahren der Männeranteil von 16,7 auf 8,1 Prozent mehr als halbiert.

Die Devise „Rette sich, wer Mann!“ gilt anscheinend über alle Schulformen. Wer findet die Gründe, die Ursachen?

Die Statistik für Gesamt-NRW kann man sich hier als PDF herunterladen:

https://www.it.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2016/pdf/291_16.pdf

6 Gedanken zu „Rette sich, wer Mann! Nur noch jede vierte Lehrkraft an allgemeinbildenden Schulen in NRW ist männlich. Was bedeutet die Feminisierung des Lehrerberufs?“

    1. @Johanna

      Guter Frage. Habe nachgehakt. Normalerweise antwortet IT.NRW sehr rasch. Bin gespannt auf die Antwort.

  1. Die Antwort von IT.NRW lautet:

    Leider werden im Rahmen der Erhebung der amtlichen
    Schuldaten von uns keine entsprechenden Informationen
    über Schulleiter erhoben. Ggf. können Ihnen die
    Kollegen vom Ministerium für Schule und Weiterbildung
    NRW (mailto:pressemsw.nrw.de) weiterhelfen.

  2. Zitat: „Ich deute dies so, dass das Ansehen des Lehrerberufs sehr stark gesunken ist. Der Beruf hat an Attraktivität verloren. Männer suchen ihr berufliches Heil, ihre Karriere mehr und mehr in anderen Arbeitsfeldern.“

    Dieser Deutung schließe ich mich an.
    Im Übrigen ein gut recherchierter und auch für Laien verständlicher Text!

    Dr. Schräg
    Mitglied der Gesellschaft zur Erforschung zwischenmenschlicher Beziehungen (GzEzB).

  3. die femisierung der pädagogischen, medizinischen und sozialpflegerischen berufe ist ein phänomen, dass nach 1945 in den sozialistischen ländern begann und dann in den skandinavischen ländern voll durchschlug.

    dies mit einer abwertung gleichzusetzen, ist billige männerdenke. die historische dialetik sorgte vielmehr dafür, dass der frauenanteil an den relevantenten gesellschaftlichen funktionen dadurch besser sichtbar wurde. insofern ist bsirke als verdi vorsitzender ein fake – hier gehört seit 20 lahren eine frau hin.

    aber das ist deutschland: frauen, die sich nicht trauen, und alte männer, die entscheiden. es gibt tausende grundschulen in deutschland, die ein weibliches kollegium haben und einen gockel als schulleiter. und hunderte, wo die leitungsstelle vakant ist.

  4. „Was bedeutet die Feminisierung des Lehrerberufs?“

    Ganz einfach: Rosige Zeiten für Quotenmänner.

Kommentare sind geschlossen.