Pressemeldung zum Zwischenfall vor Hamburger Davidwache am 28. Dezember 2013: Rechtsanwalt bezweifelt Darstellung der Polizei.

Davidwache
Die Davidwache an der Hamburger Reeperbahn vor drei Jahren. (archiv: zoom)

Der Hamburger Rechtsanwalt Andreas Beuth hat heute in einer Pressemitteilung „schwerwiegende und begründete Zweifel an de[m] bisher durch die Polizei bekannt gemachten Geschehensablauf“ vor der Davidwache (PK 15) am Abend des 28. Dezember 2013 geäußert.

Wir haben gestern über die Einrichtung des Gefahrengebiets in Hamburg berichtet, und unter anderem die Pressemitteilung der Polizei dokumentiert.

Wir dokumentieren an dieser Stelle die Pressemitteilung von Rechtsanwalt Andreas Beuth:

Pressemitteilung
Anwaltsbüro Schulterblatt 36
(Andreas Beuth • Britta Eder • Marc Meyer1 • Gerrit Onken • Hendrik Schulze • Ingrid Witte-Rohde • Nils Rotermund)

Angriff auf das PK 15 am 28.12.2013 – gezielte Desinformation!

Anlässlich der Darstellung und Diskussion in der Öffentlichkeit und in den Medien zu einem Zwischenfall am Samstag, 28.12.2013, gegen 23:03 Uhr im Bereich der Reeperbahn in Hamburg – St. Pauli zwischen bisher unbekannten Personen und PolizeibeamtInnen sehe ich mich zu einer öffentlichen Stellungnahme veranlasst.

Im Rahmen meiner anwaltlichen Tätigkeit sind mir Tatsachen bekannt geworden, die den bisher öffentlich diskutierten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen bzw. schwerwiegende und begründete Zweifel an der bisher durch die Polizei bekannt gemachten Geschehensablauf nähren.

In einer Pressemitteilung der Polizei Hamburg vom 29.12.2013 wird folgender Sachverhalt im Kerngeschehen dargestellt:
Beamte der Davidwache seien aus einer Personengruppe heraus gezielt angegriffen und zum Teil schwer verletzt worden. Zur Tatzeit hätten 30 bis 40 dunkel gekleidete, zum Teil (u.a. mit St.Pauli-Schals) vermummte Personen in Sprechchören: „St.Pauli – Scheißbullen – Habt Ihr immer noch nicht genug!“ skandiert. Als Polizeibeamte daraufhin aus der Davidwache herausgekommen seien, seien sie an der Ecke Reeperbahn/Davidstraße aus der Personengruppe heraus gezielt und unvermittelt mit Stein- und Flaschenwürfen angegriffen worden. Ein Polizeibeamter sei durch einen aus unmittelbarer Nähe geworfenen Stein erheblich verletzt worden sei und habe eine Nasenbein- und Kieferfraktur erlitten.
Wir haben hingegen nach den uns vorliegenden Informationen Grund zu der Annahme und hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese polizeiliche Darstellung falsch ist.
So gab es bereits keine zum Teil vermummte Personengruppe von 30 bis 40 Personen. Darüber hinaus gab es keine Personen vor der Davidwache, deren Plan und Ziel es gewesen wäre, die Polizeirevierwache 15 oder deren BeamtInnen zu attackieren.

Entsprechend hat es zu keinem Zeitpunkt Stein- oder Flaschenwürfe auf das Gebäude der Revierwache gegeben; erst recht nicht auf aus der Wache herauskommende PolizeibeamtInnen.
Entgegenstehende Behauptungen in der Polizeipressemitteilung vom 29.12.2013 sind schlichte Falschbehauptungen. Soweit es in der Pressemitteilung der Polizei vom 29.12.2013 heißt, „Als Polizeibeamte daraufhin aus der Davidwache herauskamen, wurden sie an der Ecke Reeperbahn/ Davidstraße aus der Personengruppe heraus gezielt und unmittelbar mit Stein- und Flaschenwürfen angegriffen. Dabei erlitt ein Polizeibeamter (45) einen Kiefer- und Nasenbruch sowie eine Gesichtsschnittverletzung, als ihm einer der Täter aus nächster Nähe einen Stein ins Gesicht schlug.“, ist dies ebenso falsch. Es ist kein Beamter vor der Davidwache Ecke Reeperbahn/ Davidstraße durch einen Stein oder anderen gefährlichen Gegenstand verletzt worden.

Soweit in der Berichterstattung in den Medien behauptet wird, ein Beamter sei im Bereich Hein-Hoyer-Straße/Seilerstraße, mithin ca. 200 m vorm PK 15 entfernt, im Gesicht verletzt worden, entzieht sich dies unserer Kenntnis. Auch der Pressemitteilung der Polizei ist ein solcher Tathergang nicht zu entnehmen.

Weiterhin muss ich feststellen, dass die der Berichterstattung zugrunde liegende Mitteilung der Polizeipressestelle es unterlassen hat, die polizeilichen Maßnahmen der BeamtInnen zu schildern, nachdem diese unbehelligt vor die Wache getreten waren.

Hinter der bewusst falschen Darstellung stehen augenscheinlich politische Interessen der Polizeiführung und ihrer Gewerkschaften wie zusätzliche Stellen, eine bessere Bezahlung der Polizei, eine „Aufrüstung“ der Polizei und aktuell die Einrichtung eines unbefristeten Gefahrengebiets in einem nie dagewesenen Ausmaß.
Die offensichtliche Desinformation der Öffentlichkeit lenkt ab von den brennenden sozialpolitischen Themen in der Stadt und diskreditiert legitime politische Inhalte.

Vor diesem Hintergrund halte ich eine öffentlich geführte Debatte über den möglichen polizeilichen Einsatz von Tasern oder gar den Schusswaffengebrauch einmal mehr für eine gefährliche, unverantwortliche und inakzeptable Reaktion.

Andreas Beuth
Rechtsanwalt

16 Gedanken zu „Pressemeldung zum Zwischenfall vor Hamburger Davidwache am 28. Dezember 2013: Rechtsanwalt bezweifelt Darstellung der Polizei.“

  1. Starker Tobak.

    Die ‘Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten’ distanziert sich in einer Pressemitteilung vom 05.01.2014 von dem Polizeieinsatz bei der Demonstration am 21.12.2013 und kritisiert die Einrichtung des Gefahrengebiets. Sie weist auf personelle und strategische Kontinuität in der Hamburger Polizei seit Schill/von Beust, also seit 2001, hin.

    Zudem fordern die kritischen Polizisten “das Offenlegen der Zahlen für eingesetzte V-Leute, Verdeckte Ermittler bzw. Zivilfahnder, gleichgültig von welchen Landesämtern bzw. Ministerien und/oder Bundesbehörden, sowie im Besonderen inwieweit ausländische Beamte/Bürger zur verdeckten Informationserhebung eingesetzt waren bzw. Steuerung aus der Versammlung heraus. Es war erheblich.
    Eine solche Offenlegung verletzte keine personengeschützte Daten, gefährdete keine staatlichen Quellen, schüfe aber erhebliche Transparenz.”

    Die 12-seitige Pressemitteilung:
    http://www.kritische-polizisten.de/pressemitteilungen/dokumente/2014-01-05-PM-Rote-Flora.pdf

  2. @zoom

    Mir ist die Süddeutsche Zeitung deutlich lieber als das Hamburger Abendblatt. Heribert Prantl hat in der SZ das Hamburger Vorgehen kritisch kommentiert:

    „Polizeirecht ist Landesrecht. Das Hamburger gehört zu den besonders scharfen Polizeirechten in Deutschland: Es bietet unter anderem die Möglichkeit, „in einem bestimmten Gebiet“ jede Person überall und jederzeit anzuhalten und zu durchsuchen. Die Polizei darf also dort, wo sie das für notwendig hält, den kleinen Ausnahmezustand ausrufen, ohne dass ein Richter das genehmigen müsste. Das Hamburger Gesetz ermächtigt die Polizei zur Selbstermächtigung. Es stammt aus dem Jahr 2005, also aus der Zeit der Alleinregierung der CDU in Hamburg.“

    Ein lesenswerter Kommentar:
    http://www.sueddeutsche.de/politik/buergerrechte-warum-die-spd-von-der-spd-lernen-muss-1.1856810

  3. @Johanna
    „Heribert Prantl hat in der SZ das Hamburger Vorgehen kritisch kommentiert“

    Tja, so isser, der Heribert Prantl … 🙂

    Tausche ich im von M. Iken verfassten Abendblatt-Artikel „Schluss mit der Anti-Bullen-Folklore“ fiktiv Datum und Autor aus, lese ich BILD-Prosa aus den 1970er/1980er-Jahren.

  4. @zoom:

    „Der M. Isken scheint schon eine Knall-Charge zu sein…“

    Sorry wg. Vorlaut sein: Der M. Isken reagiert auf den Hausnamen „Iken“.
    Familie „Isken“ ist ne honorige Schausteller-Dynastie aus der Region.
    Zugegeben, qua Übersprung passt dann auch „Iken“ und „(zur)Schausteller“ ganz gut zusammen … 🙂

  5. Ob Bäckerei- oder Autoscooter-Betreiber:
    Ein kleines „s“ kann für Reputation wichtig sein.

    Matthias Iken als FUNKE-Gollum im Sauerland?
    Was soll [ … moderiert … ] noch kaputtmachen können?
    Alles schon mit willfähriger/freundlicher Unterstützung durch Herrn Haselhorst erledigt.

  6. Tief durchatmen muss man auch bei diesen Zeilen aus Spiegel Online:

    „Drei Tage nach dem Vorfall an der Davidwache hatte Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) noch von „kriminellen Chaoten“ gesprochen und damit die Geschehnisse klar der linksextremistischen Szene zugeordnet. Im Innenausschuss am Montagabend erklärte Hamburgs Innensenator zu der Steinattacke auf den Polizisten, wegen derer inzwischen wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt wird, es sei nicht entscheidend, ob der Angriff „die Einzeltat eines alkoholisierten Kiezbesuchers“ sei – sie sei als Ausdruck einer zunehmenden Gewaltbereitschaft zu bewerten.“
    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/angriff-auf-davidwache-zweifel-an-darstellung-der-polizei-a-942235.html

  7. Kann schon mal passieren, oder?

    „Hamburgs Polizei hat zugegeben, eine Attacke Autonomer auf die Davidwache falsch dargestellt zu haben. Der Vorfall war Anlass, das umstrittene Gefahrengebiet einzurichten. Der Protest dagegen hält an. “ http://www.stern.de/panorama/gefahrengebiet-hamburg-falsche-darstellungen-und-rechtliche-bedenken-2081826.html

    Wenn eine „falsche“ Darstellung den Vorwand lieferte, Grundrechte einzuschränken und rund 50.000 – 80.000 Hamburgerinnen und Hamburger seit fünf Tagen unter „Generalverdacht“ (DIE ZEIT) zu stellen, dann müsste das „Gefahrengebiet“ umgehend wieder aufgehoben werden.

    Das jedoch passiert nicht. Das „Gefahrengebiet“, wie die Stadtteile St. Pauli, Altona und Teile Eimsbüttels jetzt heißen, besteht „bis auf Weiteres“.

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