Nebeneinkünfte im Landtag NRW: Die Problemfälle

Immer wieder kommt es zu Interessenkonflikten. Oft werden diese nicht offengelegt. Trotz Transparenzrichtlinien.


Illustration: Charlotte Hintzmann (charlotte-hintzmann.de[1])
Lobbyismus und Politik sind tief und eng miteinander verbunden. Es geht um Macht und Einfluss. Die gesetzlichen Regeln schreiben in NRW vor, dass die Abgeordneten die meisten Nebeneinkünfte veröffentlichen müssen. Das tun sie. Aber zu oft ziehen sie keine Konsequenzen aus den offengelegten Interessenkonflikten.

Von Bastian Schlange und David Schraven (correctiv.ruhr)

Die Regel sagt, dass es auf Transparenz ankommt. Wer gibt wem Geld? Erst im vergangenen Monat kam der Skandal um die käuflichen Ministergespräche der NRW-SPD ans Licht – und sorgte für Aufregung. Der Fall erinnerte stark an die Diskussion um käufliche Treffen mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) kurz vor der NRW-Landtagswahl im Jahr 2010.

Doch selbst wenn Transparenz herrscht, gibt es immer noch Interessenkonflikte, die nicht einfach erledigt sind, wenn sie offen gelegt werden. Das Konfliktpotenzial bleibt. So dokumentiert eine Recherche von CORRECTIV.RUHR in den Abgeordnetenprofilen, wie weit der Einfluss von Banken, der Kohleindustrie und der Sparkassen in den NRW-Landtag reicht. Ausgewertet wurden die zusätzlichen Tätigkeiten. Wird von einem Abgeordneten sein erlernter Beruf oder sein Geschäft parallel zum Mandat weiter ausgeübt bzw. geführt, floss das nicht in die Auswertung ein.

Römer im Zeichen der Kohleindustrie

Der vermutlich größte Fall ist der von Norbert Römer, dem Fraktionsvorsitzender der SPD. Neben seinen Landtagsbezügen verdiente er im Jahr 2015 über 60.000 Euro hinzu. In der ersten Hälfte 2016 waren dies bereits über 85.000 Euro – wobei jeder Abgeordnete noch bis Anfang des Folgejahres für das vergangene Einkünfte nachtragen kann; heißt, die Summe wird weiter steigen. Römer teilte uns mit, dass er seine gesamten Einnahmen gemäß der Auflagen für Abgeordnete veröffentliche und die Einkünfte ordnungsgemäß versteuere.

Interessant wird es, genauer zu schauen, woher das Geld in Römers Tasche fließt. Neben den rund 11.000 Euro von der landeseigenen NRW.Bank erhält er rund 9.000 Euro vom BvB, dessen Hauptsponsor ist der Konzern Evonik. Evonik selber ist wiederum die wichtigste Tochter der RAG-Stiftung, die den Auslauf des Bergbaus in NRW überwachen soll. Die RAG-Stiftung ist schließlich eine öffentliche Anstalt, die von mehreren Politikern im Kuratorium beaufsichtigt wird. Die SPD stellt die größte Gruppe im Kuratorium. Zum Beispiel sitzt dort Hannelore Kraft (SPD) Ministerpräsidentin von NRW, Sigmar Gabriel (SPD), Bundesminister für Wirtschaft und SPD-Chef, sowie Heiko Maas (SPD), Bundesminister der Justiz, oder Harry Voigtsberger (SPD), früherer Wirtschaftsminister aus NRW.

Doch nicht nur über diese Kurve bekam Römer Geld aus der Kohlerichtung. Darüber hinaus bekam er bis Juni rund 45.000 Euro als Aufsichtsrat der Ruhrkohle AG (RAG), dem Bergbaukonzern aus dem Ruhrgebiet. Diese Firma gehört ebenfalls der RAG-Stiftung.

Fraktionschef Römer bekam also direkt und indirekt rund 65.000 Euro aus Kassen, die der öffentlichen Hand zuzurechnen sind, neben seinem Gehalt als Chef der SPD-Landtagsfraktion. Anders gesagt: Er bekam aus zwei getrennten Wegen Geld aus öffentlichen Kassen.

Weitere rund 25.000 Euro kassierte Römer obendrauf von der Rütgers GmbH, einem Kohle-Chemie-Unternehmen, das früher Evonik gehörte. Mittlerweile ist die Rütgers GmbH in der Hand eines amerikanischen Unternehmens und unterhält ein Joint Venture in Russland.

All diese Nebentätigkeiten sind legal. Allerdings hinterlässt der Geldfluss einen schalen Geschmack. Die Nebentätigkeiten erzeugen Abhängigkeiten, die zu Lasten einer ehrlichen Politik gehen können. Und hier fließt Geld aus einem öffentlichen Topf über Umwege an eine öffentliche Figur. Kann Norbert Römer unabhängig entscheiden, wenn es um die Kohle und den Bergbau im Ruhrgebiet geht?

Weitere Nebeneinkünfte stechen heraus

Jeder vierte Abgeordnete verdient neben seiner monatlichen Diät von 11.006 Euro brutto (inklusive Altersvorsorge) etwas hinzu. Im Schnitt waren das im vergangenen Jahr immerhin 1.028 Euro im Monat. Ein weiterer Spitzenverdiener in NRW ist der FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Lindner. Er verdiente im vergangenen Jahr rund 65.000 Euro nebenher. Bis November diesen Jahres gab er 78.500 Euro als Nebenverdienst an. Seine Einnahmequellen fallen auf: Er bekommt vor allem Geld für seine Vorträge vor Bankern, Unternehmen und Unternehmensberatern – unter anderem 6000 Euro für die Wohnungswirtschaftlichen Gespräche in Weißach.

Für die Kapitalmarktkonferenz der DZ Bank und den Politischen Salon der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gab es im Juli 2016 nochmals 11.000 Euro. Dazu kamen im April zusammen 19.500 Euro unter anderem von der Hitmeister GmbH und dem Handelsriesen REWE. Als das Geld von REWE kam, tobte übrigens die Übernahmeschlacht um die Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann.

Lindner sieht in seinen Vorträgen keine Interessenkonflikte. „Obwohl ich gelegentlich zu Reden vor den Kunden von Banken eingeladen werde, gehöre ich ja beispielsweise zu den schärfsten Kritikern der staatlichen Bankenrettung“, sagte er auf unsere Anfrage.


Als recht geschäftstüchtig beweisen sich die meisten Liberalen im NRW-Landtag. Zwar liegen sie mit 18,18 Prozent beim Anteil der Hinzuverdiener innerhalb der Partei nur an dritter Stelle – rund jeder dritte Sozialdemokrat (29,59 Prozent) erwirtschaftet neben dem Landtag hinzu und führt damit die zweifelhafte Tabelle an, gefolgt von den Christdemokraten mit rund 26,47 Prozent – bekommen die FDP-ler doch im Parteiendurchschnitt am meisten Geld: 22.426,77 Euro im vergangenen Jahr. Das ist fast so viel wie die Durchschnitts-Nebenverdienste von SPD und CDU zusammengerechnet. Trotzdem wird es besonders für die Sozialdemokraten unangenehm, wenn man genauer in die Verdiensttabellen schaut.

Direkter Einfluss der Banken

Brisant sind zudem die Aktivitäten der Sparkassenvertreter im Landtag NRW. Auch hier gibt es jede Menge Nebenverdienste. Allen voran die Sozialdemokraten, die mit insgesamt über 330.000 Euro fast die Hälfte aller Nebeneinkünfte für sich beanspruchen.

Ein halbes Dutzend Abgeordneter sitzen in den Verwaltungsräten kommunaler Sparkassen und beziehen dafür Geld. Im Einzelfall über 70.000 Euro. Gleichzeitig sitzen ausgerechnet diese Abgeordneten auch noch im Haushalts- und Finanzausschuss. Dort berät das Parlament über das Sparkassengesetz und wichtige Regelungen für die kommunalen Kassen, von den Renten und Gehälter für das Spitzenmanagement bis zu den Transparenzvorschriften. Rechnet man die Einkünfte zusammen, die der SPD-Abgeordnete Martin Börschel 2015 und bislang für 2016 veröffentlicht hat, hat er allein von der Sparkasse KölnBonn über 76.000 Euro bekommen.

Sein Ausschuss-Genosse Hans-Willi Körfges (SPD) kommt bisher auf insgesamt knapp 44.000 Euro von der Stadtsparkasse Mönchengladbach. Der dritte SPD-Mann, der im Haushalts- und Finanzausschuss sitzt und von einer Sparkasse Geld bekommt, heißt Wolfgang Große-Brömer. Er hat seit 2015 über 22.000 Euro von der Stadtsparkasse Oberhausen bekommen. Große-Brömer sagte gegenüber CORRECTIV.RUHR: „Nein, ich sehe keinen Interessenskonflikt zwischen meiner Aufgabe als Mitglied des Verwaltungsrates der Stadtsparkasse Oberhausen und meiner Funktion als stellvertretendes Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses. Selbst dann nicht, wenn ich im HFA ordentliches Mitglied wäre.“

Kein Problem oder Interessenkonflikt, über die Institute zu bestimmen, die einen bezahlen? Bei den Christdemokraten im Finanzausschuss hat Norbert Post seit 2015 rund 60.000 Euro von der Stadtsparkasse Mönchengladbach kassiert. „Ich gehöre dem Aufsichtsrat der Volksbank Heinsberg eG und deren Vorgängerinstituten seit mehr als 27 Jahren an, also viel länger, als ich Landtagsabgeordneter bin. (…) Zwischen Aufsichtsratsmandat und politischer Tätigkeit hat es nie Wechselwirkungen gegeben“, sagt sein CDU-Kollege Bernd Krückel. Er bekam seit vergangenem Jahr über 35.000 Euro von der Volksbank Heinsberg, sowie rund 3000 Euro von der NRW-Bank.

„Derart üppige Nebenverdienste sind schädlich für das Ansehen aller Abgeordneten“, heißt es in einer Mitteilung der Internetplatform Abgeordnetenwatch. „Einige Landtagsabgeordnete kassieren zum Teil beträchtliche Summen aus der Wirtschaft, woraus sich massive potentielle Interessenkonflikte ergeben können.“ Dass sich ein Abgeordneter bei Themen, die Interessenskonflikte darstellen könnten, einer Abstimmung enthält, käme nie vor, sagte Abgeordneter des Haushaltsausschusses im Gespräch mit CORRECTIV.RUHR.
Die Affären der Volksparteien

Mit Affären um Nebenverdienste haben die zwei großen Volksparteien in NRW immer wieder für Furore gesorgt: Als 2010 der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) für 20.000 Euro Gespräche mit Unternehmern wahrnahm, kritisierten die Sozialdemokraten um Kraft scharf die Käuflichkeit der Politik. Allen voran polterte Parteioberhaupt Sigmar Gabriel: „Wir verkaufen keine Amtsträger und auch nicht die Partei an andere Leute, die genug Geld haben. Das gilt für die deutsche Sozialdemokratie“, hatte er gesagt.

Im vergangenen Monat folgte dann die Affäre „rent-a-sozi“. Die Kommunikationsagentur des SPD-Parteimagazins „Vorwärts“ ließ sich Treffen mit hochrangigen Politikern „sponsern“. 3000 bis 7000 Euro wurden für Politikertreffen eingenommen: Darunter SPD-Wirtschaftsminister Garrelt Duin und Verkehrsminister Michael Groschek. Angeblich alles legal – obwohl der Vorwurf wegen illegaler Parteienfinanzierung weiterhin im Raum steht.

Ein Vertreter der SPD-Agentur sagte einer verdeckt arbeitenden Reporterin des ZDF-Magazins Frontal 21: „Mit zwei, drei Monaten Vorlauf organisieren wir für Sie ein Vorwärts-Gespräch. Früher hießen die Kamingespräche. Aber das muss seit Rent-a-Rüttgers alles etwas offizieller klingen. (…) Sie sind ein sogenannter Unterstützer und zahlen 7000 Euro für ein gesetztes Essen. Sie entscheiden dann, wer daran teilnehmen soll, und wir organisieren ihnen dann den Minister, den Fraktionsvorsitzenden oder den Staatssekretär, den sie haben wollen.“

Die Landtagsabgeordneten Börschel, Körfges und Post hatten sich bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht zu unserer Anfrage geäußert.

Mitarbeit: Julian Hilgers

[1] Bildnachweis: charlotte-hintzmann.de

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