Mexico City – Siebter Tag: Stadtevolution, Geografie und ein neues Auto

Jeder lese, solange es für ihn kurzweilig bleibt; ansonsten hat er auch nichts verpasst im Leben.
(Sprüche und Wendungen eines alten chinesischen Meisters)

Freitag, der 6. Februar 2009

Blick vom westlichen Rand des Zentrums in den Westen der Stadt
Blick vom westlichen Rand des Zentrums in den Westen der Stadt

La Ciudad de México D.F. hat eine ganz und gar ungewöhnliche Physiognomie durch seine Höhenlage im Talkessel zweier Bergmassive. Die Stadt hat sich im Laufe ihrer Evolution an den Bergflanken emporgerankt und kleinere Ausläufer assimiliert. Deshalb sind die Straßen zum Teil bestimmt steiler als die San Franciscos und die Architektur wahrlich abenteuerlich. In den Berghängen kleben Neu- und Altbauten, Straßen nehmen wüste Wendungen und Kehren und Nadelösenwenden zurück. Dieses Prinzip Chaos setzt sich im Antlitz der Stadt fort, wo Bauten im Kolonialstil neben Modernismen des letzten Schreis stehen und der Stadt immer wieder ein überraschendes Gesicht verleihen wie ein plötzlich auftauchendes Dreieckshaus, das die Fahrbahn zerschneidet und wo in seinem Bugfahrwasser die Wellen wieder zusammenschwappen. Oder die Avenida Amsterdam, die eine ehemalige Trapprennbahn war und dann zu einem Wohnviertel umfunktioniert wurde. Die Avenida hat eine ovale Form und man kann auch noch immer im Kreis bzw. Oval herumfahren und in der Mitte der Straße ist ein Grünstreifen, sodass man dort auch entlangjoggen, besser traben kann. Das typische lateinamerikanische Schachbrettmuster, das die Plaza de las Armas oder halt den Zócalo vergittert, hat Mexiko-Stadt zum Glück nur im Centro Histórico, okay, vielleicht auch noch ab und an woanders, aber eigentlich dominieren im Gegenteil die abenteuerlich mäandernden Straßen.

Die Lage der Stadt spiegelt die Geografie des Landes, die sehr viele Höhenstufen anzubieten hat. Wie seit Alexander von Humboldt bekannt, korrespondiert der Höhenstufe der subtropischen Berge die Vielfalt an Pflanzenarten, die man hätte, würde man die Höhenstufen um einen gewissen, mir gerade zufällig entfallenen Faktor in Breitengrade umrechnen. „… [a]m] Äquator [seien] alle Klimastufen der Erde von den Polen bis zum Regenwald in der Vertikalen abgebildet …“, so Humboldts umstrittene These, zusammengefasst und -gerafft von einem unbekannten Historiker. Und das merkt man wiederum beim leiblichen Vergnügen der mexikanischen Küche, die über eine ungeahnte Vielfalt an Obst und Gemüse verfügt. Heute, am Freitag trifft sich immer die Familie der Maklerin zum Essen bei der Mutter, und ich wurde eingeladen, sogenannte Mole zu essen, irgendein Gemüse mit Hühnchen püriert. Vorab gab’s erstmal einen Tequila mit dem Schwager der Maklerin, zu dem – zu wem? – ich gedrängt wurde. Am Paso del Cortés startet jedes Wochenende ein Tour auf den Popocatépetl, wie ich im Gespräch erfuhr. – Zur Mole gab’s als Vorspeise eine Suppe mit Avocados und als Nachspeise Japote, unserem Apfelkompott in der Beschaffenheit nicht unähnlich, wenngleich anders im Geschmack, eher wie Pflaumenmus. – Apropos, gestern war ich im Roxy Eis essen, der ältesten Eisdiele der Stadt, die 2002 ihren hunderstesn Geburtstag feierte. Das Eis, zumindest das Schokoladenbällchen, das ich probierte, enttäuschte, wobei das Pistazieneis meiner Maklerin vom Optischen her durch ganze Fruchtstücke schon mehr imponierte.

Morgen endlich werde ich meine neue Wohnung beziehen, wofür ich mich mit meinem neuen Patrón treffe, der mir das Geld für Kaution und Miete vorstreckt. Das Einlösen der Verrechnungsschecks durch eine Kurierfirma nimmt doch etwas Zeit in Anspruch, vielleicht anderthalb Wochen. Um 16 Uhr werde ich el Patrón in der Avenida Amsterdam besuchen, wo er wohnt, und er wird mich dann mit der Maklerin zur Übergabe des Geldes eskortieren. Die Wohnlage des Chefs habe ich schon vorweg zusammen mit der Maklerin ausspioniert, die wußte, wo wir Deutschen alle untergebracht sind – es ergab sich so bei einer Fahrt durchs Barrio Condesa. – Roswitha, unsre Portierin, fädelte heute mit der Chevrolet-Niederlassung die Verhandlungen zum Kauf des Nuevo Chevy ein. 10.000 Pesos sollen als Vorschuß gezahlt werden, bevor mein Modell in der Farbe Plata brillante bestellt werden wird. Business as usual!

Teil 8 erscheint Samstag um 17 Uhr.