Merkwürdigkeiten bei der Vergabe der Schülerfahrten: Aussitzen und Schweigen?

War es Schlamperei, Inkompetenz, hat einer dran “gedreht”, oder ist das doch eine ganz harmlose Angelegenheit? Die Frage stellt sich die SBL wegen der vielen und gravierenden Merkwürdigkeiten bei der Vergabe der Schülerfahrten zu den Förderschulen des Kreises. An eine Verkettung von Zufällen mag man kaum glauben …

(Der Artikel ist gestern zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen. Zur Vorgeschichte siehe auch hier im Blog.)

Bereits die Vorgeschichte erweckt einen sehr seltsamen Eindruck.
Die Ausschreibung erfolgte für 5 Schulen in insgesamt 57 einzelnen Losen, wobei ein Los einer Bustour entspricht. Bieter konnten sich für ein oder mehrere oder alle Lose bewerben. Am 26.03.2014 wurde die Ausschreibung veröffentlicht, am 30.04.2014 fand die Submission statt, also die Öffnung der Angebote.

Am 05.06.2014 trafen dann der Landrat und ein weiteres einzelnes Kreistagsmitglied eine einsame Dringlichkeitsentscheidung und vergaben Aufträge im Gesamtwert von 6,415 Mio Euro (laut Veröffentlichung in http://ted.europa.eu, als Dokument-Nr 325135-2014), ohne Beteiligung des Kreistags und des Kreisausschusses.

Solche Dringlichkeitsentscheidungen sind gesetzlich nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn dem Kreis sonst ein erheblicher Schaden drohen würde und noch nicht einmal der Kreisausschuss rechtzeitig einberufen werden könnte. Das wäre hier aber problemlos möglich gewesen, denn der Termin für diese Ausschreibung war ja seit 5 Jahren absehbar …

Im Jahr 2009 lief das Vergabeverfahren für die Schülerfahrten noch anders: da wurde für diese Vergaben, die ein sehr großes finanzielles Volumen haben, eigens der Kreisausschuss einberufen, und 3 Wochen später standen sie im Kreistag auf der Tagesordnung.

Jetzt aber kam es noch schlimmer: Die gesetzlich erforderliche Information des Kreistags für dessen nächste Sitzung unterblieb. Zwar wurde bereits am 05.06.2014 eine Sitzungsvorlage erstellt, aber sie verschwand in den Schubladen der Kreisverwaltung. Der Kreistag tagte am 27.06.2014, ohne irgendetwas von diesem Thema zu wissen. Erst am 18.07.2014 – also nach 43 Tagen!! – wurde die Vorlage an die Kreistagsmitglieder versandt. Auf der Tagesordnung des Kreistags stand die Angelegenheit erst am 29.08.2014, also nach fast einem Vierteljahr und als das Schuljahr bereits begonnen hatte! Wie nicht anders zu erwarten, wurde von der Mehrheit des Kommunalparlaments die Dringlichkeitsentscheidung genehmigt.

Wegen der sehr auffälligen Merkwürdigkeiten hatten je ein Kreistagsmitglied von SBL und Linken am 19.08.2014 Akteneinsicht im Vergabeamt der Kreisverwaltung genommen und anschließend eine schriftliche Anfrage an den Landrat mit 2 Fragen gestellt, darunter eine Tabelle mit den Einzelpreisen je Angebot. Die Anfrage wurde erst nach einem Monat beantwortet, nachdem die beiden Kreistagsmitglieder die Antwort angemahnt und angekündigt hatten, bei einer weiteren Akteneinsicht die Fragen selbst zu beantworten.

Was die beiden Kreistagsmitglieder im Vergabeamt sahen bzw. nicht sahen, löste bei ihnen großes Erstaunen aus. Es gab – vor ihrer Anfrage – keine transparenten Auswertungen der Angebote und außerdem einen völlig unverständlichen Umgang mit dem Vergaberecht. Das sieht z.B. vor, dass eine Ausschreibung aufgehoben werden kann, wenn das günstigste Angebot mehr als 20% vom vorher für diesen Auftrag festgelegten Schätzpreis abweicht. Hier gab es Lose, wo der Auftrag an Bieter ging, deren Preis je gefahrenen Kilometer sogar beim 2 1/2- bis 3fachen des üblichen lag, also ganz weit über der Grenze, wo normalerweise keine Vergabe ohne Nachverhandlungen oder neue Ausschreibung erfolgen sollte. Aber niemand hatte sich darum gekümmert, niemand hatte die Preise je Kilometer ausgewertet. Es waren auch gar keine Schätzpreise je Angebot festgelegt worden; so ersparte sich das Vergabeamt eine Auswertung, ob die Angebote wirtschaftlich waren …

Besonders hohe Preise gab es mehrfach genau dann, wenn für ein Los nur ein Bieter ein Angebot eingereicht hatte. War da vielleicht jemand sehr gut informiert oder waren es hellseherische Fähigkeiten oder erfolgreiche Spekulation?

Dem Kreistag wurde vom Landrat in der Vorlage für die Ende August stattfindende Sitzung nur der Gesamtpreis je Angebot mitgeteilt. Bei dessen Ermittlung erfolgte der nächste gravierende Fehler. Denn die angebotenen Leistungen setzen sich aus Preisen je gefahrenen Kilometer x Strecke x Anzahl der Schultage und aus den Kosten für eine Begleitperson zusammen. Bei der Auswertung im Vergabeamt wurde so getan, als ob diese Begleiterkosten bei jeder Fahrt anfallen. Das ist aber nicht der Fall, denn bei 3 der 5 Schulen werden nur zwischen 25%, 33 % bzw. 60% der Fahrten begleitet. Die unrealistische Auswertung durch das Vergabeamt hatte zur Folge, dass Bieter mit besonders günstigen Kosten für ihre Begleiter zum Zuge kamen. Wenn dann später nur bei einem geringen Teil der Fahrten tatsächlich ein Begleiter eingesetzt wird, sind diese Bieter teurer als ihre Wettbewerber, die realistische Kosten für die Begleiter, aber günstigere Fahrtkosten je Kilometer angesetzt hatten.

Überhaupt hätten die Begleiterkosten einer näheren Betrachtung durch das Vergabeamt bedurft. Denn jeder Bieter muss schriftlich versichern, dass er das Tariftreuegesetz einhält, also mindestens 8,62 Euro Bruttostundenlohn zahlt. Um diesen Mindestlohn zahlen zu können, muss das Busunternehmen mindestens etwa 13 Euro je Mitarbeiterstunde einnehmen, wegen der diversen Personalnebenkosten. Bereits auf den ersten Blick war aber erkennbar, dass der tatsächlich gezahlte Bruttostundenlohn bei einigen Bietern unter 6 Euro liegen muss, doch nichts geschah. Trotzdem waren viele der erteilten Aufträge nicht günstig, wegen der hohen Kosten je gefahrenen Kilometer.

Um diese und weitere Ungereimtheiten aufzuklären, beantragten SBL und Linke am 01.10.2014 die Einsetzung einer Untersuchungskommission. Wieder ließ sich die Kreisverwaltung mit ihrer Sitzungsvorlage sehr viel Zeit. Die beiden Fraktionen hatten ihren Antrag an den Kreistag bereits 30 Tage vor der Kreistagssitzung, die am 31.10.2014 stattfand, gestellt. Laut Geschäftsordnung hätte die Kreisverwaltung die Sitzungsvorlage mit ihrer Stellungnahme spätestens am 20.10.2014 an die Kreistagsmitglieder versenden müssen, und sie hätte dabei 20 Tage Zeit für die Erstellung der Vorlage gehabt. Das hätte ausreichen müssen! Doch die Post mit der Vorlage zu diesem Tagesordnungspunkt ging erst am vorletzten Tag vor der Kreistagssitzung bei den Kreistagsmitgliedern ein, teilweise sogar erst am Tag vor der Sitzung. So konnte die Drucksache 9/99 nicht mehr in den Fraktionssitzungen verwendet werden. Die in der Kreistagssitzung von SBL und Linken gestellt Frage, warum die Vorlage erst so spät kam, blieb bis heute unbeantwortet.

Auch der Inhalt dieser Drucksache 9/99 steckt voller Merkwürdigkeiten. Einige Beispiele:
So erklärt die die Verwaltung zum Hinweis der Antragsteller, dass keine transparenten Auswertungen der Angebote erfolgten, dass im Fachdienst “ein Verfahren entwickelt (wurde), um die unterschiedlichen Angebote im Sinne dieser Ausschreibung bestmöglich vergleichen zu können.”

Es scheint sich um ein höchst geheimes Verfahren zu handeln, denn bei ihrer Akteneinsicht haben die beiden Kreistagsmitglieder keinen Hinweis darauf gefunden; auch der anwesende Mitarbeiter des Vergabeamtes konnte auf ausdrückliche Nachfrage keine weiteren Auswertungen als die den beiden Kreistagsmitgliedern vorgelegten Unterlagen benennen…

Die Kreisverwaltung erwähnt aus einem Angebot, das den Zuschlag erhielt, den Einzelpreis von 9,85 Euro (je Kilometer!) und begründet ihn so: “Die hohen Preise sind in der Besonderheit des Einzelfalls (großer Bus/wenig Kilometer) begründet.”

Auch das geht völlig an der Realität vorbei. Denn ein Blick auf 4 andere Lose zeigt, dass dort Aufträge für fast gleich lange Fahrtrouten und für ähnlich große Fahrzeuge zu Preisen unter 3 Euro je Kilometer vergeben wurde, in einem weiteren Fall für ein größeres Fahrzeug bei fast gleicher Distanz für unter 4 Euro.

Auf den Hinweis der Antragsteller, dass die Notwendigkeit des Dringlichkeitsentscheids, der nur durch den Landrat und ein weiteres Kreistagsmitglied getroffen wurde, nicht erkennbar war, schreibt die Kreisverwaltung: “Das Vorgehen entsprach der bisherigen, jahrzehntelangen und vom Kreistag gebilligten Praxis.”

Auch das trifft nicht zu. Denn bei der letzten Vergabe der Schülerfahrten wurde der Kreisausschuss einberufen (s. oben), und bei anderen Dringlichkeitsentscheidungen wurde bisher der Kreistag umgehend informiert und sie standen in der nächsten Sitzung auf der Tagesordnung.

Weitere Einzelheiten über die Angebote und Lose können wir hier wegen der Nichtöffentlichkeit der Vergabe nicht berichten.

In der Kreistagssitzung wurde zu diesem Thema keine einzige Frage beantwortet, und eine Stellungnahme des Landrats gab es auch nicht. Man kann den Eindruck gewinnen, dass Landrat, Kreisverwaltung und die GroKo-Fraktionen darauf setzen, die Angelegenheit durch Aussitzen und Schweigen erledigen zu können. Für den Antrag, eine Untersuchungskommission einzurichten, stimmten nur SBL, Linke, der Pirat und ein SPD-Kreistagsmitglied.

Die Fraktionen von SBL und Linken werden das Thema weiter verfolgen. Denn bereits bei einer Überschreitung der realistischen Auftragssummen von durchschnittlich nur 8% würde ein Verlust von ca. 500.000 Euro entstehen.