Medienkritik: Woran krankt der Artikel im „Journalist“ über „DerWesten“

Im „Journalist“, der Zeitschrift des Deutschen Journalisten Verbands (DJV), ist ein fleißiger und informativer Artikel zum Thema „DerWesten – oder:  Woran regionaler Journalismus im Netz krankt“ erschienen. Statt einer umfassenden Meta-Medienkritik greife ich mir zwei Absätze heraus und erkläre das Dilemma der Autorin.

In wenigen Regionen Deutschlands blüht die Onlinejournalismus-Landschaft so vielfältig wie in Nordrhein-Westfalen. An Rhein und Ruhr soll es rund 60 Angebote mit Lokalinformationen geben, die nicht von klassischen Verlegern angeboten werden. Dazu kommen die professionellen Seiten. DerWesten muss sich allein im Ruhrgebiet neben ruhrnachrichten.de, WDR.de und Blogs wie ruhrbarone.de und pottblog.de behaupten. Am Niederrhein kommt der ewige Konkurrent hinzu: RP Online, das Internetangebot der Rheinischen Post.

Ich finde es generell schlecht, wenn ein Autor/eine Autorin „soll es“ schreibt. Was soll das? Entweder weiß sie es, oder sie weiß es nicht oder sie recherchiert ordentlich. Was ist „soll es“ für eine Quelle? Die Autorin verzichtet darauf diese ominöse Zahl zu qualifizieren. Sie könnte dann nämlich aufschlüsseln, welche Art von Informationen von diesen „soll es“-60-Angeboten publiziert werden.

Ein riesiges Verbreitungsgebiet, ein Nachrichtenportal für regionale und überregionale Inhalte, zentrale Diskussionsplattform – DerWesten macht von allem etwas, aber nichts richtig gut. „Ein Portal für alle zu machen, entspricht den Vorstellungen des Internets der 90er Jahre“, sagt der Münsteraner Medienforscher Christoph Neuberger. Vergleichsweise gut ist das Team lediglich in der Verbreitung seiner Nachrichten via Twitter und Facebook. Immer wieder Kritik einstecken muss DerWesten für die Diskussionskultur auf seiner Seite und mangelhafte Aktualität im Regionalen. „Für mich jedes Mal wieder ein Blick in die Abgründe des menschlichen Seins“, schreibt etwa Stefan Laurins von ruhrbarone.de in seinem Blog über schlecht moderierte Diskussionen. Pottblogger Jens Matheuszik findet: „Im Regionalen ist DerWesten zu langsam, zu wenig aktuell.“ Blogger aus dem Ruhrgebiet seien da manchmal schneller.

Alles schön und richtig beschrieben. In weiteren Teilen des Artikels geht es darüber hinaus um Klick-Zahlen, Bildergalerien und Content-Desks.

Dies alles ist gut und schön beobachtet,  aber selbst der Vorwurf der Langsamkeit trifft nicht den Kern des Problems.

Das Grundproblem lautet:

Der lokale Journalismus der WAZ-Produkte erfüllt seine Aufgaben nicht. Er ist zum großen Teil nur eine Ansammlung von PR-Texten und umgeschriebener Pressemeldungen. Die Verhältnisse vor Ort werden nicht adäquat abgebildet oder gar analysiert und lesergerecht beschrieben. Recherchierte Wirtschaftsnachrichten aus der Kommune – meist Fehlanzeige. Recherchierte Reportagen aus dem Arbeitsleben – Zero. Recherchierte Reportagen aus dem Rathaus – gegen Null.

Die Lokalseiten der Zeitungen stehen schon lange nackt in der Medienlandschaft und sind kaum noch von den denen der Reklameblätter zu unterscheiden.

Die sogenannten „Placeblogger“ sind in der Mehrzahl keine echte Konkurrenz, sondern, beispielsweise hier im Hochsauerland, nicht mehr als digitale Gefäße, in die beliebig Pressemeldungen und unüberprüfte Umsonst-Artikel geschüttet werden. Die Betreiber solcher Blogs haben keine Zeit für redaktionelle Bearbeitungen.

Früher hieß es: „Papier ist geduldig“, heute ist die Plattenkapazität der Provider „unerschöpflich“. Viele  dieser „Placeblogs“ sind unappetitliche Textmüllhalden, die sich von automatisierten Werbemaschinen ernähren (wollen). Im besten Fall spiegeln sie unreflektiert die Vereinsgeschäfte vor Ort wider.

Erst wenn die Lokaljournalisten vor Ort (wieder?) Journalismus betreiben und nicht hauptsächlich Seiten zusammmenschieben und sich vor den lokalen Mächten ducken (müssen), wird es  guten Journalismus vor Ort geben. Der ist dann auch Online interessant.

Ich weiß allerdings nicht, ob guter Journalismus im Interesse der WAZ-Mediengruppe und ihrer Eigner liegt. Wie sagte noch Geschäftsführer Christian Nienhaus im Jahre 2008 im Interview:

“dass man mit starken Marken eine ordentliche Rendite erwirtschaften kann. Und ich habe gelernt, dass man eine aggressive Marketingstrategie und Markenpflege betreiben muss. Bei Bild haben wir Dessous, Volksbibeln und Handytarife vermarktet. Diese Zeitung ist in Wahrheit eine Marketingmaschine. Da muss man schauen, was davon übernommen werden kann. Erfolg kann man nicht genug haben.”

Dessous, Volksbibeln und Handytarife. Ich verstehe: Form follows function!

Der Lokaljournalismus der WAZ-Gruppe ist schlecht. Das hat nichts mit Online oder Offline, mit Print versus Blogger zu tun.

Der nächste Artikel im Journalist sollte erklären, aus welchen Gründen der Journalismus vor Ort defizitär ist. Er sollte dies anhand der Arbeitsbedingungen der Journalisten vor Ort und der Verlagspolitik unter besondere Berücksichtigung der Verlegerfamilien tun 😉

Let’s talk about journalism.

8 Gedanken zu „Medienkritik: Woran krankt der Artikel im „Journalist“ über „DerWesten““

  1. @Redakteur:
    Soll ich Werbung machen ;-)? Klar die Handys gibt es schon: http://www.wirmobil.de/derwesten/

    „Dessous und Volksbibeln“ habe ich noch nicht gefunden. Das muss Nienhaus noch umsetzen.

    Ich meine, dass die BILD das Thema „Das Wandern ist der Nackten Lust“ http://www.derwesten.de/wp/region/Das-Wandern-ist-der-Nackten-Lust-id2937140.html pointierter bringen würde. Da ist noch was drin: Zecken am Scrotum, Sonnenbrand am Hintern, sowie: „Tragisches Ende einer Nacktwanderung. Nackedei fiel in großen Bärenklau. Schock-Allergie. Todeskampf an der Nuhne.“

  2. Du bist ja witzig: Anfangs Recherchekritik, dann beleg- und beispielloser Rundumschlag? Da fehlt was. Bitte nachtragen.

    1. @Icke:
      Die Qualität der Lokalberichterstattung war schon mehrfach Thema im Blog, daher der „beleg- und beispiellose Rundumschlag“. Es sollte kein umfassender Essay sein. Mehr später …

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