Marion bei den Mexis, Teil 28: Lehrergewerkschaftsführerin reich und korrupt, Hugo Chávez tot und ein Drogenboss verschwindet aus der Forbes-Liste.

Dieser Artikel ist der 28. Teil einer persönlichen Serie über das Leben in Mexico und Mexico-City. Heute berichtet unsere Autorin unter anderem über eine korrupte Gewerkschaftsführerin, den Tod von Hugo Chávez sowie über allerlei reiche Leute, mit und ohne Drogen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.

¡Hola a todos!

Lässt man die Rechtschreibkorrektur über einen deutschsprachigen Text laufen, in dem der mexikanische Präsident Peña Nieto erscheint, kommt als erster Verbesserungsvorschlag für Nieto „Niete“.

Ob er aber wirklich eine Niete ist, lässt sich nach 100 Tagen Regierungszeit natürlich noch nicht sagen. Was sich aber jetzt schon zeigt, ist, dass er sich seiner politischen Macht sehr bewusst ist.

Frau Gordillo und Herr Peña Nieto konnten scheints auch herzlich miteinander lachen. Vielleicht hat sie ihm auch gerade nur für seine Frau ihren Schönheitschirurgen empfohlen und er dachte, das sei ein guter Witz.
Vorher: Frau Gordillo und Herr Peña Nieto konnten scheint’s auch herzlich miteinander lachen. Vielleicht hat sie ihm auch gerade nur für seine Frau ihren Schönheitschirurgen empfohlen und er dachte, das sei ein guter Witz.

Überaus deutlich wurde dies, als er vor zwei Wochen die Lehrergewerkschaftsführerin Elba Esther Gordillo nach ihrer Rückkehr aus den USA am Flughafen verhaften ließ. Nun gut, das hatte aber auch einen Grund: Frau Gordillo soll aus Gewerkschaftsgeldern umgerechnet zwischen 155 und 170 Millionen Euro unterschlagen haben. Mir ist bei der Summe erst einmal die Sprache weggeblieben. Dann dachte ich wiederum: Na ja, die stand ja schließlich auch 24 Jahre an der Spitze der Gewerkschaft. Einer meiner Deutschschüler klärte mich auf: Die Summe bezöge sich nur auf die letzten drei, vier Jahre. Da hat es mir wieder die Sprache verschlagen. Als ich sie wiederfand, erzählte ich von diesem ehemaligen VW-Gewerkschafter und seinen Lustreisen nach Brasilien. Jedenfalls das, was mir noch so bruchstückhaft im Hirn haften geblieben ist. Daraufhin fragte mich mein Schüler: Ja, was hat er denn gemacht? Und ich sagte, er sei auf Firmenkosten nach Brasilien geflogen und hat dort seiner Geliebten eine Wohnung finanziert. Und? Ja, wie und? Das war’s? Ich nickte und er lachte herzhaft.

Die Reichen wohnen nebenan.
Schöner wohnen – einer der beschlagnahmten Gordillo-Häuser in Mexiko-Stadt. Dieses steht nicht unweit des Chapultepec-Parks, auch wenn es noch in unserem Stadtteil liegt, dürften wir uns dort die Mieten kaum leisten können.

Eigentlich hat auch ganz Mexiko über Gordillos Verhaftung geschmunzelt. Ich fand das gar nicht komisch, schließlich hat die Frau damit nicht nur unzählige Schönheitsoperationen bezahlt (die meiner Meinung nach überhaupt nichts gebracht haben) und zahlreiche Immobilien erworben (alleine acht in der mexikanischen Hauptstadt, dann noch zwei in San Diego und eine in Paris), sondern auch ihre ganze Familie versorgt (u.a. mit politischen Ämtern).

Nachher hatte sie wirklich nichts mehr zu lachen. Ob die Gitter nachträglich per Photoshop eingefügt worden sind, weiß ich nicht. Ich war ja bei der Verhaftung nicht mit dabei. Beide Bilder aus meiner Lieblingszeitung "La Jornada".
Nachher hatte sie wirklich nichts mehr zu lachen. Ob die Gitter nachträglich per Photoshop eingefügt worden sind, weiß ich nicht. Ich war ja bei der Verhaftung nicht mit dabei. Beide Bilder aus meiner Lieblingszeitung „La Jornada“.

Eine weitere Gruppe, die jetzt nichts zu lachen hat, ist die Lehrerschaft. Schließlich genoss die unter Gordillos Schirmherrschaft eine gewisse Narrenfreiheit. Stell dir vor, dein Papa ist Lehrer. Dann konntest du in Mexiko das auch werden, denn die Lehrerstellen konnten vererbt werden. Egal, wie blöde du auch bist, das ging. Und wenn du dann nicht zum Unterricht erschienen bist, machte das auch nichts: Es gab keine Sanktionen. Damit wird es jetzt wohl vorbei sein. Wie auch Frau Gordillos Luxusleben. Wenn man den offiziellen Angaben glaubt, muss sie jetzt 67 sein. Sie ist aber seit 1960 in der Gewerkschaft. Das würde bedeuten, sie war schon mit 15 Lehrerin. Stramme Leistung. In der jetzigen Regierungspartei PRI war sie auch, bis die sie vor ein paar Jahren rausgeschmissen haben. Dann gründete sie ihre eigene Partei und robbte sich an den vorherigen Präsidenten Calderón von der PAN.

Hugo Chavez ist tot
Hugo Chávez ist tot. „Viva Chávez!“ (fotos: koerdt)

Apropos heran robben: Hugo Chávez ist tot. Nun gut, das ist nichts Neues. Aber in dem Zusammenhang wurde mir mal wieder deutlich, dass Lateinamerika eben keine homogene Einheit darstellt. Chávez bezeichnete 2005 den damaligen PAN-Präsidenten Fox sinngemäß als „Arschkriecher der USA“, was bei dem gar nicht gut ankam. Seitdem lagen die diplomatischen Beziehungen quasi auf Eis. An der Venezuelanischen Botschaft in Polanco gab es dennoch Trauerbekundungen. Und vielleicht werden von dort demnächst auch Pilgerreisen zum einbalsamierten Chávez nach Caracas angeboten. Warum totalitäre Charaktere eigentlich immer zum Personenkult neigen, bleibt für mich nach wie vor bizarr.

Hugo Chavez - Personenkult
Und ewig grüßt der Commandante – zum Glück nur als Bild und nicht als ausgestellte Mumie. Allzu dicke hatte es die mexikanische Regierung aber nicht mit dem Hugo. Schließlich würde die dem imperalistischen Erzfeind in ein bestimmtes Körperteil kriechen.

Die weitere Meldung Lateinamerika betreffend, war ja die Papstwahl. Wir waren Papst, jetzt ist Argentinien dran. Als erstes nichteuropäisches Land überhaupt. Auch hier zeigt sich die Inhomogenität Lateinamerikas. Hier in Mexiko tanzten die Katholiken (deren Anzahl in Mexiko ja an Wahlergebnisse in kommunistischen Länder erinnert) vor Freude nicht auf der Straße, sondern wiesen sofort darauf hin, dass der neue Pontifex ja angeblich mit der damaligen Militärjunta gemeinsame Sache gemacht hat. Die Argentinier stehen auf der mexikanischen Beliebtheitsskala ungefähr dort wo die US-Amerikaner stehen. Sie gelten schlichtweg als die Arroganzschnösel Lateinamerikas.

Als Arroganzschnösel wurde bislang der reichste Mann der Welt, der Mexikaner Carlos Slim, ja nicht wahrgenommen. Wohl eher das Gegenteil: Der Unternehmer gilt als allgemein als bescheidener Zeitgenosse, der um an seiner an Krebs verstorbenen Frau noch immer trauert und das Museum mit einem Teil seiner Kunstsammlung nach ihr benannte: Museo Somaya. Der Eintritt ins Museum ist jederzeit frei. Klingt wirklich nicht unsympathisch, wenn er nicht den Mexikanern das Telefonieren zur Kostenhölle machen würde. Fast nirgendwo auf der Welt sind die Telefonkosten so hoch wie in Mexiko. Und wer beherrscht den Markt? Richtig, Herr Slim. 80% des Festnetz- und 70% des Mobilfunkmarktes gehören seinen Firmen. So, nun gefällt aber nicht jedem diese Monopolisierung. Unter anderem den großen Parteien, die sich zum Mexiko-Pakt („Pacto por México“) zusammengeschlossen haben, um Reformen im Land voranzutreiben. So will der Mexiko-Pakt das Monopol auf dem Telekommunikationsmarkt durch gesetzliche Neureglungen brechen. Und wer steht an der Speerspitze? Präsident Peña Nieto. Wie gesagt, der Mann handelt. Ob er Gewinner oder Niete ist, wird sich zeigen müssen. Jedenfalls darf Herr Slim jetzt um seinen ersten Platz in der Forbes-Liste der reichsten Männer der Welt fürchten. Vor kurzem führte er sie zum vierten Mal in Folge an. Wer jedenfalls aus der Liste verschwunden ist, ist der Chef des Sinaloa-Kartells, Joaquín „El Chapo“ Guzmán. Zu undurchsichtig seien seine Besitzverhältnisse, so die Begründung. Ach was, wer hätte das gedacht? Der Typ ist seit 12 Jahren untergetaucht und das wird wohl auch erst einmal so bleiben. Die Meldung, er sei im Norden Guatemalas erschossen worden, entpuppte sich als Ente. Und der guatemaltekische Innenminister musste schamesrot vor die Presse treten, nachdem er Stunden zuvor siegessicher verkündet hatte, dass er es sein könnte. „El Chapo“ führt zwar nicht die Forbes-Liste an, belegt aber in einem anderen Ranking nun Platz eins: Er gilt in den USA nun als Staatsfeind Nr. 1.

Also, ich finde dieses Land schon recht leistungsstark.

Hoffe, euch allen geht es gut und dass die Ostereiersuche nicht im Schnee versinkt.

Muchos saludos,
Marion

P.S.: Die Rechtschreibkorrektur schlägt bei Gordillo als erstes „Gorilla“ vor, bei Sinaloa „Sinalco“.