Kasseler Ansichten: zu viel Volk …

Am Straßenrand in Kassel lauert das "Volk", sehr viel "Volk". (f. oto: zoom)
Am Straßenrand in Kassel lauert das „Volk“, sehr viel „Volk“. (foto: zoom)
Mir persönlich schwirrt momentan einfach zu viel „Volk“ durch die Gegend. Den Begriff „Volk“ hatte ich persönlich schon lange abgehakt.

Als es „Wir sind das Volk“ rief, habe ich eher bedrohliche Unterschwingungen als Befreiung gespürt.

„We are the people!“ ist demokratischer Pop. „Wir sind das Volk“ ist stampfende Marschmusik.

Auch bei der taz muss es anscheinend ab und an „völkisch“ hergehen. Andreas Fanizadeh schreibt (Hervorhebung von mir):

Erst durch die rot-grüne Bundesregierung 1998 erfolgte das Bekenntnis des Staates zu einer multivölkisch zusammengesetzten deutschen Nation. Das Staatsbürgerrecht wurde entsprechend reformiert. Seit dieser Zeit hat der institutionelle Rassismus in Deutschland abgenommen. Die aktuelle Welle rechtsradikaler Gewalt bezeichnen Medien und Politik heute unisono als die Taten eines braunen Mobs, fordern das Durchgreifen der Polizei.

Ich habe mich bislang als deutscher Staatsbürger gesehen. Mir käme es nicht in den Sinn, mich als Element eines Teilvolks einer sogenannten multivölkischen Nation zu begreifen.

Die taz hat leise bei mir angeklopft und sich um eine Abo-Kündigung beworben.

Disclaimer: auf die Idee für diesen Eintrag hat mich folgender Tweet gebracht:

8 Gedanken zu „Kasseler Ansichten: zu viel Volk …“

  1. Die TAZ hat immer mal Probleme mit der Sprache. Ein Lieblingswort scheint „getürkt“ zu sein.

    Am 19. 8. war im Internet und der Druckausgabe zu lesen:

    „Die Medien lassen sich nicht mehr so leicht mit einer getürkten Website, einer Visitenkarte und einem Anzug aus dem Secondhandladen täuschen.“

    Im Internet wurde inzwischen „getürkt“ durch „gefaket“ ersetzt.

    http://www.taz.de/NULL/!5222849/

    Guckt mal in euren Print-Archiven nach!

  2. türken = alltäglich genutzte Metapher für fingieren, fälschen

    Auch wenn die Herkunft des Verbs türken unklar ist, verbindet es sich doch im Bewusstsein der meisten Menschen mit der entsprechenden Nationenbezeichnung. Es wird besonders von türkischstämmigen Mitbürger(inne)n als diskriminierend empfunden und sollte deshalb im öffentlichen Sprachgebrauch unbedingt vermieden werden.

    http://www.duden.de/rechtschreibung/tuerken

    Nur mal so angemerkt wg. aktueller Gemengelage …?!

  3. Nach „Negerküsse“ muss ich jetzt wohl auch „Volk“ aus meinem Wortschatz streichen. Dabei ist ein breiter Wortschatz doch Zeichen unverfangenen Denkens. Es ist ein Kreuz mit der Political Correctness…

    Apropos „Kreuz“, dessen Tage sind wohl auch gezählt…

    1. Ein großer Wortschatz ist meist ein Zeichen von Bildung. Und selbstverständlich habe ich alle von Ihnen angesporochenen Wörter in meinem Wortschatz, sonst würde ich sie ja nicht kennen.

      Der Gebrauch von Wörtern ist allerdings auch ein sozialer Akt, eingebunden in historische, politische und eben soziale Zusammenhänge.

      Mit „Political Correctness“ kann ich an dieser Stelle nichts anfangen.

      Bedauern Sie es, dass Sie „Negerküsse“ nur noch unter ähnlich Gesinnten sagen können?

      „Apropos „Kreuz“, dessen Tage sind wohl auch gezählt…“ -> was soll das inhaltlich bedeuten?

      Noch mal zurück zum Begriff „Volk“. Auch beim Gebrauch dieses Begriffs, kommt es auf den sozialen, politischen und historischen Kontext an: Wenn beispielweise ein rechter Mob „Wir sind das Volk skandiert, wird er in ausschließender, rassistischer Weise gebraucht. Spricht die UNO von „Völkermord“, ist der Gebrauch einschließend bzw. konstituierend.

  4. Lieber Hannes,
    leider habe ich diesen Beitrag erst jetzt gesehen, da ich gegenwärtig Urlaub mache. Touristen aus einigen Nationen sind am Urlaubsort. Ich gebe zu, dass auch mir das Adjektiv „multivölkisch“ zur Beschreibung der Atmosphäre hier nicht in den Sinn käme. Unglücklich formuliert von Andreas Fanizadeh, keine Frage; aber geht es deswegen bei der taz gleich „völkisch“ her?
    Oder das Leitwort des Kasseler Spar- und Bauvereins: „Durch das Volk, für das Volk“… – es ist von 1894 ! So klang damals der Sound der Arbeiterklasse, also auch ihrer genossenschaftlichen Bewegungen. „Völkisch“?
    Ich verstehe sehr gut, dass Du in diesen Tagen sehr sensibel reagierst auf alles, was nach Völkischem klingen könnte. Bedenke aber bitte auch, dass alles irgendwie braun aussieht, wenn es mit braunem Licht angestrahlt wird! Man kann dann nicht mehr erkennen, wo sich wirklich etwas Braunes rumtreibt.

    1. @Werner Jurga

      Sehe ich ähnlich. Die Bedeutung von „Volk“ ergibt sich, wie ich an anderer Stelle schrieb, aus dem Kontext.

      „Multivölkisch“ halte ich aber für erklärungsbedürftig.

      Unbehagen – ja klar.

      P.S. Viel Spaß im Urlaub 🙂

  5. Es gibt ständig Änderungen:

    Früher hieß es

    Alle Macht geht vom Volk aus!

    Seit Herrn Kauder von der CDU und seiner Interpretation von Demokratie höre ich immer mehr:

    Alle Macht geht vom Volker aus!

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