Haushaltsreden in der Kreistagssitzung: im Vordergrund Flüchtlinge und Kreisumlage

HSKhaushaltsReden20151218Der „Tag der Haushaltsreden“ im HSK-Kreistag steht schon seit gut einem Jahr fest. Doch dass die Kreistagssitzung in Meschede am 18. Dezember 2015 vom Thema „Flüchtlinge“ dominiert werden würde, hat vor 12 Monaten vermutlich kaum jemand gedacht.

(Der Artikel ist heute in ähnlicher Form zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Die CDU
Den Auftakt machte – wie in jedem Jahr – der Redner der größten Kreistagsfraktion. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Ludwig Schulte übte Kritik an der seiner Meinung nach unzureichenden Finanzierung der Unterbringung der Geflüchteten und beklagte die Überforderung der Kommunen. Der Erhöhung des von der Verwaltung vorgeschlagenen Hebesatzes der Kreisumlage um 0,2 % wolle die CDU-Fraktion zustimmen. Angesichts der Flüchtlingssituation müsse eventuell 2016 über einen Nachtragshaushalt abgestimmt werden, so die Prognose von Ludwig Schulte.

Die SPD
Reinhard Brüggemann, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, lobte die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Deutschen. Ein großes Kompliment ging auch die ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuer/innen und an die Mitarbeiter/innen der Verwaltungen. Der Kommunalpolitiker sprach sich gegen pauschale Personalreduzierungen bei der Kreisverwaltung aus und forderte einen Plan für den Fall ein, dass die Wirtschaft stagniert. Der SPD-Fraktionsvorsitzende beantragte, die Kreisumlage unverändert zu lassen. Zudem stellte er den Antrag seiner Fraktion auf Einführung eines Sozialtickets vor.

Die Grünen
Eine teils sehr emotionale Rede hielt Toni Vollmer, der Sprecher der Grünen Kreistagsfraktion. Er erkennt – im Gegensatz zum CDU-Vorsitzenden – eine sich schon lange angebahnte Schieflage und unterstrich seine Wahrnehmung mit der Aussage, dass die Auswirkungen der Weltpolitik nun auch im Sauerland zu spüren seien. Die großen Fluchtbewegungen sieht Toni Vollmer auch im Zusammenhang zum “Geschäft mit dem Tod“ (Waffenexporten) und mit „Lohnsklaven“. Das Thema „Flüchtlinge“ sei so alt wie die Welt. Der Grüne Fraktionssprecher forderte in seiner Rede u.a. beschleunigte Anerkennungsverfahren und humanitäre Visa. Er kritisierte den „Brandbrief“, den die südwestfälischen Landräte vor einigen Monaten an die Kanzlerin und Ministerpräsidentin Kraft geschickt haben, auch unter dem Gesichtspunkt, dass sich extreme Gruppierungen eventuell durch den Brief legitimiert fühlen würden. Auf eine Erhöhung der Kreisumlage könnten die Grünen verzichten. Der HSK solle seine RWE-Aktien verkaufen.

Die FDP
Zu Beginn seiner Rede zitierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Friedhelm Walter den „Wind der Veränderung“. Der sei überall spürbar. „Wir im HSK erfahren, dass wir mittendrin sind!“ Friedhelm Walter blickte zurück auf das Jahr 2015. Die Wiederbesetzungssperre bei Dienst- und Arbeitsposten der Kreisverwaltung, die auf Antrag von FDP und CDU vor einem Jahr beschlossen wurden, lasse Zweifel aufkommen. Die Differenz zwischen Beschluss und Wirklichkeit betrage 1 Mio Euro. Die FDP fordere Konsolidierung und damit eine erneute Wiederbesetzungssperre, unterstrich Friedhelm Walter. Nichtstun sei keine Lösung. Ziel müsse sein, die Menschen, die in den letzten zwei Jahren in den HSK gekommen sind, zu integrieren. Integration müsse eine zentrale Querschnittsaufgabe werden. Mehr denn je gelte, diese Aufgaben zu koordinieren. Für die FDP-Fraktion beantragte Friedhelm Walter, die für Integration notwendigen Mittel bereit zu stellen. Die FDP-Fraktion stimmte im Übrigen auch gegen die Erhöhung der Kreisumlage.

Die Linken
Der „rote Faden“ in der Haushaltsrede von Dietmar Schwalm, dem Vorsitzenden der Kreistagsfraktion DIE LINKE, war „das kleine abc der LINKEN in der Kommunalpolitik“. Er wolle keine Rede halten, bei der er sich verbiegen müsse, erklärte das Kreistagsmitglied und fuhr dann fort mit einer Schilderung seiner für ihn nicht immer erfreulichen Erlebnisse in den Kreistags- und Ausschusssitzungen dieses Jahres. Dazu gehörten der Umgang der Verwaltung und einiger Kreistagskolleginnen und –kollegen mit den Anträgen seiner Fraktion, z.B. mit dem Antrag zu „nicht heterosexuellen Jugendlichen“, zum Elternwillen bei den Betreuungszeiten in der Kita und zur Gesamtschule. Auch Dietmar Schwalm hatte kein Lob für den „Brandbrief“ der südwestfälischen Landräte übrig, im Gegenteil. Seiner Meinung nach wäre ein Brandbrief an die Waffenexporteure sinnvoller gewesen. Er kritisierte zudem, der Landrat hätte das Recht auf Freizügigkeit der Flüchtlinge vergessen und mahnte einen sozial gerechten Haushalt an. Außerdem hinterfragte er Sinn und Nutzen des Jugendaustausches mit Israel angesichts der geringen Teilnehmerzahl von 8 Schüler/innen im Verhältnis zu den Kosten in Höhe von 20.000 Euro. Den Ausbau des Sauerlandmuseums halte er für Steuerverschwendung. Und der RWE-Aktien-Beteiligung des HSK müsse schnellstens ein Ende gesetzt werden. Die Fraktion DIE LINKE lehne den Kreishaushalt ab.

Die SBL
Der letzte Redner in der Reihe der Fraktionsvorsitzenden war SBL-Fraktionssprecher Reinhard Loos. Landrat und Kanzlerin seien nun jeweils 10 Jahre im Amt und seine heutige Rede wäre die 10. Haushaltsrede der Sauerländer Bürgerliste. In diesen 10 Jahren verzeichne der Hochsauerlandkreis einen Rückgang seiner Einwohnerzahl um ca. die Einwohnerzahl vom Olsberg, erklärte der hauptberufliche Demograph, der dann ohne Umschweife zum Thema „Flüchtlinge“ kam. Reinhard Loos lobte die Mitarbeiter/innen der Kreisverwaltung. Die Notunterkunft in Brilon sei unter der Leitung der Kreisverwaltung sehr gut gelaufen. Nicht begeistert äußerte er sich über den „Brandbrief“ der Landräte: „Haben sich alle überlegt, welche Konsequenzen die darin enthaltenen Forderungen haben?“ Will man das Asylrecht abschaffen?“ So könnten wir das Flüchtlingsproblem nicht lösen, erklärte Reinhard Loos. Fast noch mehr Kritik richtete der Kommunalpolitiker der SBL an Landrat und Kreisdirektor wegen der für ihn nicht nachvollziehbaren Arbeitsweise der HSK-Ausländerbehörde. „Ist das alles mit Recht und Gesetz vereinbar?“ Das Kreistagsmitglied der SBL zitierte dann einen aktuellen Fall, bei dem ihm die Vorgehensweise des Ausländeramts fraglich vorkommt und meinte, es sei falsch zu behaupten, im Kosovo gebe es keine Beeinträchtigungen, falsch, vor allem mit Hinsicht auf Roma. Reinhard Loos forderte: „Wir müssen uns als Kreistag auch um die Flüchtlinge kümmern, die hier schon längere Zeit leben!“ Das SBL-Kreistagsmitglied forderte den Landrat auf: „Lassen Sie doch die Abschiebungen bleiben, so wie die Stadt Arnsberg!“ Dort sei in diesem Jahr noch kein einziger Mensch abgeschoben worden.

Die SBL hatte am 14.12. den Antrag auf Einführung eines Sozialtickets im HSK gestellt. Das Sozialticket sei sinnvoll und finanzierbar, erläuterte Reinhard Loos. Dann kam der SBL-Fraktionssprecher zum Dreh-und Angelpunkt dieser Sitzung, zur Kreisumlage. Er berichtete, dass im Nachbarkreis Soest gestern ein Beschluss zur Senkung der Kreisumlage gefallen ist. Besser als erneut die Umlage, die die Städte und Gemeinden an den HSK zahlen müssen, zu erhöhen, wäre es, im HSK die Jagdsteuer wieder einzuführen. Auch die Beteiligungen des HSK an der Bobbahn, an Radio Sauerland, am Flughafen Paderborn-Lippstadt etc. müsste der HSK angehen. Die Beteiligungen kosteten dem Kreis viel Geld. Es ist kein Geheimnis, dass Reinhard Loos den RWE-Aktienbesitz des HSK schon seit vielen Jahren äußerst kritisch sieht. Seit der Wertberichtigung wäre ein Minus von 107 Mio Euro entstanden und das sei ein Desaster, monierte er vor allem in Richtung CDU und Landrat. Und das 2. Desaster wäre das Sauerlandmuseum. Das sei nun schon seit 16 Monaten geschlossen und bleibe noch 1 Jahr eine ruhende Baustelle. Ein weiterer Kritikpunkt war und ist für Reinhard Loos der mangelhafte bzw. verhinderte Informationsfluss über den Baustand des Sauerlandmuseums. Die SBL musste erst eine schriftliche Anfrage stellen, um die gewünschten Infos zu erhalten. Zu dieser Kreistagssitzung hatte die SBL 12 Anträge gestellt, größtenteils zur Kostenersparnis.

So ist es nicht verwunderlich, dass auch Reinhard Loos in seiner Haushaltsrede die Forderung formulierte: „Kreisumlage nicht erhöhen!“

14 Gedanken zu „Haushaltsreden in der Kreistagssitzung: im Vordergrund Flüchtlinge und Kreisumlage“

  1. Ich halte folgende Forderung für falsch:

    „Außerdem hinterfragte er Sinn und Nutzen des Jugendaustausches mit Israel angesichts der geringen Teilnehmerzahl von 8 Schüler/innen im Verhältnis zu den Kosten in Höhe von 20.000 Euro.“

    Ich würde mir wünschen, dass ein schlauer Mensch darüber nachdenkt, wie man den politischen und kulturellen Austausch mit Israel verbessern/intensivieren könnte.

    Wird das Programm noch an anderer Stelle evaluiert?

    1. @armes gelobtes Land

      keine schlechte Idee.

      Leider kenne ich das Programm (noch) nicht und weiß auch nicht, wer daran zu welchen Bedingungen teilnimmt.

  2. Im Sauerlandkurier von heute (Seite 6., EPaper und Print) hat der Autor des Artikels

    „Für eine gute Zukunft“ Kreistag verabschiedet Haushalt für 2016

    lediglich die Reden von CDU, SPD, Grünen und FDP erwähnt. SBL und Linke finden im Sauerlandkurier nicht statt.

  3. Es findet so vieles im „Sauerlandkurier“ und in der „WP“ nicht statt… Und das wo gerade in Spanien Linke und Bürgerrechtler so grandios gewonnen haben, nur vier Jahre nachdem sie auf die Straße gegangen sind gegen Korruption, Verelendung und Verarmung (Umverteilung von unten nach oben) und sich aus diesen notwendigen Protesten eine neue Partei formiert hat. Griechenland hatte es vorgemacht. Die Menschen lassen sich nicht auf Dauer verdummen.

  4. @ Nofretete & alle

    eine Frage zu „Spaniens Linke“ – um sie mal hier „stattfinden“ zu lassen:

    auf der spanischsprachigen Wikipedia-Seite zu „Podemos“
    habe ich versucht herauszufinden, wie das – für mich – ungewöhnliche „Violett“ zu Stande kommt, wikipedia:

    „Colores: Morado“

    hab auf „Morado“ geklickt, und das gefunden:

    die Flagge der Zweiten Spanischen Republik 1931 – 1939, mit dem Podemos-„Maulbeerfarben“ im unteren Streifen

    Frage: heißt das, daß Podemos die „Zweite Spanische Republik“ wieder auferstehen lassen will?

    (ich spreche kein Spanisch, für die Recherche hinderlich)

  5. Google I:

    Allerdings ist das von Podemos als Parteifarbe gewählte Violett eine Anspielung auf die von den Franco-Faschisten in Blut ertränkte Spanische Republik, deren Fahne Rot-Gelb-Violett war. Auf der Plaza de Sánchez Bustillo in Madrid, auf der Iglesias am späten Sonntag abend zu seinen Anhängern sprach, wehten deshalb auch viele republikanische Banner im Wind. Iglesias selbst erinnerte in seiner vom Fernsehen übertragenen Rede an die, »die das Heimatland verteidigt haben«: an die Kommunistin Dolores Ibárruri, »La Pasionaria«, an den von Faschisten ermordeten Dichter Federico García Lorca und an den ins Exil vertriebenen Poeten Rafael Alberti.

    https://www.jungewelt.de/2015/12-22/015.php
    Google II:

    Sowohl Iglesias als auch andere Podemos-Mitglieder zeichneten sich durch ihre Hartnäckigkeit aus, die Mitglieder der großen Parteien als „Kaste“ zu bezeichnen. Ebenso charakteristisch ist die Ehrung der Menschen, die auf Seiten der Republikaner während des Spanischen Bürgerkriegs kämpften und das Singen der von diesem Sektor bevorzugten alten Lieder auf ihren Veranstaltungen.

    http://www.wikiwand.com/de/Podemos

    1. Aus dem Bauch heraus:

      „Legion Condor?“ – nein. „Märkte?“ – jein, aber nicht mehr so leicht wie in Griechenland. Schäuble würde Europa nicht mehr unter einen Hut bekommen. Europa ist instabiler geworden. Die Spanier können „Griechenland“ auswerten.

  6. @ zoom

    „Schäuble“ ist nur eine „Charaktermaske“. Austauschbar.

    Auch Gregor Gysi würde die Banken retten, wenn er die Macht hätte, sagt er selber – ab 1:54 Minuten:

    https://www.youtube.com/watch?v=mTbQ7LzG3hk

    „Die Deutsche Bank entscheidet, was der Kanzler zu tun hat …“

    ( was für einen Unterschied macht es da, wer der Kanzler ist )

    1. Ha, ha … das hat Gysi geschickt auf den Kopf gestellt. Kann jetzt nicht weiter antworten und schreiben, weil ich mir die Sendung anschauen muss 🙂

  7. … noch einige Erkenntnisse zu „Podemos“:

    entzieht sich der kapitalistischen Verwertungslogik, da sie gnadenlos klaut:

    – der Slogan „Podemos“ – „wir können“ – „Yes, we can“ …

    – typografisch auch an Obamas Kampagne angelegt, Grotesk-Schrift …

    3 Kreise, die das „O“ bilden, sind bei „Bugaboo“ abgekupfert …

  8. Das wiederum glaube ich einfach nicht – Gregor Gysi würde die Banken nicht retten, selbst wenn er könnte. Er ist alt geworden und milde. Dann muss jetzt mal die schöne Wagenknecht ran. Wie vorausgesagt steht der halbe Vorstand der Deutschen Bank vor einem Strafgericht, wird von den US-Behörden (einer Justizministerin mit dem bezeichnendem Namen „Lynch“) verfolgt, der VW-Skandal, Olympia-Doping, die Fifa und Blatter (man möchte gar nicht weiterschreiben so eklig ist das) – und Hoenesss kommt demnächst frei. Wir stehen alle vor einem moralischen Debakel und die Frage lautet: Welche Welt wollen wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen ? Da gibt es aber auch noch eine mehr lokale Frage: Was macht Winterberg ohne Winter ?

  9. @ Nofretete

    „Gregor Gysi“ ist nur ein Beispiel für all jene, die gerne die Gesellschaft ändern würden, es aber nicht können, weil das Kapital zu viel Macht hat – was er im TV ja auch sagt (siehe link, oben).

    Man könnte auch andere Namen nennen, wie es gerade eben die Tagesschau tat: „Das Jahr des Alexis Tsipras – Die entzauberte Lichtgestalt“

    Es geht nicht um Personen, nein, es geht noch nicht einmal um ganze Staaten:

    too small to succeed„:

    was soll ein einzelner Staat wie Griechenland gegen den übermächtigen globalen Kapitalismus ausrichten?

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