Hallen- und Freibad geschlossen – Winterberg verliert Tradition, Flair und Charakter.

Der Eingang zum Winterberger Freibad bleibt geschlossen. (foto: reintke)
Der Eingang zum Winterberger Freibad bleibt geschlossen. (fotos: reintke)

„Komm wir wollen los, sonst ist es schon so voll!“ – So ging es jeden Sonntag, wenn meine Mutter mich antrieb, um endlich zum Winterberger Freibad fahren zu können.

Ich kenne das 50-Meter-Becken seitdem ich schwimmen kann. Jeden Sommer fuhr ich als Kind mit meinen Geschwistern und Eltern in das nahe gelegene Winterberg, um dort das Hallen- und Freibad zu besuchen.

Der ersten Sprung vom 3-Meter Brett und das Abzeichen „Seepferdchen“ folgten. Leider war der große Sprungturm bereits außer Betrieb. Irgendwann wurde er abgerissen.

Das Personal war immer freundlich
Ich erinnere mich an den Tag, als wir im Buchenweg bei durchwachsener Witterung ankamen und der Bademeister sagte: „Wie, bei den Temperaturen wollt ihr ins Freibad? Eigentlich haben wir heute nur das Hallenbad aufgemacht, aber wenn ihr schon mal hier seid, dann mache ich euch das Freibad auf!“ Auch weil das Schwimmen durch das Freibad nahe der Bobbahn irgendwann so dazugehörte, trat ich später in die DLRG ein.

Zum Freibad gehörte auch ein Hallenbad mit einem 25-Meter-Becken.
Zum Freibad gehörte auch ein Hallenbad mit einem 25-Meter-Becken.

Die letzte Chance
Ich erinnere mich aber auch an die Aussage im August 2011, als mir der Bademeister erzählte, dass es nun bald vorbei sei und ich jetzt die letzte Chance hätte das Freibad nochmal zu besuchen.

Umso mehr bedauere ich als langjähriger Besucher des höchstgelegenen Freibades Nordrhein-Westfalens die Schließung am 22. April 2012 (siehe auch hier im Blog).

Freibad mit Charakter
Die tolle Liegewiese, auf der wir all die Jahre an der gleichen Bank in der Sonne lagen, den Erlebnispilz, die Sprungtürme, den Volleyballplatz, das Eis am Kiosk und die freundlichen Bademeister, der immer in seinem Liegestuhl vor dem Aufsichtshäuschen saß.

Das Winterberger Freibad hatte Charakter wie kein zweites.  Lage, Leute und das Panorama machten es einzigartig. Eines der lohnenden Objekte, um Winterberg besuchen zu kommen.

Das Freibad heute – ein trauriges Bild
Das Bild was sich mir im Juli bot, als ich nachsehen wollte was aus dem Freibad geworden ist, war traurig. Ein kleines Informationsschild über die Schließung an der Tür, der ungemähte Rasen der riesigen Liegewiese, das vom Unkraut befallene Pflaster, der heruntergekommene Spielplatz und das grünliche Wasser im Außenbecken – traurig!

Nachfragen und Nachforschungen
Mir drängte sich die Frage auf: „Was denkt sich die Tourismus- und Wintersportstadt Winterberg dabei, ein solches Freibad zu schließen?“ Ich nahm Kontakt mit der Stadt Winterberg und der Knappschaft Bahn-See auf.

Das Bedauern über die Schließung teilte der Mitarbeiter der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH, aber nur ohne den Blick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten.

Dass Winterberg ein Freibad nicht als Kulturgut anzusehen scheint, hatte die Stadt bereits vor Jahren bewiesen, als es das Freibad in Siedlinghausen abstieß, welches heute privatisiert weiter betrieben werden kann.

Die Schließung des städtischen Schwimmbades beschreibt die Stadt als Verlust, den die Politiker schweren Herzens beschlossen haben, da im Schwimmbad ein Investitionsstau herrsche und man sich vorgenommen habe, veraltete Einrichtungen mit hohen Betriebskosten aufzugeben. Auch die seit Jahrzehnten rückläufigen Besucherzahlen seien ein Grund. Ich verweise an dieser Stelle auf das einleitende Zitat.

Andere defizitäre Anlagen werden weiterbetrieben
Fraglich bleibt auch, warum andere defizitär betriebene Anlagen wie beispielsweise die Bobbahn betrieben werden, wenn die Stadt Winterberg so zu handeln vermag.

Auch der Eingansbereich des Hallenbades beginnt zuzuwuchern.
Auch der Eingansbereich des Hallenbades beginnt zuzuwuchern.

Was mit dem Hallen- und Freibad Winterberg geschehen soll? Das weiß scheinbar niemand so genau. Interesse von privater Seite wie in Siedlinghausen am Freibad bestehe aber keines. Ein solches Freibad könne in keinster Weise wirtschaftlich betrieben werden, so die Stadt Winterberg und beweist erneut ihr rationales Denken. Die Anlagen im Schwimmbad haben allerdings noch problemlos funktioniert.

Die Knappschaft Bahn-See
Das Gelände, auf welchem auch das Freibad liegt, gehört zum Großteil der Knappschaft Bahn-See. Laut des Trägers der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung ist das Gelände weiterhin an die Stadt Winterberg verpachtet. Die Stadt Winterberg gibt allerdings an, dass die Pacht auslaufe. Knappschaft Bahn-See allerdings scheint auch nicht zu wissen, was mit dem Gelände anzufangen ist. Eine Wiedereröffnung scheint aber auch ihrerseits derzeit nicht geplant zu sein, da sie als Trägerin der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung nicht dazu berechtigt ist.

Das Gebäude des Hallenbades steht auf dem Gelände der Stadt. Winterberg hat einen Rückbau dieses Gebäudes für 2013 oder 2014 in den Raum geworfen. Allerdings ist die Aussage über das Verhalten gegenüber dem Freibad, welches auf dem Gelände der Knappschaft Bahn-See steht, nicht eindeutig.

Die Knappschaft Bahn-See scheint sich generell wenig Gedanken über das Freibad zu machen, solange das Gelände an die Stadt Winterberg verpachtet ist.

„Das Freibadgelände ist noch an die Stadt Winterberg verpachtet. Insofern sind nicht wir, sondern die Stadt Winterberg der geeignete Ansprechpartner wegen einer Anfrage zum Weiterbetrieb bzw. zur Wiedereröffnung des Freibades“(Knappschaft Bahn-See, 07.08.2012).

Freibad Siedlinghausen als Ersatz
Als Ersatz bleibt nur das kleinere Freibad im Ort Siedlinghausen oder das 60-qm-Becken, welches im neuen Oversum in Winterberg ein Stück weit das alte Freibad ersetzen soll.

Winterberger Politikerinnen und Politiker sollten es als ein Anliegen sehen, dieses unverwechselbare Freibad nicht zuzuschütten und das Panorama der Ferienwelt Winterberg den Gästen und Einwohnern der Stadt wieder zugänglich zu machen.

Ein wichtiges Stück Winterberger Tradition geht verloren
Was geschehen soll bleibt weiter abzuwarten. Zu hoffen bleibt, dass das Wasser im 50-Meter-Becken eines Tages wieder blau ist, denn mit dem Hallen- und Freibad Winterberg geht ein wichtiges Stück Winterberger Tradition verloren.

UPDATE: WDR Lokalzeit berichtet: http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/2012/08/23/lokalzeit_suedwestfalen.xml

18 Gedanken zu „Hallen- und Freibad geschlossen – Winterberg verliert Tradition, Flair und Charakter.“

  1. Jedes Jahr im Sommer kam ich nicht zuletzt wegen des wunderschönen Freibades nach Winterberg. Für den Sommer 2012 mußte ich nun leider umdisponieren. Sehr schade! Hoffentlich hat die Stadt doch noch ein Einsehen. Ein Weiterbetrieb wäre sehr förderlich für den Tourismus, denn vermutlich bin ich nicht der einzige, der das Freibad so sehr schätzt….

  2. Es ist schon Wahnsinn von wie vielen Gästen oder Winterbergern ich solche oder ähnliche Aussagen höre!

  3. L.R. – Kompliment, verdammt gute Schreibe. In/mit der analytischen Qualität liefern Regionalblätter der WAZ-Mediengruppe eher selten. Neudeutsch gefragt: More to come…?

  4. Danke für das Kompliment. Man muss natürlich auch bedenken, dass den Regionalblättern der WAZ nicht immer die Zeit für solche Nachforschungen bleibt. Aber deswegen habe ich den Artikel auch geschrieben, weil mir auch ein solcher gefehlt hat!

  5. @all: war gerade im Siedlinghauser Freibad. Es brummt. Kaum noch eine Bahn zu finden. Zick-Zack. Viele Niederländer. Sehr gut für den Bäderverein und das Bad. Schade, dass das Wetter zu Beginn des Urlaubs so schlecht war.

  6. Fahre auch sograde nach Siedlinghausen ins Freibad. Wenn ich mir jetzt vorstelle wie voll das Freibad Winterberg jetzt sein könnte – traurig!

  7. Ein Artikel in der WAZ aus dem Juni ist mir gerade erst aufgefallen! Er beschreibt, dass das Hallenbad in 2014 abgerissen werden soll. Das ist Bestandteil des Rückbaus der auch die alte Stadthalle und das Bahnareal betrifft. Das Freibad allerdings ist kein Teil dieses Konzeptes, da es nicht der Stadt gehört! Interessante Information!

  8. @Leon:

    WkW ist ja in Konkurrenz zu Facebook „untergegangen“. Die Frage ist, welche Aktion möglich wäre, um das Freibad zu retten.

    Der Rat ist zur Zeit damit beschäftigt, die Schuldigen für das Oversum Desaster außerhalb des Rates zu finden.

    Dabei sind schon zwei Strategien zu sehen:

    a) Die Kritiker (also auch du und ich) waren es. Die haben ein gutes Projekt schlecht geredet.

    b) Der ehemalige Geschäftsführer Bernd Rüdiger war’s. Der hat nicht genug für die Vermarktung getan.

    Dass das Ding von Beginn an nicht ok war, wird keiner zugeben wollen, denn dann müsste er/sie Verantwortung übernehmen.

    Bei dieser Strategie hilft auf jeden Fall, dass der Öffentlichkeit die zu Grunde liegenden Abmachungen nicht bekannt sind.

    Als Politiker würde ich darauf hoffen, dass die Größe des Schützenfestvogels medial wichtiger wird als ein Millionengrab.

    Aber das ist wieder ein anderes Thema …

  9. Das ist richtig, 2010 war WKW noch bekannter, mittlerweile spricht niemand mehr davon. Trotzdem haben sie dort über 1000 Mitglieder gefunden, beachtlich!

    Zu 1), wenn das Projekt so gut gewesen wäre, dann hätten die Bürger sich von den Kritikern sich nicht abschrecken lassen. Außerdem haben wir ja einerseits kritisiert, andererseits aber auch Werbung gemacht 😀 …

    Schöner Vergleich mit dem Schützenfestvogel, leider gehen unter solch „wichtigen“ Sachen, die eigentlichen Fehlentscheidungen oft unter.

  10. Es trifft genauer gesagt überall die Bürger. Wir konnten ja neulich in der WP über den Schuldenstand der Kommunen im HSK lesen. Und Winterberg nahm in dieser Negativ-Bilanz einen herausragenden Platz ein. In wenigen Jahren ist es gelungen, die Schulden exorbitant zu erhöhen. Und irgendwo muss das Geld ja sein… „Folge der Spur des Geldes“ – ist ein ebenso alter wie effizienter Rat an Leute, die sich für Etwas etwas näher interessieren.
    Jetzt will die Verwaltung gegen den Zensus klagen (angeblich wurden die Einwohner falsch gezählt ?!) Ich frage mich, wie hoch die Erfolgsaussichten sein werden und noch wichtiger, was genau es am Schuldenstand ändern kann und wird ? Menschen sterben, Menschen werden geboren, Menschen ziehen weg oder kommen gar her – also keine statische Größe. Der Schuldenberg jedoch bleibt und wird sich sogar noch erhöhen. Menetekel an jeder Rathauswand sind Haushaltssperre, Nothaushalt und was es da sonst noch alles gibt.

  11. Zum Zensus2011:
    Dessen Ergebnisse stellen tatsächlich ein finanzielles Problem für viele Kommunen dar. Wenn der „amtlich festgestellte“ relative Einwohnerzahlverlust größer ist als im Durchschnitt aller Kommunen in NRW, gehen die Schlüsselzuweisungen zurück. Da die Methodik des Zensus alles andere als überzeugend war und ist, sind Klagen gegen den Zensus nicht unberechtigt.

    Zum Schuldenstand der Kommunen:
    Die vom Statistischen Landesamt (IT.NRW) veröffentlichten Daten sind unvollständig. Durch städtische Gesellschaften (100%ige Töchter ihrer Kommune) ist der tatsächliche Schuldenstand leider häufig noch weit höher.

    Zu Winterberg:
    Die Politik in dieser Stadt hat in jüngerer Zeit in mehreren Fällen eine deutliche Erhöhung der Schulden (direkt oder indirekt) verursacht. Zwei Beispiele sind das Oversum und die Bobbahn.

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