Ferienanlagen im Hochsauerlandkreis – Wie viele verkraftet das Sauerland?

Landal Ferienhaus im Bau
Landal Ferienhaus im Bau (archiv: zoom)

Ferienanlagen aller Arten schießen in vielen Regionen in Deutschland wie Pilze aus dem Boden. Das Sauerland macht da keine Ausnahme.

Das Debakel um den Schwimmbad- und Saunabereich vom Oversum zeigt aber leider schmerzlich, dass ein klangvoller Name, Vorschusslorbeeren, Minister und andere Promis und viel Tam Tam bei der Eröffnung absolut keine Erfolgs- und Langlebigkeits-garantie bedeuten. Nicht Träume, nein, Albträume sind in Winterberg wahr geworden und das in deutlich weniger Zeit als einem Jahr.

In Sundern-Amecke versucht eine neue Bürgerinitiative mit viel Energie und Einsatz ein weiteres „Ferienparadies-Fiasko“ zu verhindern. Wer sich für Ziele und Argumente der BI „Amecke 21“ interessiert, klicke bitte hier:
http://www.amecke21.de

Mögliches Ungemach, sprich der Bau eines weiteren Ferienparks droht auch in Andreasberg bei Bestwig. Ein niederländischer Investor will dort für 60 Millionen Euro bis zu 250 Ferienhäuser bauen.
Klick:
http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-meschede-eslohe-bestwig-und-schmallenberg/ferienpark-in-andreasberg-wird-gebaut-2014-sollen-die-ersten-haeuser-stehen-id7391217.html

Kreistagsmitglied Reinhard Loos von der Sauerländer Bürgerliste (SBL) sieht den ungebremsten Trend zu immer noch mehr Sauerländer „Ferien-Destinationen“ kritisch und schickte dem Landrat am 08. April 2013 folgende Anfrage:

„Tourismus ist für das Sauerland seit Jahrzehnten von großer Bedeutung. Wir freuen uns darüber, dass zu allen Jahreszeiten Urlauber und Gäste das Sauerland besuchen, die die vielfältigen touristischen Angebote nutzen und so zum wirtschaftlichen Erfolg unserer Region beitragen.

Doch die Planung und Projektierung immer neuer Ferienanlagen und anderer touristischer Einrichtungen beobachten viele Menschen mit Sorge. Nicht erst der „Fall Oversum“ macht deutlich, zu welchen Problemen Überangebot und finanziell aus dem Ruder laufende Bauvorhaben und vollmundige Versprechen dubioser Investoren führen können, insbesondere im Rahmen von „PPP“-Projekten. Kritisch zu sehen sind auch Natur- und Flächenverbrauch.

Daher bitte ich folgende Fragen zu beantworten:

1. Wie viele Ferienparks, Ferienhäuser und große Hotelanlagen sind im HSK aktuell auf dem Markt und wie groß ist ihre Bettenzahl?
2. Welche Daten sind Ihnen bekannt über die durchschnittliche Auslastung der Ferienanlagen und Hotels?
3. Ist Ihnen bekannt, ob und wie viele Ferienanlagen, Ferienhäuser, Ferienparks und Hotels derzeit ungenutzt sind und leer stehen oder sich in Abwicklung befinden?
4. Wenn ja, wo befinden sich größere, leer stehende Ferienkomplexe, in welchem baulichen Zustand sind sie und wer sind die jeweiligen Eigentümer?
5. Welche Bauvorhaben für weitere, neue Ferienparks und -anlagen, sowie für größere Hotelanlagen im HSK sind Ihnen bekannt, wo sollen sie entstehen (in welcher Kommune, Ortsnähe, Waldnähe, am See) und über welche Bettenkapazitäten werden sie nach jetzigen Planungen verfügen?
6. Wer sind die jeweiligen Investoren und wie viele dieser Vorhaben sind als PPP-Projekte konzipiert?
7. Welche Ferienanlagen könnten Ihrer Einschätzung nach jetzt und in Zukunft in unmittelbarer Konkurrenz zueinander stehen?
8. Wie viele Hallen- und Freibäder sind bestehenden Ferienanlagen und Hotels angegliedert, wie viele weitere Bäder sind geplant?
9. Wie groß sind die Flächen (einschließlich des Wegenetzes), die für die in Planung und im Bau befindlichen Ferienanlagen verbraucht werden (im Einzelnen und insgesamt)?
10. Gibt es Ihrer Einschätzung nach bei einzelnen Projekten negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt?
11. Sind Ihnen Gutachten auch von unabhängigen Fachleuten über Bedeutung und Auswirkungen von Ferienparks und –anlagen auf die regionale Wirtschaft bekannt und wie sind die Ergebnisse hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsberechnungen?
12. Gibt es auch Prognosen oder Gutachten über die Auswirkungen des Verdrängungswettbewerbs und, wenn ja, wo werden die stärksten Verdrängungseffekte erwartet?“

Als Antwort schickte der Organisationsbereich Strukturförderung, Regionalentwicklung des Hochsauerlandkreises mit Datum vom 25.04.2013 ein etwas zaghaft wirkendes Schreiben. Hier der Text mit den Antworten:

„Frage 1
Im April 2008 wurde das Gutachten „Chancen und Risiken der Tourismuswirtschaft unter Einbeziehung von Feriengroßanlagen im Hochsauerlandkreis” (BTE-Gutachten, April 2008), vorgestellt (Drs. 7/1019). Darin ist u. A. eine Übersicht über Ferienparks in Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Bundesländern dargestellt.

Frage 2
Es sind keine Daten bekannt

Frage 3
Nein

Frage 4
s. Frage 3

Frage 5
Im unter Frage 1 genannten BTE-Gutachten sind ebenfalls der Bestand und die Planungen von Feriengroßanlagen dargestellt (Kapitel 3.2.1). Weitergehende Erkenntnisse liegen nicht vor.

Frage 6
Es liegen keine Informationen vor

Frage 7
s. BTE-Gutachten

Frage 8
Es liegen keine Informationen vor.

Frage 9
s. Antwort zu Frage 5.
Im Übrigen ist in Ferienanlagen auch immer ein großer Anteil an Grünanlagen und Flächen mit Begleitgrün vorhanden.

Frage 10
Bei bestehenden und genehmigten Anlagen wurde die Frage im Bauleitplanverfahren abgearbeitet. Bei den geplanten Verfahren ist das Planungsstadium der Bauleitplanung noch nicht erreicht.

Frage 11
Nicht bekannt

Frage 12
Nicht bekannt“

Zwar erübrigt sich ein Kommentar zu dieser „Antwort“. Trotzdem, wir können es nicht lassen, unsere Verwunderung darüber zu formulieren, dass der HSK bei der Antwort auf die Frage 1 lediglich auf ein fünf Jahre altes Gutachten (77 Seiten stark) verweist. Das nicht mehr taufrische BTE-Gutachten erkannte übrigens Chancen und Risiken für Ferienanlagen. Ein Resümee auf Seite 72 liest sich so:

„Neue, zusätzliche Ferien(groß)anlagen haben im Hochsauerlandkreis eine Perspektive auf Wirtschaftlichkeit, wenn sie:
durch Verknüpfung mit der Region und ihre Angeboten eine attraktive Alternative zu preiswerten Flugreisen und Urlaubsreisen zu Schnäppchenpreisen darstellen, sowohl neue Sauerlandgäste akquirieren und Nachfrage aus überkommenen Quartieren im Sauerland zu sich umlenken können.“

Sämtliche 77 Seiten des Gutachtens sind hier zu finden:
https://sdoffice.hochsauerlandkreis.de/vorgang/?__=LfyIfvCWq8SpBQj0MjyGawFWu8Vn7Ui2QezGJ

Seit April 2008 hat sich auf dieser Welt doch das ein oder andere getan. Vor fünf Jahren waren beispielsweise Energiepreise und Wohnungsmieten noch nicht in solch astronomischen Höhen gestiegen wie heute. Manche potentiellen Urlauber verfügten damals noch über ein spürbar höheres frei verfügbares Einkommen als jetzt. Und vor fünf Jahren stand in Winterberg noch kein Ei mit dem Namen „Oversum“ in der Landschaft, das bekanntlich der Landrat im Oktober letzten Jahres als ein gutes Beispiel dafür benannte, wie sichtbar gute privatwirtschaftliche Planung harmonisch im kommunalen Raum entstehen kann.

Klick:
http://politikfotogermany.wordpress.com/2012/10/08/kommunen-melden-beratungsbedarf-bei-sab-ag-an; http://www.openpr.de/news/691922/Kommunen-melden-Beratungsbedarf-bei-SAB-AG-an.html

In Winterberg ist die Harmonie nun leider hin.

Wie sieht es mit der Balance aus? Geht auch die verlustig, wenn mehr und noch mehr große Ferienanlagen in die Sauerländer Landschaft einbetoniert werden? Dazu hatten wir vom Hochsauerlandkreis eine Stellungnahme erwartet. Doch die Kreisverwaltung hält sich da lieber bedeckt.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen, ist das etwa die Strategie des Hochsauerlandkreises? Oder ist die Behörde der Ansicht, der Markt wird es schon richten (so wie beim Oversum)? Oder trifft das eine wie das andere zu? Wir wissen es nicht.