Der Sauerlandkurier zum „Germanwings-Absturz“: Heuchlerische Nichtberichterstattung

Ein heuchlerischer, undifferenzierter Rundumschlag auf Seite 3 des heutigen Sauerlandkuriers. (foto: zoom)
Ein heuchlerischer, undifferenzierter Rundumschlag auf Seite 3 des heutigen Sauerlandkuriers. (foto: zoom)

Heute Morgen habe ich mich über die heuchlerische Nichtberichterstattung des Sauerlandkuriers zum Germanwings-Absturz gewundert, nein geärgert.

Tim Plachner, Verlagsleiter und Chefredakteur, rechtfertigt in einem zweispaltigen Kommentar, „warum sich der Sauerlandkurier nicht mit dem Flugzeugabsturz befasst.“

Plachner zählt die Fehler der Medien auf und nimmt gleich jeden und jede, die da irgendwo berichtet hat, aufs Korn.

„So genannte Experten wurden aus allen Ecken der Republik zusammengetrommelt, denn schließlich müssen ja zig TV-Sender, dutzende Print-Produkte und hunderte Online Portale – häufig nur durch journalistische Amateure bedient – irgendwo gefüttert werden.“

Und so fort und so fort …

Ja, ja, alles Nutten außer Plachner? Dessen Blatt recherchiert lieber gleich garnichts, weil die Sauerlandkurier-Profis es anscheinend nicht können, denn gerade für eine Lokalzeitung hätte es viele Zugänge und Möglichkeiten zum Thema gegeben. Die Reklamezeitung hätte es anders und besser machen können als die „Medienmaschinerie“.

Welch selbstverliebte Verblendung spricht aus dem Kommentar. „Wir machen da nicht mit. „Wir stellen keine künstlichen Zusammenhänge her.“ Realitätscheck! Es gab quer über sämtliche Medien gute und schlechte Berichterstattung.

Im Gewerkschaftsblog Medienmoral wurde der journalistische Lapsus heute Morgen ebenfalls bemerkt und treffend kommentiert:

Einen Tiefpunkt in der Berichterstattung über den Germanwings-Absturz liefert heute das Anzeigenblatt Sauer-/Siegerlandkurier. Dort wird verkündet, dass es zwar eine Tragödie sei, die aber doch nicht dramatisiert werden soll …

Danach wird ausgeholt zum Rundumschlag gegen sämtliche Medien, mit dem scheinheiligen Hintergrund, sich vermeintlich überhöht darzustellen. Der Text endet damit, dass der Sauer-/Siegerlandkurier das Thema bewusst nicht aufgreift – wobei er es ja erstaunlicherweise doch tut.

Autor ist Tim Plachner, beim Blick im Impressum fällt auf: Chefredakteur UND Verlagsleiter. Was? Das ist die eigentliche Tragödie dieses Mediums: Dass die Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen nicht mal mehr mit einem Deckmäntelchen vorgegaukelt wird. Hier bestimmt der Verlagsleiter den Inhalt. Und das ist neu!

Vielleicht sollte Herr Plachner diese Umstand mal in seiner Kolumne thematisieren, falls er nicht gerade damit beschäftigt ist, passende Texte zu den verkaufen Anzeigen zu suchen …

5 Gedanken zu „Der Sauerlandkurier zum „Germanwings-Absturz“: Heuchlerische Nichtberichterstattung“

  1. Na ja, der Herr Chefredakteur ist ja erst seit wenigen Tagen beim Sauerlandkurier in diesem Amt:
    http://www.bvda.de/bvda-news/aus-den-mitgliedsverlagen/details/tim-plachner-ist-neuer-chefredakteur-beim-sauerlandkurier.html
    D.h., so ganz neu ist er eigentlich nicht, denn sowohl der Chefredakteur als auch der Geschäftsführer waren vorher schon beim Siegerlandkurier verantwortlich tätig und haben jetzt den Sauerlandkurier mit übernommen.
    Eine Unzufriedenheit des Verlegers mit der bisherigen inhaltlichen Ausrichtung des Sauerlandkuriers ist allerdings nicht zu vermuten…

  2. @ R.L.

    „Gewonnen“ wg. zeitnahem Hinweis auf bdva.de-Link …

    … falls er nicht gerade damit beschäftigt ist, passende Texte zu den verkauf(t)en Anzeigen zu suchen …

    Mag Zufall sein. Allerdings wirkt die rechts neben dem Plachner-Kommentar mit „Immer wieder Sonntags …“ überschriebene Promo wie ne Ankündigung des zukünftig Erwartbaren.

  3. Gerade gelesen:

    GERMANWINGS-CO-PILOT IM FOKUS
    Was dürfen Medien?

    http://www.cicero.de/berliner-republik/nach-dem-germanwings-absturz-medienkritik-echtzeit/59058

    Passt nicht auf den speziellen Fall, aber ist sehr, sehr gut:

    „Nachrichten sind das, was jemand irgendwo nicht veröffentlicht haben will. Alles andere ist Reklame.“

    Katharine Viner leitet als neue Chefredakteurin den „Guardian“. In einer Rede erklärt sie, was sie vom Journalismus im Zeitalter des offenen Internets erwartet

    https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/der-aufstieg-des-lesers

  4. Sehr geehrter Herr Schiebener,

    gerne möchte ich in wenigen Zeilen Stellung nehmen.

    Mir ist klar, dass man mit einer eigenen Meinung zu einem solch sensiblen Thema polarisiert. Von daher möchte ich auch nicht diskutieren, dafür scheinen die Auffassungen hier zu verschieden zu sein. Ich sage: Wir wollten es nicht thematisieren. Sie sagen: Die können es anscheinend nicht.

    Was mir viel mehr auf dem Herzen liegt: Sie zitieren aus einem Kommentar des Medienmoral-Blogs. Dort geht man auf eine vermeintliche Vermischung von Anzeigenverkauf und Redaktion ein, abgeleitet aus der Tatsache, dass ich Verlagsleiter und Chefredakteur bin. Ich kann Ihnen an dieser Stelle versichern, dass Verkauf/Außendienst komplett getrennt von meiner redaktionellen Arbeit zu sehen sind. In unseren Verlagen gibt es dafür einen eigenen Verkaufsleiter sowie eine Geschäftsführung. Die Redaktion ist und bleibt eigenständig.

    Freundliche Grüße
    Tim Plachner

    1. Sehr geehrter Herr Plachner,

      vielen Dank für Ihre Antwort. Der für Sie wichtigste Punkt stand für mich nicht zur Debatte. Redaktionelle Unabhängigkeit von Werbung und Werbekunden sind ein eigenes Thema.

      Der Kern des Vorwurfs bei Medienmoral, den ich auch teile, lautet:

      Danach wird ausgeholt zum Rundumschlag gegen sämtliche Medien, mit dem scheinheiligen Hintergrund, sich vermeintlich überhöht darzustellen. Der Text endet damit, dass der Sauer-/Siegerlandkurier das Thema bewusst nicht aufgreift – wobei er es ja erstaunlicherweise doch tut.

      Ich hatte über ihren Kommentar u. a. Folgendes geschrieben:

      „Welch selbstverliebte Verblendung spricht aus dem Kommentar. “Wir machen da nicht mit. “Wir stellen keine künstlichen Zusammenhänge her.” Realitätscheck! Es gab quer über sämtliche Medien gute und schlechte Berichterstattung.

      Niemand hätte den Sauerlandkurier gezwungen, „künstliche Zusammenhänge“ herzustellen, natürliche Zusammenhänge hätten es auch getan 😉 In Ihrer Berichterstattung hätten Sie sich an der guten Berichterstattung orientieren können.

      Die Menschen im Sauerland -das habe ich beim Frisör, beim Discounter und im Café selbst am Rande unüberhörbar mitbekommen- diskutieren das Unglück. Es hätte beispielsweise gereicht, über die Trauerminute am Donnerstag um 10.53 zu berichten sowie ein paar Stimmen bzw. Gedanken einzufangen. Damit wären Sie Ihrer lokalen Rolle gerecht geworden und hätten Akzente der Vernunft setzen können.

      Soweit erst einmal mit vielen Konjunktiven und freundlichen Grüßen aus Siedlinghausen

      Hans J. Schiebener

Kommentare sind geschlossen.